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KREIS SCHWEINFURT
Der beste Zimmermann ist eine Frau
Beruflich ganz oben: Innungsbeste Anna-Lena Feser bei einem Richtfest mit Zimmerermeister Dieter Dittmeyer.
Foto: Feser | Beruflich ganz oben: Innungsbeste Anna-Lena Feser bei einem Richtfest mit Zimmerermeister Dieter Dittmeyer.
Von unserem Redaktionsmitglied Thomas BorgBöhmer
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:48 Uhr

Mit voller Wucht schlägt sie den langen Nagel ins Holz. Schlag um Schlag, bis er festsitzt. Anna-Lena Feser steht oben auf dem Gebälk. Die zierliche junge Frau hat viel Kraft – und die braucht sie auch. In dem männerdominierten Beruf des Zimmerers ist sie die sehr seltene Ausnahme. Die 24-Jährige ist eine von zwei Frauen, die bei der diesjährigen Freisprechung der Zimmerer ihren Gesellenbrief erhalten haben. Zusätzlich wurde sie als Beste der Zimmererinnung Schweinfurt/Haßbergkreis ausgezeichnet.

„Ich habe als Kind lieber in der Halle mit Holz gespielt oder auf dem Reißboden gemalt“, sagt die Junggesellin. Während andere Kinder Fernsehen guckten, schaute sie ihrem Vater beim Arbeiten mit der Säge zu. Dennoch führte der Weg nicht direkt ins Zimmerergewerbe. Zunächst absolvierte Anna-Lena eine Lehre zur Kauffrau im Groß-und Außenhandel, machte ein Vollzeitstudium zur Handelsfachwirtin und ging zurück in den Beruf.

„Irgendwie ließ mich der Gedanke einer Zimmererausbildung nicht los“, sagt sie, „und dann hab ich mich entschlossen Zimmerin zu werden.“ Die Reaktion der Eltern? Die waren zunächst nicht begeistert. Ihre Tochter könne ja wohl nur einen Scherz machen. „Wir haben unsere Tochter nie in den Beruf gedrängt. Das wollten wir nicht“, so Ulrike Feser, Angestellte im Betrieb des Mannes Hans Feser, in dem dann auch die Tochter ihre Ausbildung begann. Die Tochter sollte ein „normales Leben“ haben, mit geregelten Arbeitszeiten und richtigem Feierabend.

Nur 31 Junggesellen sind 2012 in allen unterfränkischen Innungsbezirken freigesprochen worden – ein Tiefstwert im Zimmererhandwerk. Von 1997 bis 2008 ging die Zahl der Azubis in diesem Beruf stetig bergab, seither steigt sie wieder. „Es geht wieder aufwärts“, sagt Hermann Lang, Obermeister der Zimmerer-Innung Würzburg Stadt und Land. Ein neuerlicher negativer Trend sei nicht erkennbar. Verfügbare Fachkräfte gebe es kaum, „da müssen wir schon auf den Nachwuchs setzen“.

Doch nicht jeder sei für den Beruf des Zimmerers geeignet, sagt Lang. Grund für das Auf und Ab der Azubizahl in den letzten Jahren seien vor allem wirtschaftliche Entwicklungen gewesen, die in vielen Betrieben zu Einsparungen geführt hätten. Hans Feser, Zimmerermeister und Obermeister der Zimmererinnung Schweinfurt/Haßberge, nennt einen weiteren Grund. Viele schrecke der Zimmererberuf auch ab, weil er hart und anspruchsvoll sei, bei Wind und Wetter ausgeübt werde und die Azubis im ersten Lehrjahr (BGJ) kein Geld bekämen.

„Früher hatten wir mehr Aufträge für Neubauten“, sagt Lang. „Mittlerweile sind es mehr und mehr Dachsanierungen und Renovierungen der Fassaden.“ Klimaschutz sei eine der ersten Prioritäten für die Zimmererbranche in der Zukunft. Die Energiepreise stiegen stetig, da sei es von Vorteil, in Wärmedämmungen aus Holz zu investieren, um Energie zu sparen. Die dämmten besser als andere Materialien.

Anna-Lena, der Tochter des Obermeisters, war der Zimmererberuf quasi in die Wiege gelegt. Für ihre Mitschüler war sie eine Sensation. Hoch hinaus, ins Gebälk, wagen sich nicht viele Mädchen. Aber: Blöde Sprüche habe sie nicht erdulden müssen, sagt sie, „die meisten fanden das einfach gut“. Nur auf dem Bau musste sie sich an die etwas ruppige Art gewöhnen, „hart aber herzlich“ gehe es da zu. „Man sollte nicht jammern, wenn einem mal ein Nagel abbricht“, sagt sie, „oder man ein dreckiges Dixie-Klo benutzen muss.“ Das sei alles zu verschmerzen. Der Beruf fasziniert sie, der Umgang mit dem Werkstoff Holz und die vielen Möglichkeiten. Außerdem findet es die 24-Jährige toll, am Ende des Tages zu sehen – man hat was geschafft, „das ist ein schönes Gefühl“. In einem Bürojob sei das nicht immer der Fall.

Wie die Zukunft für Anna-Lena aussieht, weiß sie noch nicht. Denn nach einer kürzlichen Hüftoperation ist die Gesellin noch nicht wieder arbeitsfähig. Gesundwerden steht jetzt an erster Stelle. Wenn das gelungen ist, will sie – aber nur vielleicht – noch die Meisterprüfung angehen.

Zimmerer

Die Ausbildung dauert drei Jahre und ist in zwei Stufen unterteilt: Das gesamte erste Jahr verbringen die künftigen Gesellen auf der Schule, dem sogenannten Berufsgrundschuljahr (BGJ), das für alle verpflichtend ist. Erst danach beginnt auch die Arbeit im Betrieb. Ab dem zweiten Jahr verdienen die Lehrlinge erst Geld – nach Tarif um die 1000 Euro monatlich.

Als Voraussetzungen müssen die künftigen Zimmerer ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen, körperliche Fitness und mathematisch-zeichnerisches Talent mitbringen. Neben der Arbeit in Zimmereibetrieben können ausgebildete Zimmerer auch in der Industrie arbeiten.

Am Ende des dritten Ausbildungsjahres folgt die Gesellenprüfung.

 
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