Fast ein Jahr lang hat Matthias Erren überlegt, bevor er seinen Chef um ein Gespräch bat. Rechtlich war die Sache klar – auch an seiner Entscheidung hatte er keinen Zweifel. Trotzdem: „Selten war mir eine Unterhaltung so unangenehm“, erinnert er sich. Er hatte das Gefühl, er verstoße mit seinem Antrag gegen ungeschriebene Gesetze. „Man ist schon Vorreiter, wenn man als Berufsanfänger Teilzeit beantragt“, sagt der 31-Jährige.
Erren hat weder Kinder noch kranke Angehörige zu versorgen. Den Teilzeitantrag stellte er, um neben dem Job noch etwas Zeit für sich zu haben. Als Assistenzarzt in einem Bremer Krankenhaus kam er mit einer 100-Prozent-Stelle schnell auf 55 Stunden pro Woche. Dazu kam die erhebliche Belastung durch die Nachtdienste. Nach drei Jahren hatte er genug: Er fühlte sich wie in einem Hamsterrad. Hobbys und Freunde – alles kam zu kurz.
Generation Y ab Jahrgang 1980
Junge, ungebundene Arbeitnehmer, die wegen einer besseren Work-Life-Balance ihre Arbeitszeit reduzieren wollen – das klingt ungewöhnlich. Doch Errens Wunsch werden in Zukunft immer mehr junge Berufstätige äußern, glaubt Prof. Jutta Rump. Sie leitet das Institut für Beschäftigung und Employability der Fachhochschule Ludwigshafen und forscht zu Trends in der Arbeitswelt. Die Ursache sieht sie in der Generation Y, die nun in die Unternehmen drängt.
Zur Generation Y zählt Prof. Rump alle, die nach 1985 geboren wurden. Andere nehmen die Jahrgänge ab 1980 hinzu. Für ihre Forschung hat Prof. Rump alle großen Jugendstudien wie die Shell-Studie, aber auch das Generationenbarometer ausgewertet. Dabei zeigte sich: Die nach 1980 Geborenen haben ganz andere Wertvorstellungen als frühere Generationen. So ist die Generation Y zwar bereit, im Job viel zu leisten. Doch sie stellt auch hohe Anforderungen an ihren Beruf. Er soll Spaß machen, Entwicklungsperspektiven bieten und sinnvoll sein.
Gleichzeitig legen viele Wert darauf, ein Leben außerhalb der Arbeit zu haben. Für die Karriere auf eine Partnerschaft oder Familie zu verzichten, kommt für die meisten nicht infrage. „Eine gute Work-Life-Balance ist dieser Generation sehr wichtig“, erläutert Prof. Rump. Das liege auch daran, dass alle wissen, dass sie wegen des demografischen Wandels mindestens bis 67 – vermutlich sogar länger – arbeiten müssen. Und da in den ersten Branchen Fachkräftemangel herrsche, können viele Berufsanfänger gegenüber den Unternehmen Forderungen stellen.
Das galt auch für Erren – Jahrgang 1982. Sein Chef war zwar wenig begeistert, als er seinen Teilzeitwunsch vorbrachte. Zunächst versuchte er sogar zu bluffen. „Er sagte, er müsse erst einmal prüfen, ob das rechtlich überhaupt geht“, erzählt er. Doch Erren hatte sich informiert. Laut dem Teilzeit- und Befristungsgesetz hat jeder Angestellte einen Anspruch auf Teilzeit, der länger als sechs Monate in einem Betrieb mit mindestens 15 Mitarbeitern arbeitet. Das war bei ihm der Fall. Erren blieb hart – und setzte sich am Ende durch.
Wer als Berufsanfänger auf Teilzeit geht, sollte sich allerdings auch über die Risiken im Klaren sein. Gerade bei älteren Kollegen kann der Teilzeitwunsch auf Unverständnis stoßen, warnt Julia Hapkemeyer. Die Diplom-Psychologin berät Firmen zum Thema Personalentwicklung und hilft, wenn es zwischen den Generationen Konflikte gibt. Kollegen, die sich für die Karriere jahrelang abgerackert haben, können missgünstig reagieren. Schnell fallen dann Sätze wie „Guck mal, der geht schon wieder!“.
Verschiedene Aspekte beachten
Außerdem sollten sich Jüngere bei einem Teilzeitgesuch klarmachen, dass der Vorgesetzte sie in der Folge eventuell weniger fördert und ihre Karriere erst einmal auf Eis liegt. „Weiterbildungen bekommen häufig eher die, die im Unternehmen stets präsent sind“, erzählt sie. Hinzu komme, dass Berufsanfänger in Teilzeit weniger verdienen und auch weniger in die Rentenkasse einzahlen, ergänzt Prof. Rump. Altersarmut könne eine Gefahr sein.
Beide Experten raten deshalb dazu, den Teilzeit-Antrag als Berufsanfänger möglichst strategisch anzugehen. Um Neid bei den Kollegen und Unverständnis beim Chef zu vermeiden, sei es am besten, zunächst in Vollzeit zu beginnen – und erst nach ein oder zwei Berufsjahren die Arbeitszeit zu reduzieren. „Und dann lieber erst einmal auf eine 75-Prozent- statt auf eine 50-Prozent-Stelle wechseln“, rät Prof. Rump.
Gleichzeitig sollten Berufsanfänger mit dem Chef am besten vertraglich vereinbaren, dass sie pro Jahr zum Beispiel eine Weiterbildung machen, rät Prof. Rump. So könnten sie sicherstellen, dass sie karrieretechnisch nicht auf der Stelle treten. „Und trotz Teilzeit versuchen Berufsanfänger am besten, bei wichtigen Meetings anwesend zu sein“, rät Hapkemeyer.
Probleme mit den Kollegen lassen sich oft ganz banal vermeiden, indem die Berufsanfänger ihnen klarmachen, wann die Teilzeitkräfte vor Ort und für sie erreichbar sind. Für gute Stimmung sorge außerdem, wenn die Anfänger sich flexibel zeigen und auch einmal außerhalb der Arbeitszeit erreichbar sind.
Auch Erren beharrte nicht auf seinen Vorstellungen. Ursprünglich wollte er seine Vollzeitstelle auf 75 Prozent reduzieren. Doch das blockte sein Vorgesetzter von vorneherein ab. Der Kompromiss sieht nun so aus, dass er nur um 20 Prozent reduziert. Seit dem 1. September hat er nun jede Woche donnerstags frei.
„Und was machen Sie jetzt mit der ganzen freien Zeit?“, wollte sein Chef letztens wissen. Mehr lesen, Sport treiben und viel draußen sein - „ganz normale Sachen halt“, antwortete der. Zusammen mit Freunden bemüht er sich gerade bei der Stadt Bremen um einen Schrebergarten. Wer weiß: Statt donnerstags im OP zu stehen, buddelt er bald vielleicht schon an diesem Tag Pflanzen ein.