
„Die Mülltrennung funktioniert in Deutschland so gut“, schwärmt Aurélien Becquet. Dinge, die für uns ganz selbstverständlich sind, können für Menschen aus anderen Ländern ganz und gar ungewohnt sein. Ein Jahr in Würzburg liegt nun hinter Aurélien Becquet, der im September 2013 im Rahmen des Europäischen Freiwilligendienstes aus dem nordfranzösischen Département Calvados nach Unterfranken gekommen ist. Seit 1998 nehmen der Bezirk Unterfranken und der Generalrat des Calvados am Programm Europäischer Freiwilligendienst (EFD) teil. Jedes Jahr schickt das Partnerschaftsreferat des Bezirk Unterfranken eine junge Deutsche oder einen jungen Deutschen nach Frankreich und nimmt im Gegenzug eine junge Französin oder einen jungen Franzosen auf.
Neben zahlreichen Kulturveranstaltungen, an denen Becquet im Rahmen seines Freiwilligendienstes teilnahm, besuchte er zwischen Januar und April 22 Gymnasien und Realschulen in Unterfranken, um den Schülern einen Einblick in die Sprache zu gewähren. Dort konnte er die Theorie in die Praxis umsetzen: Beim Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW) hat Becquet zuvor eine Ausbildung zum Sprachanimateur absolviert, um Kindern spielerisch eine Fremdsprache zu vermitteln. „Viele Kinder wissen gar nicht, dass sie schon ein bisschen Französisch können“, schmunzelt Becquet. Dabei stammen Wörter wie Garage, Redakteur und Portemonnaie eindeutig aus unserem Nachbarland.
„In einer Schule haben sich die Anmeldungen für Französisch als Zweitsprache verdreifacht, nachdem ich dort war“, erzählt der 24-jährige mit Stolz. Er könnte sich auch vorstellen, in diesem Bereich zu bleiben: „Als bilingualer Wissenschafts-Animateur zu arbeiten, fände ich toll.“ Becquet hat drei Jahre lang Biologie studiert und Rahmen dieses Studiums zuvor bereits zwei Semester an der Partner-Uni in Würzburg verbracht.
In zwei Wochen wird Aurélien Becquet seine Arbeit als Sprach- und Kulturmittler beim Bezirk Unterfranken beenden. Bevor er zurück in seine Heimatstadt Caen geht, will er noch eine Weile durch Deutschland reisen und einige Freunde besuchen. Wie es danach weitergeht, weiß der 24-jährige noch nicht genau: „Ich nehme jetzt erst Mal einen Minijob an, vielleicht beginne ich im kommenden Frühjahr ein weiteres Studium.“
Die Unbefangenheit, mit der Aurélien Becquet an seine Zukunftsplanung angeht, scheint er sich in Deutschland abgeschaut zu haben: „Junge Deutsche haben keine Angst, später anfangen zu arbeiten“, sagt er. „Für Jugendliche ist es in Frankreich schwieriger, Arbeit zu finden“, bestätigt auch Elise Lethorey, Mitarbeiterin im Partnerschaftsreferat des Bezirk Unterfranken. Dies liege daran, dass Deutsche während ihrer Ausbildung schon mehr Erfahrungen sammeln können, beispielsweise bei Praktika. Jugendliche in Frankreich seien oft weniger selbstbewusst, wenn sie auf dem Arbeitsmarkt starten.
Lethorey hat ebenfalls vor einigen Jahren ihren Freiwilligendienst in Würzburg absolviert. Inzwischen ist sie nach Unterfranken zurückgekehrt und koordiniert die deutsch-französische Partnerschaft. „Junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren, die gerne das Leben in Frankreich kennenlernen möchten, können sich noch bis Ende Dezember für den Europäischen Freiwilligendienst 2015 bewerben“, verrät sie. Für die Bewerber fallen keine Kosten an, finanziert wird der Austausch über die Europäische Union und die Entsendeorganisationen. Becquet weiß, wie sehr junge Menschen von dieser Erfahrung profitieren können: „Ich empfehle es wirklich jedem“, sagt er, „und ich würde gerne noch länger bleiben“.
„Es ist notwendig und dringend erforderlich, dass Europa weiter zusammenwächst“, betont auch Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel die Wichtigkeit des Europäischen Freiwilligendienstes. Dass durch einen solchen Austausch Vorurteilen entgegengewirkt werden kann, bestätigt Aurélien Becquet. Mit der Pünktlichkeit nehmen es die Deutschen lockerer als er gedacht hat, sagt er. Und auch für das leibliche Wohl ist in Würzburg gesorgt, selbst wenn man die bekanntermaßen exquisite französische Küche gewohnt ist: „Ich habe befürchtet, dass ich hier keinen Wein und keinen Käse haben werde. Der Käse schmeckt tatsächlich in Frankreich besser, aber den fränkischen Weißwein mag ich sehr gerne.“
Auch seinen Vater konnte Aurélien Becquet während eines Besuchs von Deutschland begeistert: „Er war überrascht von der Lebensqualität hier“, erzählt der 24-Jährige. Trotzdem wird Aurélien, Ältester von drei Söhnen, wohl der einzige aus seiner Familie bleiben, der einige Zeit in Deutschland gelebt hat, wie er lachend berichtet: „Meine Brüder sprechen kein Deutsch. Die werden höchstens zum Oktoberfest kommen“.