Mama, das kenn ich! Das hast du daheim so oft geübt!“ Die helle Stimme von Robert, damals vier Jahre alt, klang mitten hinein in den Mozartschen Türkischen Marsch. Laut und deutlich. Den Eltern des Kleinen blieb für ein paar Sekunden vor Schreck das Herz stehen. Denn sie saßen nicht im Publikum, sondern vor dem Flügel auf dem Podium. Doch ihre Finger spielten weiter. Beide sind Profis, erledigen ihren Job. Und doch ist ihr Beruf so viel mehr.
Da ist diese schwingende, klingende, kribbelnde Leidenschaft. Da ist dieses Besondere, dieses Unersetzbare: die Liebe zur Musik. Sie gehört zum Alltag des Pianisten-Ehepaars und Klavierduos Michaela Schlotter und Rudolf Ramming und auch zum Leben ihrer Kinder Paula (10) und Robert (8). Für sie ist Musik hören und Musik machen so selbstverständlich wie das Pausenbrot und die Gute-Nacht-Geschichten.
Die Geschwister kommen gerade vom Spielplatz. Dort haben sie mit Freunden ein Picknick veranstaltet. Nun heißt es, Rollerblades und Fahrräder aufräumen, Schultasche, Fußball- und Ballettsachen für den nächsten Tag packen, Geige und Cello in den Instrumententaschen verstauen. Geübt haben sie schon, so wie jeden Tag.
Denn zum Tagesablauf von Paula, die gerade mit ihrer Geige den ersten Platz ihrer Altersklasse beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ gewonnen hat, und ihrem Bruder, der Schlagzeug und Cello spielt und große Affinität zum Klavier bekundet, gehört das Üben dazu, hat den gleichen Stellenwert wie Hausaufgaben oder Lernen für die Schule.
„Musik trägt durch das
ganze Leben, an guten
wie an schlimmen Tagen“
Die Kinder kennen das von Mama und Papa. „Üben ist bei uns Routine“, erzählt Vater Rudi. „Zwar nicht immer zum eigenen Genuss“, schränkt er ein. „Und in den Ferien ist Pause“, ergänzt Michaela Schlotter. Während der Schulzeit indes bedarf es einer präzisen Organisation. „Dafür können wir als Familie immer wieder gemeinsam spielen, und das ist einfach toll – ob unter dem Christbaum oder bei anderen Familienfesten!“
Dazu klinken sich Rudolf Rammings drei erwachsene Kinder aus erster Ehe gern ein. Auch ihnen haben die Eltern die Affinität zur Musik in die Wiege gelegt, auch sie sind eingefangen vom Sog, den Töne und Melodienfolgen erzeugen können. Die beiden jüngeren haben die Musik zu ihrem Hobby gemacht und beispielsweise beim letzten Con-Brio-Konzert unter Gert Feser mitgespielt, Kirsti mit ihrer Geige und Lukas, der Schlagzeug und Posaune spielt. Felix, der Älteste, ist Klavierbauer geworden.
Die Instrumente haben sich die Kinder ganz alleine ausgesucht. Robert das Schlagzeug, „weil es so schön laut war, als ich zum ersten Mal zugehört habe, und weil es so schön viele Trommeln hat“, sprudelt es aus ihm heraus. „Und weil wir beim Spielen alle zusammen sind.“ Damit meint er nicht nur die kleine Komposition „Energy one“, die Vater Rudi für Schlagzeug, Geige und Klavier kreiert hat und mit der die drei immer wieder mal auftreten. Und das Cello? „Es klingt so schön“, strahlt der junge Musikant. Seine Schwester liebt ihre Geige. „Auch wenn es manchmal schwer ist. Dann krieg ich einen Wutanfall. Und ich werde richtig zornig, wenn ein Lagenwechsel nicht funktioniert“, sagt Paula. Aber es ist kein schlimmer Zorn, keiner, der lange anhält. Auch wenn die Lehrerin ganz offensichtlich mal wieder den allerschwersten Fingersatz ausgesucht hat . . .
„Ich kenne keine Zeit in meinem Leben ohne Musik“, erzählt Michaela Schlotter. In ihrem Elternhaus gab es einen Vater mit großer Liebe zur Klassik, eine Klavier spielende Tante und regelmäßiges gemeinsames Singen in der Familie – besonders ausgiebig bei Autofahrten. Während der Klavierstunde der größeren Schwester lauschte sie als kleines Mädchen an der Tür, setzte sich anschließend sofort an das Instrument und spielte das eben Gehörte mit Eifer nach. Im Vorschulalter waren Chorsingen, Blockflöte spielen und Ballett ihre Lieblingsbeschäftigungen. Bevor das Kind überhaupt wusste, was das eigentlich ist, war da der starke Wunsch, Musikerin zu werden. Ihr erstes Geld verdiente sie dann auch als Kinderchormädchen in der Oper „Tosca“ am Würzburger Stadttheater. „Erst nach der Gymnasialzeit, in der es auf das Studium zuging, wurde mir bewusst, dass ich nie über Berufsalternativen nachgedacht habe.“
Im Rückblick ist ihr eines vollkommen klar: „Musik trägt durch das gesamte Leben, an guten wie an schlimmen Tagen.“ Den Tod ihrer Eltern zu einem Zeitpunkt, als sie noch Schülerin war, hätte sie nie so unbeschadet überstanden, wenn da nicht die Musik gewesen wäre.
Ehemann Rudolf Ramming wuchs mit „Lieder aus der Küche“ aus der Schallplattensammlung seiner Eltern auf. Dazu gehörten auch deutsche Schlager von Freddy Quinn und Hans Albers und jede Menge Arien. „Besonders spannend waren für mich als Kind die Postkarten mit eingebauten Pappschallplatten, die mir meine Mutter von ihren Reisen schickte“, erinnert er sich schmunzelnd.
Als er sechs war, kauften ihm die Eltern ein Tischharmonium, später ein Klavier. In Erinnerung sind ihm Konzertbesuche mit der Mutter, „obwohl das manchmal sehr lang gedauert hat“, und Filme mit den Sopranistinnen Lisa della Casa und Elisabeth Schwarzkopf. „Üben hat mir Spaß gemacht“, sagt er heute. Mit Wellensittich Toni auf der Schulter saß der kleine Rudi oft zwei Stunden am Tag am Klavier, schon vor dem Frühstück und gern auch nach dem Mittagessen. „Da musste ich den Tisch nicht abräumen“, erzählt er augenzwinkernd.
Doch dann kam die Pubertät, und der Knabe verpulverte das Geld für den Klavierunterricht heimlich in Schafkopfspielrunden. Bis ihm die Mutter die Klaviernoten für „Rhapsodie in Blue“ schenkte. Damit waren Zukunft und Beruf programmiert, das Virus hatte ihn wieder besetzt. Musik tut Herz und Gemüt gut, streichelt die Seele und entspannt – davon ist die Familie überzeugt. „Aber zum Nulltarif ist das nicht zu haben.“
Auch kleinste Erdenbürger spüren schon die Schwingungen, die von der Musik ausgehen. Rudolf Ramming hat deshalb eine Kinder-CD-Reihe „MiK – Musik im Kinderzimmer“ kreiert, deren erste Platte Ungeborene anspricht und dann nach Alter gestaffelt Kinder musikalisch beim Erwachsenwerden begleitet.