Die millionenteuren Luxusbauten von Limburg haben den Blick auf die Finanzen der katholischen Kirche gelenkt. Unter dem Druck der Öffentlichkeit haben etliche der 27 deutschen Bistümer Einblick in ihre Vermögenswerte gewährt. Auch die Diözese Würzburg hat am Freitag vergangener Woche erstmals unter anderem bekannt gegeben, dass das Finanzanlagevermögen des Bischöflichen Stuhls zu Würzburg 271 Millionen Euro beträgt. Ist das schon Transparenz? Wir sprachen mit Albrecht Siedler, dem Bischöflichen Finanzdirektor.
Albrecht Siedler: Man muss da unterscheiden. Die Diözese ist nur eine von sehr vielen Rechtsträgern im Bistum. Und es ist allgemein bei vergleichbaren öffentlichen Einrichtungen üblich, dass die Haushalte vorgestellt werden – wie das für den Haushalt der Diözese Würzburg zu Beginn des Jahres erfolgt – die dahinterstehenden Vermögen aber in der Regel nicht. Zum einen, weil das die Kameralistik gar nicht hergibt. . .
Siedler: So ist es. Zum anderen aber entziehen sich auch viele Vermögenswerte schlicht einer Bewertung.
Siedler: Der Bischöfliche Stuhl ist eine Körperschaft, die nicht der Rechnungslegungspflicht unterliegt. Die Vorgänge von Limburg haben dazu beigetragen, das Thema Kirchenfinanzen transparenter darzustellen. Vielleicht ist das auch gut so. Sie werden es aber auch bei uns künftig erleben, dass wir nicht alle Fragen beantworten. Alle Vorgänge in der Presse zu diskutieren, das macht keinen Sinn – und dem werden wir uns auch nicht anschließen.
Siedler: Wohlverstandene Transparenz sehr wohl. Übertriebene Transparenz über jedes kirchliche Handeln halte ich für überzogen. Wenn jetzt diskutiert wird, ob ein Bischof eine Badewanne haben darf oder ob es eine Dusche auch tut, dann weiß ich nicht, ob das nicht übertrieben ist beziehungsweise zu einer höheren Transparenz beiträgt.
Siedler: Nur weil sich etwas einer ökonomischen Bewertung entzieht, ist es doch nicht intransparent. Wir haben in unserer heutigen Zeit eine Verökonomisierung aller Lebensbereiche, die meines Erachtens wirklich nicht gerechtfertigt ist.
Siedler: Grundsätzlich lassen sich die Bischöflichen Stühle nicht miteinander vergleichen. Man muss immer sehen, was bei dieser Zahl von 271 Millionen Euro auch an Verpflichtungen dahinter steht. Das ist ja kein willkürlich verwendbares Vermögen . . .
Siedler: Richtig.
Siedler: Das sind jährliche Einnahmen von rund 10,6 Millionen Euro, eine Million davon resultiert aus Sondereffekten. Das heißt, wir sprechen über etwa 9,6 Millionen Euro. Davon fließen fünf Millionen in die Pensionskasse der Priester der Diözese. Und die hat im letzten Jahr 8,1 Millionen Euro an Ruhestandsbezügen an 193 Priester ausgezahlt.
Siedler: Das ist aber falsch. Die absolute Zahl ist im Hinblick auf langfristige Ausgaben und Verpflichtungen zu sehen. Jedes Bistum hat zudem eine andere Rechtsträgerstruktur – daher sind die Bistümer auch nicht vergleichbar. Das Bistum Würzburg deckt nur die Zukunftslasten vernünftig ab. Sehen Sie sich den Staat an: Der hat für künftige Pensionslasten keine Vorsorge betrieben – die Diözese Würzburg hingegen schon.
Siedler: Nein.
Siedler: Es geht darum, wie viele Mittel im Jahr zu Verfügung stehen. Und beim Kirchenlohnsteueraufkommen pro Katholik liegt Würzburg in den alten Bundesländern mit 156 Euro im Jahr an vorletzter Stelle. Andere Diözesen liegen bei etwa 250 Euro. Und selbst wenn man nur den Durchschnitt einer Diözese aus dem Mittelfeld mit einem Kirchenlohnsteueraufkommen pro Katholik von 187 Euro nennt, dann wären das bei unseren 790 000 Katholiken rund 24 Millionen Euro mehr. Wenn ich die hätte, dann könnte ich auch problemlos die Ruhestandsbezüge der Priester aus dem Haushalt zahlen.
Siedler: Da ist im Prinzip das gesamte Anlagespektrum enthalten, das der Kapitalmarkt bietet. Also festverzinsliche Wertpapiere, Aktien oder Investmentfonds. Und auch die Anteile am Immobilienfonds der Aachener Grundvermögen KAG sind da mit enthalten.
Siedler: So ist es. Der Fonds ist eine große Gesamtheit – daran haben wir einen Anteil.
