Drei Fangnächte hatte Landschaftsplanerin Carola Rein vorgesehen. Der vom Aussterben bedrohte Feldhamster sollte umgesiedelt werden, damit die Gemeinde Euerbach auf der ehemaligen Ackerfläche ihr Gewerbegebiet erweitern kann. Aber in dem mittlerweile mit Ackerkräutern und Disteln übersäten Feld gibt es den kleinen Nager nicht mehr: Er hat sich von alleine davongemacht.
Ein Winterweizen-Acker in Sichtweite könnte das neue Zuhause des Euerbacher Feldhamsters sein, vermutet Carola Rein, die die Brachfläche am Rande des Gewerbegebiets „Niederwerrner Weg“ kontrolliert. Zwölf Hamsterbaue hatte ihr Würzburger Umweltbüro Fabion noch 2012 auf dem 1,8 Hektar großen Acker gezählt. Offenbar waren dieser aber für die geschützten Tiere unattraktiv geworden, weil dort in Erwartung der Bebauung keine Feldfrüchte mehr ausgesät wurden.
„Das kleine Tier mit den kurzen Beinen kann auf solch einer Fläche nicht gut laufen und graben und findet auch keine Nahrung“, erklärt die Landschaftsplanerin, die seit dem Jahr 2000 in ihrem Umweltbüro immer wieder mit dem Thema Hamster beschäftigt ist. Denn bei Eingriffen in den Lebensraum des Wühlers, bei Bauprojekten aller Art - Bau- und Gewerbegebieten, Straßen, Radwegen oder gar Biogasanlagen - muss ein Fachgutachten erstellt werden. Das kann Planungen stoppen, Bauvorhaben verzögern oder mit einer Ausnahmegenehmigung zu einer Umsiedlung der Tiere führen.
Denn der Feldhamster ist seit den 1970er Jahren, als er noch als Schädling in der Landwirtschaft auftrat, massiv zurückgegangen. Er steht seit 1994 europaweit auf der Roten Liste gefährdeter Arten und wurde 2010 von der zweiten sogar auf die höchste Stufe der vom Aussterben bedrohten Tiere gehievt. „In 20 Jahren wird es in Unterfranken keinen Hamster mehr geben“, gibt Carola Rein die Expertenmeinung wider.
Als Gründe sind der hohe Flächenverbrauch, die Vernichtung und Zerschneidung der Lebensräume und vor allem die intensive Landwirtschaft bekannt. Immer größere Feldschläge, immer frühere Erntetermine und schnellerer Umbruch der Äcker nach der Ernte verringern für den Feldhamster die Möglichkeit, Futter zu finden und ausreichend Nahrung für seine Winterruhe einzutragen.
„Hamster mögen es am liebsten kleinräumig“, fügt die Fachfrau hinzu, also genau das Gegenteil dessen, was heute durch den Rationalisierungsdruck in der Landwirtschaft und durch die Flurneuordnung - früher Flurbereinigung - geschaffen wird.
Ein Flächenband vom Landkreis Schweinfurt bis nach Ochsenfurt ist heute der einzige Lebensraum des Nagers in ganz Bayern. Zwar ist auf den guten Lehm-Löß-Böden im Schweinfurter Raum, gerade bei Geldersheim, der Feldhamster noch in gleichbleibender Zahl heimisch, sagt Carola Rein. Denn er findet hier Nahrung und kann stabile Erdbaue graben. Aber das zentrale Lebensraum-Band wird immer schmaler, „vom Rand her geht immer mehr verloren“.
Weil sich hier das Aufkommen des Nagers nicht sehr verändert hat, fehlt aber auch häufig das Verständnis für die gesetzlich verordneten Schutzmaßnahmen, die manches Bauvorhaben leicht verteuern. Spott wird über den Hamster ausgeschüttet, der allerdings auch gerne für die eigene Sache benutzt wird, so Rein: je nachdem, ob ein Bauprojekt willkommen ist oder ob es abgelehnt wird. Für die Verhinderung der SuedLink-Trasse wird beispielsweise schon mal auf den geschützten Nager verwiesen.
Wenn, wie im Fall Euerbach, eine Umsiedelung des Nagers nötig ist, muss der Auftraggeber – hier die Gemeinde – eine Ausgleichsfläche besorgen. Das Feld mit einer Bodenbonität ab der Ackerzahl 70 muss auch bewirtschaftet werden, schließlich soll sich das Tier dort ernähren können. Ein Hamster braucht etwa zwei Kilo Getreide für seinen Wintervorrat, der Wert dafür liegt im Cent-Bereich.
Über verschiedene Artenhilfsprogramme unterstützt die bayerische Staatsregierung seit 2002 das Überleben des Tieres. Wichtigster Punkt ist, dass Landwirte einen Streifen Getreide, Luzerne oder Blühstreifen bis in den Oktober stehen lassen, und dann erst das Feld umbrechen. Für den Ertragsausfall sowie für den Mehraufwand, den der Landwirt hat, werden Entschädigungen gezahlt.
Eine Umsiedlung des Nagers ist für die Landschaftsarchitektin Rein nicht mehr spektakulär. Die metallenen Käfigfallen werden mit Gurken- und Apfelscheiben als Köder bestückt, mit einer dunklen Plane vor Regen und Helligkeit geschützt und vor einem Hamsterloch aufgestellt. Wenn der dämmerungs- und nachtaktive Einzelgänger mit gutem Geruchssinn in der Falle zum Köder trippelt, wird über einen Kippmechanismus die Tür geschlossen.
„Wir kontrollieren alle drei Stunden in der Nacht die Fallen“, erklärt Carola Rein. Damit das Tier möglichst kurz im Käfig ist und so wenig Stress wie möglich erfährt. Mit dem Auto fährt sie dann die besetzten Fallen zur Ausgleichsfläche, laut Vorschrift halb so groß wie die Herkunftsfläche. Dort sind zuvor mit dem Erdbohrer schräg in den Boden hinein etwa 80 bis 100 Zentimeter lange und zehn Zentimeter breite Löcher gebohrt worden. Dort hinein werden die Hamster dann geschickt und können ihren Bau weitergraben.
Weil die Tiere beim Umsetzen leicht panisch reagieren können, wie die Fachfrau schon erfahren hat, werden sie über einen bodenlosen Eimer in das neue Loch gelassen. Schnell wird ein zweiter Eimer, mit einem engen Gitter im Boden, darauf gesetzt, um zu verhindern, dass das Tier in Panik wieder herausrennt. „Dann soll der Hamster zur Ruhe kommen.“ Eine Garantie, dass das Tier die Umsiedlung übersteht, könne aber niemand geben, sagt Rein.
Auch wenn, wie im Euerbacher Fall, der Hamster sich von alleine vom Acker gemacht hat, muss die Ausgleichsfläche erhalten bleiben, unterstreicht die Landschaftsplanerin. Denn der Ausgleichsbedarf bleibe, zumal der Herkunftsacker mit Gewerbebetrieben bebaut und dem Tier ein Stück Lebensraum genommen wird.
„Ich arbeite seit zig Jahren mit dem Hamster“, sagt Carola Rein. „Wenn diese Art nicht mehr da ist, das wäre“, sie ringt um das richtige Wort, „sehr bedauerlich.“

