
Und hier ist das Treppenhaus? Balthasar Neumanns weltberühmtes Gewölbe mit dem größten zusammenhängenden Deckenfresko der Welt? Hier drunter soll wirklich jene säulenlose prachtvolle Konstruktion sein, mit der weitläufigen Treppe, auf der jedes Jahr mehr als 340 000 Besucher staunend nach oben schreiten?
Tilo Weyer lächelt und nickt. Und zeigt auf zwei Metalldinger, die auf dem grau-braunen buckelförmigen Mauerwerk stehen: „Hier, das sind die zwei Lampen mittig im Fresko. Die geben das zarte Licht im Treppenhaus.“

Willkommen in der Würzburger Residenz, willkommen im berühmten Schloss von Balthasar Neumann, für das anno 1720 mit der Grundsteinlegung die Arbeiten begannen. 300 Jahre später hat jeder die Bilder des barocken Baus im Kopf. Den Residenzplatz und die mächtige Fassade zur Stadt hin. Das Spiegelkabinett. Den Kaisersaal, den weißen Saal, den Toscanasaal. Die Hofkirche mit ihrer Opulenz. Den gehegten und gepflegten Hofgarten mit seinen Treppen und Hecken und Rabatten und Rosen. Und überall Marmor und Stuck und Fresken und Pracht.

Und darüber und dahinter? Sieht es ein bisschen staubig aus. Und ziemlich grau und fahl und farblos und trist. Tilo Weyer, der Hausmeister und Mann für alles, hat die Türe zum Dachboden geöffnet und führt einmal herum, ganz oben im riesigen Bau. Nordflügel, Treppenhaus, Südflügel. Mächtige Dachstühle aus Holz überall, mit Metallverstärkungen, Verstrebungen, Stützen. Und Leitern, auf denen es zu den Rauchmeldern hinaufgeht.

Seit zwei Jahre ist Weyer jetzt hier mit seinem Kollegen für alle lockeren Schrauben, wackeligen Türklinken, kaputten Lampen und überhaupt alle Reparaturen, Wartungen und was sonst so anfällt zuständig. Nach einem halben Jahr erst, sagt er, habe er unterm Dach so halbwegs eine Orientierung gehabt. „Ohne Legende ist man hier oben verloren.“ Zum Glück haben Weyers Vorgänger an die Zugänge zu den riesigen Dachräumen, in denen ganz flau und dumpf das Verkehrsrauschen von draußen zu hören ist und in die kaum Tageslicht dringt, handgemalte Pläne geklebt. Ovalsaal, nördliche Kaiserzimmer, Toskanaräume. Aha.
Wöchentlich machen die beiden Hausmeister hier Kontrollgänge. Schauen, ob sich Tauben verirrt haben, oder ob irgendwo Handwerker was liegen gelassen haben. Über den Räumen des Südflügels und der Hofkirche ist der Dachboden schon feinsäuberlich gefegt und gekehrt. Im Nordflügel wartet noch jede Menge Staub, Sand und Gebröckel vieler Jahrzehnte auf die Männer, die nach und nach Ordnung schaffen.

Und ja, da, in der großen gemauerten Wölbung, über die eine lange schmale Metallbrücke entlang führt, sind tatsächlich zwei kleine runde Löcher. Wenn jemand in Balthasar Neumanns Treppenhaus hustet oder lacht, ist es hier oben zu hören: Über den zwei Löchern sind 6-Watt-LEDs, Energieeffizienz A+++, aufgehängt. Für das ganz feine Oberlicht im 677 Quadratmeter-Fresko von Giovanni Battista Tiepolo.

Über dem Kaisersaal gibt es vier wichtige Kurbeln, über die Stahlseile führen. Hier hängen die vier riesigen Lüster. Einmal im Jahr lassen die Hausmeister von hier oben die Kronleuchter vorsichtig herunter, damit die Restauratorin säubern und entstauben kann.

Auf rund 7000 Quadratmeter beziffert Gerhard Weiler, der Vorstand der Schloss- und Gartenverwaltung in Würzburg und damit Leiter der Residenz, die museale Fläche, die der Besucher im Riesenschloss sieht. Was der normale Besucher nicht sieht: zwei weitere Drittel. Und den Betrieb hinter den Kulissen. „Wir wollen jeden Tag, an 360 Öffnungstagen im Jahr, ein Haus so optimal wie möglich präsentieren“, sagt Weiler.

Ausgerechnet im 300. Jahr der Grundsteinlegung, die im Mai mit einer Festwoche hätte gefeiert werden sollen, hat das Coronavirus den Betrieb eingeschränkt. „Das hat wehgetan“, sagt der Residenzleiter zum ausgefallenen Fest. Und freut sich umso mehr über die Besucher, die jetzt kommen trotz Hygienauflagen und ohne die beliebte Führung.
Im Sommer besuchen normalerweise 2000 Besucher täglich die Residenz, die Hälfte davon sind inzwischen Touristen aus dem Ausland. Derzeit, sagt Weile, seien es bis zu 1000 am Tag. Immerhin: „Mehr als wir dachten!“ Auf der Festung und in der Residenz „merken wir den deutschen Tourismus“, sagt Gerhard Weiler. Und vor allem die Würzburger und Urlauber aus der Region würden mal wieder kommen und die ehemalige Zweigresidenz der bayerischen Könige neu für sich entdecken.

Und den Hofgarten, in dem Gartenmeister Gerald Schreier und seine Mannschaft geschnittene Obstbäume, Hecken, Spalieren, Kübelpflanze und Laubengänge in Form halten und für Blütenpracht sorgen. Auch vom Wirken und Schaffen der Gärtner bekommt der Residenz-Tourist nur einen Teil mit. „Ach, wir sind keine Selbstdarsteller“, sagt Schreier nur. „Bei uns zählt der Garten.“


Blumenzwiebeln, Rasenmäher und sonstige Gerätschaften beherbergt das Gartenteam hinter den Kulissen übrigens in einem Bau, der fast so besonders und eigen ist wie der dunkle Dachboden des Schlosses: Im alten Stehhaus, einem der ältesten Teile der Residenz. So schlicht es aussehen mag mit seiner schrägen Glasfassade – es ist, sagt Schreier, „unser wertvollstes Gebäude“.
