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Der Name der Rose
Unter Rosen: Rose-Maria Strobel pflanzte mit anderen Frauen und Männern Rosengeschichte in acht Beeten.
Foto: Fotos (4): Norbert Schwarzott | Unter Rosen: Rose-Maria Strobel pflanzte mit anderen Frauen und Männern Rosengeschichte in acht Beeten.
Von unserem Redaktionsmitglied Angelika Becker
 |  aktualisiert: 16.12.2020 12:12 Uhr

Sie schimmern zerbrechlich wie weißes Porzellan, seidig rosé oder schwer und rot wie Samt. Sie haben purpurene barocke Pompons mit ungezählten Blütenblättern oder Rosetten aus fünf dunkelrosa Herzen. Sie duften, wenn die Sonne sie wärmt oder am Abend, schwer und süß oder kühl und fruchtig. Sie sind Diven auf dornigen Stielen, Elfen im heiteren Gerank zwischen den Zweigen eines Obstbaumes oder die Unschuld vom Lande in der Hecke. Sie gelten als Königinnen der Blumen und präsentieren sich in einer Vielfalt, die vor Lebenslust sprüht.

Die Rosen haben ihr Haus und ihr Herz umrankt und sie trägt sie im Namen: Rose-Marie Strobel gehört zu einer Gruppe Frauen und Männer aus Arnstein (Lkr. Main-Spessart), die 1996 zur Kleinen Gartenschau unterhalb der Stadtpfarrkirche einen Garten pflanzten.

„Wir wollten, dass man durch die Geschichte der Rosenzucht schreitet“, sagt sie. Schon der Weg hinauf zu der Anlage über den Dächern der Altstadt führt vorbei an einer rosenberankten Mauer. Die rote Sympathie und zartrosa Paul's Himalayan Musk verbreiten ein wenig Dornröschen-Flair.

Natürlich ranken schmiedeeiserne Rosen auch im Tor zum Garten unterhalb der Kirche. „Dem Pfarrer haben wir übrigens einen Streich gespielt“, erzählt Rose-Marie Strobel. Durch die Blume habe ihn die Rosenfreunde geneckt und ihm einen Strauch der Sorte „Maidens Blush“ vor die Tür gesetzt, zu deutsch „Mädchenhaftes Erröten“. Doch der Pfarrer ließ sich nicht irritieren und genoss den süßen Duft der Albarose.

Und die Duftwolke, die trotz der Kühle an diesem Junitag über dem Garten mit seinen etwa 100 Rosenpflanzen in 70 Sorten schwebt, wärmt die Nase, füllt Lunge und Kopf und macht sinnfällig, warum Rose-Marie Strobel sich so gerne mit alten Rosen umgibt. „Sie duften alle,“ sagt sie. Jedes Jahr präsentieren sie sich anders, je nach Wetter- und Lichtverhältnissen. „Jede hat ihre Persönlichkeit.“ Und dazu gehört auch, dass sie sich rar machen. Einmal im Jahr zeigen sie wie Damen beim Sommerball ihre prächtigen Roben in weiß, rot und Rosatönen, danach bleiben nur die Grünschattierungen ihres Laubes. Ein paar kalte Regentage zur Blütezeit im Juni können außerdem dem Fest ein jähes Ende bereiten.

Rosenliebhabern kamen da Mitte des 18. Jahrhunderts die schönen Chinesinnen auf den Teeschiffen gerade recht: Die gelben Chinarosen und später die Teerosen blühten nicht nur einmal im Jahr und sie brachten obendrein Orangetöne in die Farbmischungen. 1752 reiste die erste Chinarose nach Europa. 1793 folgten die Teerosen, die ihren Namen von den Teelieferungen aus Asien haben, erzählt Rose-Marie Strobel.

