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WÜRZBURG
Der Narr und sein Puppenspieler
Vater der Puppen: Thomas Glasmeyer, hier mit dem kleinen König in der Hutschachtel.
Foto: GLASMEYER | Vater der Puppen: Thomas Glasmeyer, hier mit dem kleinen König in der Hutschachtel.
Von unserer Mitarbeiterin Pat Christ
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:32 Uhr

Ein riesengroßer Tisch, drum herum Küchenstühle und darauf, rupfbereit, ein stattliches Huhn: An dieses Bild kann sich Thomas Glasmeyer noch gut erinnern. Sechs Jahre war er etwa alt. Wie liebte er diesen ausladenden Tisch im Hause des Großvaters. Wunderbare Knetgummifiguren konnte man darauf bauen. „Und aus den Federn des gerupften Geflügels entstanden Flugmännchen“, sagt der Würzburger Puppenspieler, der in diesem Jahr sein 25-jähriges Bühnenjubiläum feiert.

Nicht, dass Thomas Glasmeyer keine Spur Interesse daran gehabt hätte. Aber die ursprüngliche Idee, Jurist zu werden, stellte sich schon nach wenigen Jahren als unsinnig heraus. Immerhin zehn Semester hielt der damals schon leidenschaftliche Puppenbauer und Puppenspieler das Studium in Würzburg durch.

Letztlich war aber nicht daran zu denken, dass Glasmeyer für den Rest seines Lebens mit Paragrafen jonglieren würde. Warum hatte er sich überhaupt darauf eingelassen? Nun, da war der Wunsch der Eltern. Aber auch eine Erinnerung an einen Rechtsanwalt, der dem Jugendlichen unheimlich imponiert hatte: „Als Gymnasiast spielte ich in unserer Theatergruppe den Thomas Morus.“

Wie dieser Humanist im 16. Jahrhundert mit einer flammenden Streitrede vor Gericht um sein Leben kämpfte, faszinierte Glasmeyer: „Ich dachte, Jura könnte mein Ding sein.“

Doch nein, Jura war wirklich nicht sein Ding. Und das hätte der heute 58-Jährige vielleicht auch schon früher wissen können. Denn als Gymnasiast agierte er nicht nur als Schauspieler: „Ich gründete ein Schülerpuppentheater.“ Das war in der neunten Klasse im Schwarzwald, wo die Familie damals lebte. Glasmeyer fungierte als Puppentheaterprinzipal. Und er baute alles. Puppen. Die Bühne. Kulissen. Eigentlich kann er sich an keine Zeit erinnern, in der Puppen keine Rolle in seinem Leben gespielt hätten: „In Gedanken war ich immer mit ihnen beschäftigt.“

„Aus den Federn des gerupften Geflügels entstanden Flugmännchen. “
Thomas Glasmeyer über sein frühes Figuren-Basteln

Bis heute gestaltet Thomas Glasmeyer alles, was er braucht, selbst. In seinem Arbeitszimmer tummeln sich ein „narrdenklicher“ Narr und Peter Iljitsch Violin aus dem Stück „Peter und der Wolf“. An der Wand hängt die farbige Hattie aus den „Blähungen“. Die drei Glückskeksköpfe haben zwar keine Rolle in einem Stück, sind aber der Renner auf Märkten. Noch im Entstehen begriffen ist der Kopf des Roderick Usher aus Edgar Allan Poes Geschichte „Der Untergang des Hauses Usher“.

Diese Figur fertigt Glasmeyer gerade für einen Kollegen an. Daneben arbeitet er an seinem Jubiläumsstück, dem „Krabat“ nach der sorbischen Sage. Im November ist Uraufführung.

Mit Puppen Geschichten zu erzählen, dieser Aufgabe verschrieb sich Thomas Glasmeyer endgültig 1990. Seither sind fünf Erwachsenenprogramme und über 15 Kinderstücke entstanden. Viele überdauerten die Jahre und ziehen nach wie vor in Bann. Dazu gehört die vor 24 Jahren entstandene, 2014 erweiterte „Geschichte von einem, der auszog, ein Märchen zu erzählen.“

Wer hier Märchenseligkeit a la Aschenputtel erwartet, wird enttäuscht. Dem chaotischen Puppenspieler aus diesem Stück will so gar nichts gelingen. Dafür proben die Puppen den Aufstand.

Es ist ja überhaupt so eine Sache mit dem Vorsatz und dem Ergebnis. Eigentlich recht langweilig, wenn immer alles genau wie erwartet eintrifft. Geschichtenstoff liefert das nicht. Das im echten Leben so verpönte Scheitern, die Missgeschicke und Irrtümer hingegen sorgen für Anekdoten, amüsieren und erheitern. Der von Glasmeyer geliebte Narr ist nachgerade die Verkörperung des Scheiterns. Selbst auf einfachste Fragen weiß er nichts Gescheites zu antworten. Er kann sich nicht benehmen, ist anarchisch, derb, zotenhaft.

Taucht der Narr auf, darf man sicher sein, irgendwas stimmt hier nicht. Ob’s wohl am Narren liegt? Oder doch eher an denen, die sich über den Narren lustig machen?

Thomas Glasmeyer mit Peter Iljitsch Violin aus „Peter und der Wolf“.
Foto: PAT CHRIST | Thomas Glasmeyer mit Peter Iljitsch Violin aus „Peter und der Wolf“.
Verträumt oder gedankenvoll? Thomas Glasmeyers „narrdenklicher“ Narr.
Foto: PAT CHRIST | Verträumt oder gedankenvoll? Thomas Glasmeyers „narrdenklicher“ Narr.
(huGO-ID: 27378704)  5Sie freuen sich schon auf den nächsten Auftritt: Thomas Glasmeyer, Don Giovanni und Leporello.   FOTO:?pat christ
| (huGO-ID: 27378704) 5Sie freuen sich schon auf den nächsten Auftritt: Thomas Glasmeyer, Don Giovanni und Leporello. FOTO:?pat christ
(huGO-ID: 27378700)  1Verträumt oder gedankenvoll? Thomas Glasmeyers ?Narrdenklicher? Narr. Fotos: Pat Christ  FOTO:?pat christ
| (huGO-ID: 27378700) 1Verträumt oder gedankenvoll? Thomas Glasmeyers ?Narrdenklicher? Narr. Fotos: Pat Christ FOTO:?pat christ
(huGO-ID: 27378724)  2Diese Figuren gefallen nicht nur Kindern: Großvater, die Gans und Peter aus ?Peter und der Wolf?.  FOTO:?pat christ
| (huGO-ID: 27378724) 2Diese Figuren gefallen nicht nur Kindern: Großvater, die Gans und Peter aus ?Peter und der Wolf?. FOTO:?pat christ
 
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