Das schlichte Wort „Hexe“ steht am Durchgang zu einem der Räume im Untergeschoss des Würzburger Ratskellers geschrieben. Es ist leicht zu übersehen. Und so verbringt der Gast in trauter Runde einen Abend mit Wein vom Würzburger Stein und fränkischem Sauerbraten und hat keine Ahnung davon, was in dem Raum einst geschah, in dem man es sich da gerade gut gehen lässt.
Es sei denn, Ratskeller-Chef Kurt Schubert gesellt sich dazu und erzählt davon. „Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass hier in diesem Kellerraum einmal das Stadtgefängnis war“, erklärt der Wirt des Traditionshauses.
„Die Leute wundern sich immer darüber, dass so ein kleiner Raum als Gefängnis ausgereicht haben soll“, sagt er. Aber man dürfe dabei nicht vergessen, dass die Stadt Würzburg am Ende des Mittelalters nur rund 5000 Einwohner hatte. „Und von denen waren die allerwenigsten Straftäter.“ Außerdem seien viele Strafen sofort vollzogen worden, die – jedenfalls aus heutiger Sicht betrachtet – wesentlich schlimmer waren als eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Dazu gehörten auch die Leibesstrafen, bei denen einzelne Körperteile verstümmelt wurden: vom Abschneiden der Nase, der Ohren oder der Zunge bis zum Blenden der Augen. Ehrenstrafen wie die öffentliche Demütigung durch Pranger, Schandpfahl, Halsgeige oder Lästerstein klingen rückblickend vergleichsweise harmlos, konnten aber ebenfalls die Existenz der Bürger des Mittelalters gefährden.
Der Raum unterm Grafeneckart sei von oben bestückt worden – sowohl mit Menschen, als auch mit Nahrungsmitteln für seine Insassen, sagt Schubert. Daher auch der Name „Loch“. „Zum Hexenloch wurde das Verließ dann zu Zeiten der unsäglichen Hexenverfolgungen hier in der Stadt“, erklärt der Ratskeller-Wirt. Diese begannen in den letzten Regierungsjahren des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn und gelten noch heute als ein Tiefpunkt in der Würzburger Geschichte.
Während sich Echter selbst kurz vor seinem Tod dafür rühmen ließ, allein innerhalb eines Jahres 300 Hexen und Zauberer getötet zu haben – die meisten waren öffentlich verbrannt worden – trieben es seine beiden Nachfolger Johann Gottfried von Aschhausen und Philipp Adolf von Ehrenberg noch schlimmer. Als eifrige Verfechter der Hexenverfolgung hielten sie „die aberwitzigen Beschuldigungen für glaubhaft und setzten die staatliche Macht zur umfassenden Verfolgung, zum Massenmord ein“, schreiben Stadtheimatpfleger Hans Steidle und Christine Weisner in ihrem Buch zur Stadtgeschichte.
Insgesamt wurden wohl 900 Frauen, Männer und Kinder Opfer eines Wahns, der weder vor dem Klerus noch vor der weltlichen Macht Halt machte. Historikerin Birke Grießhammer nennt die Hexenverfolgung gar ein „lukratives Geschäft“: Herrliche Barockbauten seien mit dem Geld errichtet worden, die heute von nichts ahnenden Touristen bestaunt würden.
Doch irgendwann war Schluss mit dem grausamen Treiben, das der Stadt als „Würzburgisch Werk“ weit über ihre Grenzen hinaus zu zweifelhaftem Ruhm verholfen hatte. Daran erinnert heute unter anderem das Hexenloch.
„Würzburger Geheimnisse“: Das Busch ist bei der Main-Post erschienen, hat knapp 200 Seiten, ist durchgehend bebildert und kostet 14,90 Euro. Erhältlich ist es in unseren Geschäftsstellen, im Buchhandel und online unter
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An jedem Erscheinungstag vor
Weihnachten bringen wird gekürzte Geschichten aus dem Buch – als
„Adventskalender der Würzburger
Geheimnisse“.