Siedler: Das hängt von der Sichtweise ab. Vom reinen Substanzwert her gesehen, ist es in der Tat ein großes Immobilienvermögen. Vom Ertragswert her gesehen jedoch nicht.
Siedler: Ja, der Ertragswert ist null. Wir haben zudem hohe Kosten für die Instandhaltung. Entscheidend aber ist doch, dass die wesentlichen Teile des Immobilienvermögens für soziale, pastorale, schulische, kulturelle und sonstige Zwecke verwendet werden. Sie haben keinen ökonomischen Wert, sie haben nur einen ideellen Wert. Und genau deshalb bewerten wir sie auch nicht.
Siedler: Nein, die gibt es nicht. Die meisten Immobilien entziehen sich schlicht einer ökonomischen Bewertung, auch weil sie vielfach noch nicht einmal zu veräußern wären.
Siedler: Nein, auch das hat keinen ökonomischen Wert.
Siedler: Ich bitte Sie. Wer kauft das – und zu welchem Wert? Abgesehen davon: Wir wollen es ja auch nicht verkaufen. Himmelspforten ist für die Menschen da. Und solange es seine Zwecke erfüllt, wird es nicht verkauft. Und hat daher nur einen ideellen Wert.
Siedler: Sollten in Bamberg die Verhältnisse genau so sein wie bei uns, dann würde ich den Wert der Immobilien in Bamberg auch mit Null bewerten. Wobei ich natürlich nicht weiß, welche Grundstücke enthalten sind. Ich kann nur über die Würzburger Verhältnisse sprechen – man kann auch die Bistümer in diesem Punkt nicht vergleichen.
Siedler: Ja, ich verstehe es – wenn man die Kirche als hierarchisch aufgebauten Konzern versteht. Was sie aber nicht ist. Wir haben im Bistum an die 2000 eigenständigen Rechtsträger und eine weit über 1000 Jahre alte Geschichte. Das muss man einfach mit berücksichtigen.
Siedler: Bei den Rechtsträgern hat jeder seine Aufgabe, seine Struktur. Glauben Sie, dass eine Kirchenstiftung zur benachbarten Kirchenstiftung gehen und sagen könnte: „Wir brauchen für die Renovierung Geld. Ihr habt doch was. Gebt uns was ab.“ Glauben Sie, das funktioniert? Oder nehmen wir einen Caritasverein. Der benötigt für ein Defizit im Kindergartenbereich einen Defizitausgleich und geht zu seiner Kirchenstiftung. Die sagen: „Wir würden helfen, aber können es nicht. Wir müssen unsere eigenen Angelegenheiten schultern.“ Weil wir kein Konzern und kein Wirtschaftsunternehmen sind, müssen alle unsere Einheiten so aufgestellt sein, dass sie allein überlebensfähig sind. Und es verbietet sich mangels rechtlicher und tatsächlicher Zugriffsmöglichkeiten, die Dinge miteinander zu vermischen.
Siedler: Das geht nicht.
Siedler: Nein. Wir haben unter den etwa 2000 Rechtsträgern in der Diözese rund 900 eigenständige und oft über 1000 Jahre alte Kirchenstiftungen, die Eigentümer von Kirchengebäuden sind und in manchen Fällen Stiftungskapital erhalten haben. Damit sollte früher der Unterhalt des Pfarrers sichergestellt werden. Deswegen gab es Pfründestiftungen, die der vermögensrechtliche Anhang zum Pfarramt sind. Davon musste der Pfarrer früher leben. Es gab gut ausgestattete Pfründe im Ochsenfurter Gau und weniger gute Pfründe in der Rhön. Der eine Pfarrer konnte also gut leben, der andere war ein armer Hund. Um das auszugleichen, werden seit den sechziger Jahren die Pfarrer über die Diözese besoldet und alle Erträge der Pfarrpfründestiftung, die es nach wie vor gibt, werden der Diözese als Teilfinanzierung der Priestergehälter zur Verfügung gestellt.
Siedler: Richtig.
Siedler: So groß wie das des Bischöflichen Stuhls: Nämlich nach Abzug aller Verpflichtungen Null.
Siedler: Wir müssen noch mal auf die 271 Millionen Euro eingehen. Diese Zahl steht im Raum, als gäbe es eine freie verfügbare Vermögensmasse von 271 Millionen Euro. Das ist eine große Summe, wenn man es als absolute Zahl sieht. Wenn man die dagegenstehenden Verpflichtungen sieht, sieht das anders aus. Wir haben die Ruhestandsversorgung der Priester. Auch wenn wir keine exakte Rückstellungsberechnung vorlegen können – weil wir sie nicht haben, weil wir sie nicht brauchen – kann man ja rechnen: Die Pensionskasse bekommt eine Million Euro Zuschuss aus dem Diözesanhaushalt und fünf Millionen Euro aus dem Bischöflichen Stuhl. Um hierfür eine dauerhafte reale Kapitaldeckung vorzuhalten, benötigen wir bei einer Rendite von 3,5 Prozent und einem Inflationsausgleich von 1 Prozent einen Bedarf von 240 Millionen Euro, um diese Ruhestandsversorgung zu finanzieren. Wenn wir zu diesem Deckungskapital die 60 bis 80 Millionen Rücklagen für Gebäudeerhalt dazuzählen, dann bin ich bei einem verfügbaren Vermögen von Null. Und letztlich ist das beim Vermögen des Priesterseminars das Gleiche. Auch das Priesterseminar ist nach Abzug dessen, was es zu leisten hat, bei Null.
