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Ringen
Die große Show des kleinen Ringers
Ratzfatz auf die Schultern: Nico Klüglein aus Unterdürrbach (oben) machte bei den bayerischen B-Jugend-Meisterschaften im griechisch-römischen Stil in eigener Halle meist kurzen Prozess mit seinen Gegnern.
Foto: HDVIDEOTEAM | Ratzfatz auf die Schultern: Nico Klüglein aus Unterdürrbach (oben) machte bei den bayerischen B-Jugend-Meisterschaften im griechisch-römischen Stil in eigener Halle meist kurzen Prozess mit seinen Gegnern.
Von unserem Redaktionsmitglied Hans-Peter Breunig
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:45 Uhr

Freitag, 10. Februar: Es ist der Abend vor der Revanche. Nico Klüglein schaut ein bisschen skeptisch auf die Waage. „Zu viel Gewicht“, entscheidet er – und geht mit den Kumpels eine Runde joggen. 300 Gramm rennt er sich vom durchtrainierten Leib. Sicher ist schließlich sicher. Denn für den nächsten Tag hat der zwölfjährige Schüler der Würzburger Pestalozzi-Schule geplant, seinen ersten Titel in der B-Jugend zu erkämpfen. Und zwar zuhause. Nico Klüglein ist Ringer des TV Unterdürrbach, schon zweifacher Bayern-Meister der C-Schüler – und Anfang Februar in Geiselhöring B-Jugend-Zweiter im freien Stil in der Gewichtsklasse bis 38 Kilogramm geworden. Dort hat ihn „der Bauer aus Anger“ auf die Schultern und damit auf den Silberrang gelegt. Das nervt. Heute noch.

Samstag, 11. Februar, 8.15 Uhr: Nach einer „nicht so tollen Nacht, ich war nervös“ betritt Nico die schmucke Dreifachsporthalle in Unterdürrbach. Er wohnt lediglich ein paar Häuser weiter, muss deshalb erst kurz vor acht raus den Federn. Frühstück entfällt: das Gewicht . . .

8.20 Uhr: Beim offiziellen Wiegen steht fest, das Joggen hat geholfen, Frühstück wäre sogar drin gewesen. 37 Kilo, 700 Gramm, alles passt. Und Andreas Bauer vom AC Anger ist auch da. Sie können also losgehen, die griechisch-römisch-Titelkämpfe. Auch wenn diese Stilart nicht gerade die Lieblingsdisziplin von Nico ist, bleibt er cool, denn: „Ich kann das auch.“

Ehe Nico Klüglein, der beim Würzburger FV auch Fußball spielt und es bei den Kickern bis zum Stützpunkttraining der DFB-Regionalauswahl geschafft hat, beweisen kann, dass er es auch „Greco“ (griechisch-römisch) bringt, wird's erst einmal offiziell. 68 Ringer aus bayerischen Vereinen marschieren im Gleichschritt unter den Klängen des bayerischen Defiliermarsches in die nett hergerichtete Halle, in der Manfred Werner, Präsident des Deutschen Ringerbundes und des bayerischen Verbandes, den Kampftag für Männer und B-Jugend für eröffnet erklärt.

68 Ringer? Ein bisschen wenig für Landes-Titelkämpfe. „60 aktive Männer waren gemeldet, 34 sind nur gekommen. Na ja, das Wetter und Verletzungen“ – Michael Karg, Jugendrainer der Unterdürrbacher und Coach von Nico Klüglein, sieht's weniger dramatisch, denn „bei der B-Jugend sind fast alle da“.

Natürlich auch „der Bauer aus Anger“, der in der Gewichtsklasse bis 38 Kilo (immerhin elf Teilnehmer) im anderen Pool als Nico Klüglein gelost ist. Zwei weitere TVU-B-Jugendliche (Markus Bedel, er wird am Ende Fünfter von neun Ringern, und Dominik Fleischmann, Fünfter von acht) treten zudem in den Gewichtsklassen bis 46 und 54 Kilo an. Sieben erwachsene Aktive des Ausrichters TV Unterdürrbach demonstrieren Heimstärke. Immerhin gewinnen sie am Ende die Teamwertung, immerhin werden Steffen Haase (– 55kg; bei allerdings nur zwei Teilnehmern) und Julian Hemmerich (– 96 kg, vier Athleten) bayerische Vizemeister, während die anderen TVU–Greco-Spezialisten auch ganz ordentlich abschneiden.

