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Die dunkle Seite des Thomas D
„Aufstieg und Fall des Tommy Blank“ heißt die neue Soloplatte von Thomas Dürr, den man seit fast einem Vierteljahrhundert kennt als Thomas D von den Fantastischen Vier. Nun jedoch zeigt Dürr, der am 30.
Das Interview führte Steffen Rüth
 |  aktualisiert: 16.12.2020 12:34 Uhr

Frage: Thomas, du rappst auf dem neuen Album überwiegend aus der Perspektive eines gewissen Tommy Blank. Wieso hast du diese fiktive Figur erschaffen? Ist Tommy Blank dein Alter Ego?

Thomas D: Fiktive Figur? Alter Ego? Unverschämtheit! Schweinerei! (lacht) Tommy Blank ist real, die Presse kann nur wieder nicht richtig recherchieren.

Also gut, ihr habt zusammen diese Platte aufgenommen, und jetzt ist er weg. Wo ist er denn hin?

Thomas D: Man weiß es nicht. Sein Wohnmobil wurde gefunden, aber keine Leiche. Ich glaube, er hat sich eine neue Hülle übergestreift und irgendwo ein neues Leben angefangen.

Was fasziniert dich an dem Charakter Tommy Blank?

Thomas D: Der ist so schräg und so extrem und so ehrlich wie ich es niemals sein könnte. Auch ich habe solche Momente, in denen ich denke „Ihr könnt mich alle“, doch Blank lebt permanent nach dieser Devise. Er ist unglaublich direkt, verletzend, immer am nachbohren, sich nie zufrieden gebend. Man kennt dieses Verhalten von Wahnsinnigen, denen man lange zuhört, bis man sie irgendwann anschreit: „Ist ja gut. Du bist Gott. Aber jetzt halt endlich mal die Klappe.“

Wärst du selbst gern mehr wie Tommy?

Thomas D: So ein kompromissloser Rebell? Ein bisschen was von ihm steckt in mir, aber insgesamt bin ich viel zu lieb und zu liebesbedürftig. Ich möchte gemocht, ja, ich will geliebt werden. Immer wie Tommy Blank zu sein, das wäre mir auf Dauer zu anstrengend.

Bei manchen Textzeilen, etwa „Ich fick euch, ihr Wichser“ oder „Bepisst euch, ihr Stricher“ zuckt man ein wenig zusammen.

Thomas D: Soll man auch. Letzten Endes sage ich in „Hurensöhne“, dem Song, aus dem du zitierst, eben auch: „Ich bin der größte Hurensohn auf dem Planeten“. Soll heißen: Du kannst nicht mit dem Finger auf andere zeigen, ohne auf dich selbst zu zeigen.

Welche Idee steckt überhaupt hinter dem Kniff mit Blank?

Thomas D: Ich habe jetzt auch schon ein paar Platten gemacht und viele Facetten abgedeckt. „Irgendwann denkst du „Musik machen schön und gut, aber über was soll ich bloß schreiben?“ Inhalte zu finden, ist für mich immer das Allerschwerste. Ich habe Liebeslieder geschrieben, Wutsongs, alles Erdenkliche abgedeckt . . . und dann kommt so ein Tommy Blank um die Ecke, hebt den Mittelfinger und sagt „Fuck you all“. Das war etwas Neues, und ich hatte keine Mühe, für diese Songs Inhalte zu finden.

Wie kamen die zahlreichen Gäste, darunter Herbert Grönemeyer, Maxim und Moses Pelham, ins Spiel?

Thomas D: Ich habe auf dieser Platte meine bisher härtesten Raps ausgepackt, die schärfsten Kanten. Mir persönlich gefällt es sehr gut, wenn dann etwas Harmonisches, Gesungenes dazu kommt. Wenn sich Arschtritte und Umarmungen abwechseln. Ich wollte nicht nur ein Brett, nicht nur auf die Fresse geben, sondern auch immer wieder richtig schöne Momente. Die Gäste haben alle sehr gern mitgemacht.

Du sprichst in den neuen Texten häufig über den Tod und das Sterben. Fällt dir das mit dem Stilmittel „Tommy Blank“ leichter?

Thomas D: Ich habe vor neun Jahren den Tsunami in Thailand überlegt, mein Bruder ist vor einigen Jahren plötzlich bei einem Unfall gestorben, auch meinen Vater habe ich verloren. Wir alle leben in dem Wissen, dass wir sterben werden. Aber wir verbringen viel Energie damit, den Gedanken an unsere Sterblichkeit zu verdrängen.

Weißt du eigentlich schon, was eines fernen Tages auf deinem Grabstein stehen soll?

Thomas D: „Er war okay.“

 
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