Dass Verkäuferinnen in einen Pistolenlauf blicken, ist selten. Aber auch das kam in Unterfranken schon vor. „Mehr zu schaffen als die Aggression von Ladendieben macht uns allerdings deren Raffinesse“, sagt Volker Wedde, Geschäftsführer des Unterfränkischen Einzelhandelsverbandes. Mehr als 3400 Mal wurde 2012 in unterfränkischen Läden geklaut. Durch elektronische Überwachung soll den Dieben das Handwerk gelegt werden. Dabei darf allerdings der Datenschutz nicht zu kurz kommen.
Aggressive, mit Beleidigungen verbundene Diebstahlsversuche können laut Volker Wedde regelrechte Traumata auslösen. „Ich kenne Verkäuferinnen und Verkäufer, die danach lange psychologisch behandelt werden mussten“, sagt er. In einem Fall sei eine Verkäuferin sogar gezwungen gewesen, ihren Beruf aufzugeben. Händler tun viel, um Diebe daran zu hindern, in ihrem Laden zu stehlen. Und der Einzelhandelsverband bietet regelmäßig Schulungen über Sicherheitstechniken an.
Dass Ladendiebe, werden sie erwischt, gewalttätig reagieren, wird in anderen Regionen Deutschlands als wachsendes Problem identifiziert. In Unterfranken klagen Händler über wachsende Raffinesse und Skrupellosigkeit. Um durch die elektronischen Sicherungsanlagen zu kommen, setzen Diebe zum Beispiel Tarntüten ein. Die sind innen mit Alufolie ausgeschlagen. Dies verhindert, dass es am Ausgang piepst. Auch der „Zwiebeltrick“ ist laut Wedde immer noch in Mode: „In der Kabine zieht der Ladendieb mehrere Kleidungsstücke übereinander an.“ Die Etiketten werden gern hinterm Spiegel entsorgt.
Damit Ladendiebe nichts plündern, setzen viele Händler auf Kameras. Doch dies bedeutet laut Wedde eine Gratwanderung: „Wir wollen die Kunden schließlich nicht unter Generalverdacht stellen.“ Grundsätzlich gilt, dass nur in jenen Geschäften eine Kamera aufgestellt werden darf, in denen es einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten gibt. Bevor die Kamera eingeschaltet wird, muss der genau überprüfen, ob die Überwachung im konkreten Fall zulässig ist, erläutert Dirk Schöttelndreier. Der Geschäftsführer eines Datenschutzdienstleisters aus Kassel kooperiert seit einiger Zeit mit dem Unterfränkischen Einzelhandelsverband in Sachen Sicherheit.
Kundenüberwachung im Einzelhandel, etwa durch Schaufensterpuppen, lehnt Wedde ab: „Zumindest dann, wenn die Kunden nicht informiert sind.“ Dass Schaufensterpuppen dazu benutzt werden, um Kunden heimlich zu überwachen, drang im Herbst vergangenen Jahres an die Öffentlichkeit. In den Augen dieser Puppen sind kaum erkennbare Videokameras installiert. Auf Basis der Videoanalysen sollen die Auslagen in den Filialen noch besser an die Kundeninteressen angepasst werden. Wedde: „Wenn Kunden durch Videoüberwachung identifiziert werden können, müssen sie im Vorfeld darüber informiert werden, dass ein persönliches Profil erstellt wird.“
Dass bayernweit alljährlich Waren im Gesamtwert von über 300 Millionen Euro geklaut werden, rechtfertigt für den Handelsverband Bayern die sicherheitstechnologische Aufrüstung. „Der Handel rüstet schon seit Jahren massiv auf“, so Pressesprecher Bernd Ohlmann. Moderne Sicherungstechnik schrecke Diebe ab. Überwachungsanlagen erschwerten ihnen das Geschäft. Unterschieden werden müsse dabei zwischen Gelegenheits- und Auftragsdieben. Letztere sind Ohlmann zufolge für den Einzelhandel das Hauptproblem. Auftragsdiebstähle konzentrierten sich auf teure Produkte wie Schmuck, Parfüm, Lederwaren und hochwertige Textilien.
Die polizeilich erfassten Fälle von Ladendiebstahl sind im Übrigen nur die Spitze des Eisbergs. „Ladendiebstähle haben eine hohe Dunkelziffer“, bestätigt Roland Volpert vom unterfränkischen Polizeipräsidium. „Taten werden oft erst bei der Inventur bekannt.“ Die statistisch erfassten Fälle allerdings gehen seit Jahren drastisch zurück.
Laut Volpert wurde vor zehn Jahren in Unterfranken noch doppelt so viel geklaut wie heute: 6256 Fälle kamen damals zur Anzeige. Vor fünf Jahren sank die Zahl erstmals knapp unter die 5000er-Grenze. 2009 wurde die Grenze von 4000 Fällen erstmals unterschritten. Im Vorjahr wurden 3213 Ladendiebstähle registriert.
Kameraüberwachung im Einzelhandel
Jede Videoüberwachung stellt einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen dar. Der Einsatz von Videoüberwachung im Einzelhandel bedarf laut dem Datenschutzexperten Dirk Schöttelndreier deshalb einer genauen Abwägung der Interessen der Arbeitnehmer und Kunden sowie jener des Geschäftsinhabers. Um zulässig zu sein, muss es eine gesetzliche Rechtfertigung geben. Schöttelndreier: „Zur Vermeidung von Straftaten wie Diebstählen, Raubüberfällen oder Vandalismus stellt Videoüberwachung häufig das einzig effektive Mittel dar.“ Damit diene sie dem Schutz von Arbeitnehmern, Kunden und Geschäftsinhabern und damit einem legitimen Zweck. TEXT: pat