Um 1810 entstanden in Italien die Portlandrosen. Strobel zeigt in ihrem eigenen Garten, der nur einen kurzen Weg unterhalb des städtischen Rosengartens liegt, eine Rosa Damascena Bifera. Die Römer sollen sie aus Syrien in die nördlichen Provinzen gebracht haben. Zusammen mit einer europäischen Gallicarose und einer Chinarose ist sie die Urmutter der Portlandrosen. Den Namen sollen diese von der Duchess of Portland haben, die die Blumen bei einer Italienreise entdeckte.

1820 wurden Bourbonrosen modern. Französische Siedler auf der Île de Bourbon, heute Réunion, im indischen Ozean bepflanzten die Grenzen ihrer Äcker mit Damaszener- und China-Rosen. Die kreuzungsfreudigen Blumen brachten einen Sämling hervor, der in Frankreich verfeinert wurde.

In den folgenden Jahren blühte die Begeisterung an der Rosenzucht auf. Als 1867 der Franzose Jean-Baptiste Guillot in einem Beet mit verschiedenen Teerosen eine Kreuzung fand, die vom Frühsommer bis zum Herbst blühte, duftete und elegant aussah, war das ein Wendepunkt. Da brach die Zeit der modernen Rosen an.

Bevor die Rosen aus Nordafrika und Asien die Gene der alten Europäerinnen aufmischten, blühten und dufteten in den Gärten die Rosen, die auch wild auf Feldern und an Waldrändern wuchsen – Essigrose und Hundsrose. Als Hecke umgaben sie Kultstätten der Germanen. Griechen und Römer machten sie zum Symbol von Liebe und Luxus, Benediktinermönche zur Arznei und gotische Künstler nahmen sie als Vorbild für die Rosettenfenster der Kathedralen. Karl der Große schrieb Ende des achten Jahrhunderts den Verwaltern seiner Landgüter vor, Rosen wegen ihrer Heilwirkungen zu pflanzen.

Einer, der sich mit dieser Historie auskennt, ist François Joyaux. Rose-Marie Strobel öffnet unter der romantischen Pergola in ihrem eigenen Rosengarten seine Enzyklopädie, ein schweres Buch voller wunderbarer Bilder. Sie ist nicht nur angetan vom Inhalt, sondern auch vom Autor. Er sei weltweit die führende Autorität, wenn es um historische Rosen geht, ein leidenschaftlicher Züchter und Sammler. Und besonders gefällt ihr, dass ihn vor einiger Zeit auf der Durchreise der Arnsteiner Rosengarten zu einem Besuch verführte. Für Rose-Marie Strobel und die Rosenfreunde ist das ein anerkennendes Schulterklopfen.

Demnächst will sie den Franzosen besuchen und mit ihm fachsimpeln. Doch jetzt genießt sie noch den letzten Duft ihrer Pflanzen. Sie stehen prächtig da, trotz des kühlen Wetters. „Alte Sorten vertragen alles“, sagt Strobel. „Sie sind pflegeleicht, kommen mit magerem Boden zurecht, sind nicht anfällig für Pilzkrankheiten.“ Aber sie beherrschen ihre Liebhaber. „In dem einen Monat der Rosenblüte kann ich nicht in Urlaub fahren“, sagt Rose-Marie Strobel.

Der Arnsteiner Rosengarten

Immer geöffnet ist der 200 Quadratmeter große Arnsteiner Rosengarten am Kirchberg auf einer Terrasse der ehemaligen Präparandenschule für Besucherinnen und Besucher, die von Beet zu Beet spazieren und mit Augen und Nasen die Geschichte der Rosen aufnehmen möchten. Informationen über Führungen und Veranstaltungen gibt es beim Fremdenverkehrsamt der Stadt Arnstein unter Tel. 0 93 63/8 01 16. Unter anderem finden Lesungen zwischen den Beeten statt. Als Ort für Trauungen biete die Stadt den Rosengarten ebenfalls an, sagt Rose-Marie Strobel. Immerhin gilt ja die Rose als Blume der Liebe. Auf jeden Fall ist der Garten über den Dächern der Altstadt einfach eine wunderschöne Kulisse für eine solche Feier.

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