„Ich war vorher schon ein wenig unsicher. Weil es halt hier zuhause ist, weil ich hier alle kenne und die mich. Da will man schon was zeigen.“

Nico Klüglein, Ringer-Talent des TV Unterdürrbach

Aber zuerst demonstriert Nico Klüglein, dass er wirklich griechisch-römisch ringen kann. Griffe sind in dieser Stilart nur oberhalb der Gürtellinie erlaubt. Die zeigt er zwanzig Sekunden lang, dann knallt sein erster Kontrahent aus Weißenburg auf beide Schultern. „Ich war vorher schon ein wenig unsicher“, erzählt Nico danach, „weil es halt hier zuhause ist, weil ich hier alle kenne und die mich. Da will man schon was zeigen“.

Draußen sitzen Mama Stefanie und Vater Reiner – beide im Trainingsanzug des Ringervereins. Als Helfer sind sie eingeteilt, aber eigentlich sind sie Fans ihres Sohnes. Sie müssen heute schnell schauen, denn der zweite Auftritt ihres Filius' dauert gerade mal zehn Sekunden. Dann liegt Konkurrent Numero zwei aus Untergriesbach auf dem Rücken. „Natürlich sind wir mächtig stolz auf ihn“, sagt Mutter Stefanie, die selbst aktiv beim TSV Grombühl Fußball spielt und nach eigenem Bekunden ebenso wenig Ahnung von Ringen hat wie Papa Reiner, der sonst als Fußball-Schiedsrichter agiert. Eine Fachkraft in Sachen Ringen aber gibt es in der Familie. Richtig Ahnung vom Ringen und auch vom Fußball hat Schwesterchen Larissa. Acht Jahre jung, ganz erfolgreiche Ringerin schon bei diversen Nachwuchsturnieren. Zudem beim TSV Grombühl Fußballerin – und ab und an Sparringspartnerin zuhause für Nico: „Der ist aber stärker als ich“, erklärt sie ernst. Das wird – gezwungenermaßen – auch Gegner Numero drei sagen, der sich knapp 25 Sekunden lang wehrt, ehe er von Nico auf der Matte zurechtgelegt ist.

Zwei Siege trennen Nico Klüglein jetzt noch von Andreas Bauer, der in seinem Pool natürlich auch alles wegfegt – er ist ja schließlich auch ein Jahr älter und eigentlich der erklärte Favorit.

Unterdessen sorgen 40 freiwillige Helfer des TV Unterdürrbach, dessen Hauptverein heuer sein 150-jähriges Bestehen feiert, für reibungslosen Ablauf und laute Anfeuerungsrufe für die Unterdürrbacher Mitstreiter, die sich durchaus achtbar aus der Affäre ziehen. Allerdings sind bei diesen Bayern-Meisterschaften, die auch der Qualifikation zur „Deutschen“ dienen, diesmal kaum Bundesliga-Ringer dabei.

Beim vierten Auftritt von Nico Klüglein stehen fast alle Sportler aus dem Würzburger Stadtteil am Mattenrand – auch die Aktiven, bei denen das Ringertalent häufig mittrainiert. Weil er Fußball ebenso liebt wie Ringen, dienstags und donnerstags aber jeweils der WFV und der TVU Trainingseinheiten angesetzt haben, muss der Zwölfjährige abends zu den „Großen“. „Es ist eigentlich ganz gut, dass ich öfter gegen schwerere Konkurrenten antreten muss“, erklärt das 38-Kilo-Paket fachmännisch, „dann habe ich mehr Kraft“. Gegen seinen letzten Pool-Gegner aus Augsburg muss er sich schon ein bisschen mehr anstrengen, wenngleich der technisch überlegene Punktsieg rasch feststeht: Gefühlte 45 Sekunden pro Runde dürften es gewesen sein, dann ist das Halbfinale erreicht.