Siedler: Das Priesterseminar hat bestimmt keine 270 Millionen Euro.
Siedler: Vermutlich.
- Informationen des Bistums Würzburg zum Haushalt der Diözese und zum Bischöflichen Stuhl
Siedler: Wo soll ich die Summe jetzt hernehmen? Ich weiß sie aktuell nicht, ich könnte sie erfragen, was ich nicht tun werde, weil es unter den genannten Gesichtspunkten keinen Sinn macht.
Sie sagen also: In dem Moment, wo ich etwas einem guten Zweck zuführe, braucht es keine Kontrolle, braucht es keine Transparenz, braucht es keine genauen Zahlen. Dieser Argumentation
können wir nur schwer folgen.
Siedler: So haben wir das nicht gesagt. Gehen Sie doch mal zur größten deutschen Stiftung und fragen Sie nach dem Gesamtvermögen. Die sagen Ihnen das auch nicht.
Siedler: Nur wenn man dann alle anderen Aufgaben, die im diözesanen Haushalt ihren Niederschlag finden, beiseitelässt, was nicht realistisch ist. Daher erhält die Emeritenanstalt seit dem Jahr 2000 ihre überwiegenden Mittel mit rund fünf Millionen Euro aus dem Bischöflichen Stuhl.
Siedler: Die Kirche braucht ein Vermögen, um ihre vielfältigen Aufgaben für die Menschen leisten zu können.
Siedler: Wir brauchen einen finanziellen Rückhalt, um unerwartete Verpflichtungen oder Entwicklungen abzudecken. Ein Beispiel: Anders als von uns erwartet, muss die Diözese Würzburg in einem diözesanübergreifenden Finanzausgleichsverfahren für die Jahre 2009 bis 2012 insgesamt 10,5 Millionen Euro zurückzahlen und bekommt gleichzeitig erwartete fünf Millionen Euro nicht. Das sind 15 Millionen, die man auffangen muss. Also braucht es Reservepolster, um solche Schwankungen auszugleichen. Wir müssen doch so handeln, dass wir nachfolgenden Generationen ebenfalls ein breit gestreutes kirchliches Handeln ermöglichen.
Siedler: Nun, gerade mit den Erträgen dieses Vermögens unterstützen wir auch soziale Aktivitäten. Aber selbst wenn wir alles veräußern könnten – was passiert dann? Wenn wir das Geld nach Afrika geben oder meinetwegen Hartz-IV-Empfängern: Was dann?
Siedler: Die werden dank Ihrer Berichterstattung auch weniger.
Siedler: Tatsächlich geht die Zahl der Katholiken zurück und damit die Zahl der Kirchensteuerzahler. Weil die Geburtenrate unter den Katholiken noch geringer ist als die Geburtenrate insgesamt, wird die Zahl der Katholiken auch in Zukunft zurückgehen. Das heißt: Weniger Katholiken sollen dann steigende Versorgungslasten schultern. Gäben wir unser Vermögen weg, profitierten die Armen hier und heute. Das stimmt, aber der Effekt wäre in wenigen Jahren verpufft. Und unsere nachfolgende Generation muss für die vielfältigen Verpflichtungen aufkommen, was sie dann nicht mehr kann. Nachhaltig wäre das nicht.
Siedler: Es ist ja nicht so, dass ich sage: Kirche muss reich sein. Es ist so, dass ich sage: Die Kirche ist ja gerade nicht reich. Die Diözese Würzburg handelt im Sinne einer für die zukünftigen Generationen auch gerechtfertigten Vorsorgebildung und betreibt für die heutigen Generationen eine angemessene und planbare Ausgabenpolitik. Man könnte auch einfacher sagen: Die Kuh, die ich melke, darf ich nicht schlachten.
Der Bischöfliche Stuhl
Der Begriff bezeichnet das Amt des Bischofs mit seiner Verwaltung sowie den Bischof als Rechtssubjekt. Nimmt zum Beispiel der Papst das Rücktrittsgesuch eines Bischofs an, ist die Diözese also ohne „regierenden“ Bischof, so ist der Bischöfliche Stuhl unbesetzt oder vakant. Zugleich ist der Bischöfliche Stuhl auch Rechtssubjekt, Vermögensträger und eine eigene Körperschaft des öffentlichen Rechts. So kann der Bischöfliche Stuhl über eigene Vermögenswerte verfügen und diese verwalten. Der Bischof ist darüber nicht rechenschaftspflichtig. Quelle: katholisch.de