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VEITSHÖCHHEIM
Der Aufklärer aus Veitshöchheim
Bedeutender Aufklärer: Im Jahr 1730 wurde die Synagoge in Veitshöchheim erbaut, in der auch der 1744 geborene Simon Höchheimer betete. Wir entnahmen das Bild, das den Besuch einer Schulklasse zeigt, dem 2006 im Echter-Verlag erschienenen Band „Jerusalem lag in Franken. Synagogen und jüdische Friedhöfe“ von Herbert Liedel und Helmut Dollhopf.
| Bedeutender Aufklärer: Im Jahr 1730 wurde die Synagoge in Veitshöchheim erbaut, in der auch der 1744 geborene Simon Höchheimer betete.
Roland Flade
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:49 Uhr

Im Jahr 1744 beherbergte Veitshöchheim eine bedeutende jüdische Gemeinde. Zu jener Zeit war es Juden noch verboten, in der bischöflichen Residenzstadt Würzburg zu wohnen und so siedelten sich viele in den umliegenden Orten an. In jenem Jahr 1744 wurde in Veitshöchheim Simon Höchheimer geboren, der als jüdischer Aufklärer in die Geschichte eingegangen ist.

Der Gelehrte war bestrebt, seinen Religionsgenossen den Weg aus ihrer gettoartigen Existenz in die allgemeine Gesellschaft zu ebnen. Als er fünf Jahre alt war, wurde in Höchberg mit der Nonne Maria Renata Singer noch eine angebliche „Hexe“ hingerichtete; die Notwendigkeit, aufklärerisches Gedankengut zu verbreiten, war also auch in nichtjüdischen Kreisen weit verbreitet.

An Simon Höchheimers umfangreiche Tätigkeit, die ihn unter anderem nach Berlin in die Kreise des berühmten Philosophen Moses Mendelssohn führte, erinnert ein 498 Seiten umfassende Buch von Karl-Heinz Grossmann, das im Verlag Königshausen & Neumann erschienen ist. Seit 1995 besteht in Veitshöchheim zudem die nach dem bedeutenden Aufklärer benannte Simon-Höchheimer-Gesellschaft, die ein buntes kulturelles Programm, durchaus nicht nur zu jüdischen Themen, anbietet.

Grossmann wertete für sein Werk zahlreiche neu aufgetauchte Dokumente aus; vor allem aber publiziert er erstmals mehrere Schriften Höchheimers, die bislang unbekannt waren oder als verschollen galten. So lässt er den Aufklärer, von dem kein Bild existiert, als interessante Persönlichkeit aus dem Dunkel der Geschichte hervortreten.

Im Jahr 1730 errichteten die Veitshöchheimer Juden eine Synagoge, die heute mustergültig restauriert ist und in der auch der junge Simon den Gottesdienst besuchte.

Seine Eltern bestimmten Simon für den Rabbinerberuf und ließen ihn von Hauslehrern unterrichten. Später studierte er mit großem Erfolg an Talmudhochschulen in Schwabach, Fürth, Mannheim und Metz, doch befriedigte ihn die Erlangung rein religiösen Wissens bald nicht mehr. Der Hochbegabte brach den fremdbestimmten Ausbildungsgang ab, lernte Französisch und eignete sich autodidaktisch mathematische, ökonomische und geographische Kenntnisse an.

Nach einer kurzen gescheiterten Ehe wirkte er als Hauslehrer in Holland und von 1770 bis 1772 im Herzogtum Jülich, das damals zu Bayern gehörte, und unternahm anschließend eine einjährige Bildungsreise durch Frankreich. Dreißigjährig ging er nach Berlin, schlug sich auch hier als Hauslehrer durch und fand Zugang zu den Intellektuellenzirkeln um Moses Mendelssohn.

Ausgerüstet mit einem Empfehlungsschreiben Mendelssohns hoffte er bei seiner Rückkehr nach Würzburg auf eine Anstellung bei dem als aufgeklärt geltenden Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal in Würzburg. Doch seine Vorschläge zur Verbesserung der sozialen Lage der Juden stießen auf taube Ohren, trotz der Befürwortung durch Franz Oberthür, Professor für Dogmatik an der Universität Würzburg und Begründer des fränkischen Berufsschulwesens.

Nach einigen Jahren der Wanderschaft durch Franken und Bayern und einem erneuten Aufenthalt in Berlin begann er an der Universität Mainz ein Medizinstudium und erwarb schließlich als erster Jude der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg 1791 den Grad eines Doktors der Medizin.

Simon Höchheimer veröffentlichte medizinische und pädagogische Schriften sowie Gedanken zur Emanzipation der Juden. Mit dem Drama „Der Spiegel für Israeliten“ von 1816/17 reagierte er auf den damaligen Bühnenerfolg „Unser Verkehr“, eine Posse voller antijüdischer Klischees.

Nach Jahren erfolgreicher beruflicher Tätigkeit in Freiburg im Breisgau, später in fürstlichen Diensten in Wien und Mähren zog es Höchheimer erneut nach Würzburg, wo ihn eine weitere Enttäuschung erwartete. Die sicher geglaubte Berufung zum offiziellen Totenbeschauer kam nicht zustande. In Fürth fand er schließlich eine Anstellung als Armenarzt. Bis zu seinem Tod am 26. Mai 1828 kämpfte er für die Gleichstellung der Juden mit den christlichen Bürgern.

Karl-Heinz Grossmanns Buch, schildert detailreich das Leben eines ungewöhnlichen Mannes. Die ersten Jahrzehnte, die eng mit Veitshöchheim und Würzburg verknüpft sind, spielen dabei eine große Rolle. Grossmann kann dabei auf Höchheimers 1824 in Fürth gedrucktes Werk „Skizzen meines frühen Lebens“ zurückgreifen. Darin setzt sich der 80-Jährige vier Jahre vor seinem Tod in einer für die Zeit ungewöhnlich kritischen, auch heute noch aktuellen Weise mit seiner Jugend auseinander.

Er habe einen schmerzhaften Weg gehen müssen, den man Kindern und Jugendlichen ersparen solle und der ihn noch als alten Mann präge, schreibt er da. Denn: „Die Lehren in der Jugend bleiben wirkend im Alter.“ Glücklich könne sich jeder Mensch schätzen, „der in seiner Jugend auf dem Rosenpfad zu seinem Wohl geleitet“ wurde. Er dagegen musste, so hält er fest, Umwege gehen und sich durch dornenreiche Wege schlagen.

In einem Gutachten zweier Erlanger Professoren zu Grossmanns Buch heißt es: „Insgesamt entsteht ein plastisches Bild, das eine zu Unrecht verschollene Figur wieder in das kulturelle Gedächtnis zurückholt und über sie eine nicht weniger verschollene Epoche jüdisch-fränkischer Geschichte rekonstruiert.“

Das Buch: Karl-Heinz Grossmann: Würzburgs Mendelssohn: Leben und Werk des jüdischen Aufklärers Simon Höchheimer (1744–1828). Königshausen & Neumann, Würzburg 2011.

 
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