DRB-Präsident Manfred Werner, Veitshöchheimer und zudem Gründer der Ringerabteilung des TV Unterdürrbach, hat den jungen Nico schon im Visier: „Das ist ein wirkliches Talent, das es weit bringen kann. Allerdings spielt der Bursche auch toll Fußball – er wird sich in ein, zwei Jahren entscheiden müssen, welche Sportart er favorisiert. Ich hoffe, es ist Ringen.“ Nico Klüglein will sich noch nicht festlegen: „So lange es geht, ist das so in Ordnung. Schließlich macht beides Spaß.“

Weniger Spaß hat im Halbfinale der Lichtenfelser Tobias Hopf, der den Weg zu dem „Bauer aus Anger“ nicht versperren kann. Ebenfalls vorzeitig ist Nicos technisch überlegener Punktsieg unter Dach und Fach.

Weil Andreas Bauer seine Aufgaben beinahe ebenso dominant erledigt, ist also die Zeit für die Revanche wirklich gekommen.

Nun ist es Samstag, 11. Februar, 15 Uhr: Nico Klüglein zeigt nicht die Spur von Nervosität, auch wenn er weiß, dass nicht nur seine Familie hinter ihm steht, sondern fast die ganze Halle hofft, dass er den einzigen Titel für Unterdürrbach holt. Manchen Sportler bremst der Druck – Nico nicht. Andreas Bauer ist bärenstark – Nico Klüglein stärker. 12:10 und 13:5 gewinnt der Würzburger in einem packenden und fast ausgeglichenen Fight die beiden entscheidenden Runden. Geschafft. Er ist bayerischer Meister und darf bei der Siegerehrung ganz oben stehen.

Andreas Bauer fehlt bei der Medaillenvergabe. Vermutlich sinnt der jetzt auf Revanche – bei der deutschen Meisterschaft, die als nächstes folgt. Wenn's in den Zeitplan von Nico Klüglein passt. Er ist ja auch noch erfolgreicher Fußballer . . .

Bayerische Ringermeisterschaften in Unterdürrbach

Ergebnisse in Auszügen, Männer, – 55 kg (2 Teilnehmer): 1. Jakob Gerschmann (SC 04 Nürnberg), 2. Steffen Haase (TV Unterdürrbach). – 60 kg (1): 1. Walerie Loresch (AC Regensburg). – 66 kg (4): 1. Gamsat Ucumiev (RSV Schonungen), 4. Daniel Busch (TV Unterdürrbach). – 74 kg (11): 1. Sven Dürmeier (SV Johannis Nürnberg), 4. Manuel Schlereth (TV Unterdürrbach). – 84 kg (7): 1. Sebastian Krieger (SC Oberölsbach), 6. Silvio Bauer (TV Unterdürrbach). – 96 kg (4): 1. Philipp Vanek (SV Johannis Nürnberg), 2. Julian Hemmerich (TV Unterdürrbach). – 120 kg (5): 1. Tobias Nendel (SC Oberölsbach), 4. Kevin Deener (TV Unterdürrbach).

B-Jugend, – 34 kg (2): 1. Casyen Irmle (AC Lichtenfels). – 38 kg (11): 1. Nico Klüglein (TV Unterdürrbach). – 42 kg (9): 1. Nico Sausenthaler (TSG Augsburg). – 46 kg (9): 1. Simon Will (TSV 1860 Weißenburg), 5. Markus Bedel (TV Unterdürrbach). – 50 kg (6): 1. Leon Raps (AC Lichtenfels). – 54 kg (8): 1. Patrick Midjukov (ASV Hof), 5. Dominik Fleischmann (TV Unterdürrbach). – 58 kg (5): 1. Maik Fuchs (TV Erlangen). – 63 kg (3): 1. Achim Thumshirn (ASV Neumarkt). – 69 kg (6): 1. Julius Mangold (TSV Westendorf). – 74 kg (2): 1. Oliver Lausberg (SC Unterföhring).

Strahlendes TVU-Trio: Die Trainer Uwe Werner (links) und Michael Karg (rechts) mit ihrem erfolgreichen Schützling Nico Klüglein.
Foto: Stefan Bedel | Strahlendes TVU-Trio: Die Trainer Uwe Werner (links) und Michael Karg (rechts) mit ihrem erfolgreichen Schützling Nico Klüglein.
 
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