Gibt es wirklich ein Superhuhn? Und lebt es in Kitzingen? Die Antwort lautet nein. Zumindest vorerst. Sehr zum Leidwesen von Klaus Damme, Leiter des Lehr-, Versuchs- und Fachzentrums für Geflügel- und Kleintierhaltung in Kitzingen.
310 Eier legt eine gute Legehenne im Jahr. Große Eier, wohlgemerkt. Und ein Hähnchen sollte es schon auf 2,5 Kilogramm Körpergewicht bringen, um dem Verbraucher genug Fleisch zu liefern. Das angebliche Superhuhn schafft beides nicht. Dennoch ist die Forschung an ihm wichtig. Es geht um Leben und Tod.
In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts hat die Spezialisierung beim Geflügel begonnen. Entweder eine gute Legehenne oder ein leckeres, gut gemästetes Hähnchen. Beides zugleich? Keine Chance.
Rudolf Preisinger möchte das ändern. Der Geschäftsführer der Lohmann Tierzucht in Cuxhaven hat eine neue Rasse gezüchtet. Lohmann Dual heißen die Hühner, die in der Geflügelzuchtanlage in Kitzingen leben. Sie sollen zwei Nutzen zusammenbringen: viele Eier legen und in einer wirtschaftlich vertretbaren Zeit genug Fleisch ansetzen.
Noch befindet sich das Projekt, das vom Staat gefördert wird, in der Probephase. Doch Dr. Klaus Damme ist zu sehr Realist, als dass er große Hoffnungen hegt. 310 Eier pro Jahr schafft die Neuzüchtung voraussichtlich nicht. Die Prognosen liegen bei 250 Stück, Klasse S, also Small.
Und als Brathähnchen sieht das so genannte Zweinutzungshuhn, dessen Zucht der „Spiegel“ als kleine Sensation in der Agrarwirtschaft bezeichnete, eher lang und knochig aus statt kompakt, wie es der Verbraucher gewohnt ist.
Vor zwei Jahren haben sich führende Köpfe des Verbraucherschutzes, Wissenschaftler sowie Vertreter von Verbänden und des Fachzentrums für Geflügelhaltung an einen Runden Tisch gesetzt. Ziel der Aussprache: Das Wohl der Nutztiere steigern. Klaus Damme leitete den Arbeitskreis Geflügel. Ein Ergebnis der Besprechungen: In Kitzingen wird der Versuch mit den Zweinutzungshühnern getestet – mindestens ein Jahr lang. Die Hoffnung lebt, dass sich an einem Zustand etwas ändert, der nicht nur Tierschützern den Magen umdreht: das Töten männlicher Küken direkt nach dem Schlüpfen.
Warum ist das in deutschen Brütereien ganz normal? Weil die männlichen Küken für den wirtschaftlichen Kreislauf wertlos sind. Sie sind Nachfahren einer Legerasse und setzen deshalb zu wenig Fleisch an, um als sättigende Broiler zu enden. Sie landen deshalb in einer Art Fleischwolf und dann im Abfall. Oder die Küken werden erstickt und dann an Reptilien verfüttert. Eine Praxis, gegen die das Land Nordrhein-Westfalen jetzt vorgeht. Ein Verbot soll innerhalb eines Jahres greifen. „Ein gewisser Handlungsdruck ist deshalb vorhanden“, sagt Dr. Damme.
Abfedern könnte ihn eine Arbeit der Uni Leipzig. Ziel: die Geschlechtserkennung der Küken schon im Ei. Männliche Tiere könnten dann vor dem Schlüpfen aussortiert werden. Die Crux an der Geschichte: Das Verfahren müsste so gut wie fehlerfrei arbeiten und die Brütereien wenig Geld kosten. Denn der Preisdruck auf dem Eier- und Geflügelmarkt ist auch so schon groß genug.
215 Eier verbraucht ein Deutscher durchschnittlich Jahr für Jahr. Dabei liegt der Selbstversorgungsgrad gerade mal bei 68 Prozent, in Bayern sogar nur bei 50 Prozent. „Wir bräuchten deutschlandweit 60 Millionen Legehennen, um uns mit dieser Menge an Eiern versorgen zu können“, erklärt der Leiter des Fachzentrums für Geflügel und Kleintierhaltung. Derzeit sind es 35 Millionen Legehennen.
Zahlen, die eines verdeutlichen: Ein Superhuhn wäre sehr willkommen. Es könnte Hunderte großer Eier legen, würde genug leckeres Fleisch ansetzen und fast nebenbei tausende Küken vor dem sicheren Tod bewahren. Doch mit dem Superhuhn ist es ein wenig wie mit Superman: Es ist ein Produkt der Fantasie.