
Almaz Böhm wurde 1964 in Jijiga im ostafrikanischen Äthiopien geboren. Sie studierte Landwirtschaft und begann 1986 als Abteilungsleiterin und Viehzuchtexpertin für „Menschen für Menschen“ zu arbeiten. Dort lernte sie Karlheinz Böhm kennen, den sie 1991 heiratete und mit dem sie zwei Kinder hat: Nicolas (22) und Aida (19). Der österreichische Schauspieler Karlheinz Böhm (84) wurde bekannt an der Seite von Romy Schneider als Kaiser Franz Joseph in der Sissi-Trilogie. Nach einem Auftritt in der Sendung „Wetten, dass . . . !?“ gründete Böhm 1981 die Stiftung „Menschen für Menschen“. Almaz Böhm ist heute geschäftsführende Vorsitzende der Stiftung. Mit ihrer Familie lebt sie in Österreich.
Almaz Böhm: Auch wenn die Fortschritte, die Äthiopien auf den Skalen internationalen Entwicklungs-Statistiken macht, nicht riesig erscheinen mögen, so ist doch zumindest im urbanen Bereich ein deutliches Wirtschaftswachstum zu verzeichnen. In die entlegenen ländlichen Regionen dringen Wachstum und Fortschritt tatsächlich aber nur sehr langsam vor. Wenn man zum Beispiel die Projektgebiete bereist, in denen „Menschen für Menschen“ erst vor kurzem mit der Arbeit angefangen hat, dann erkennt man schnell, dass die Armut dort noch groß ist und dass in allen Lebensbereichen dringender Bedarf an Unterstützung besteht. Wie viel wir aber auch in solchen Gebieten zum Positiven verändern können, hat uns die Erfahrung der letzten 31 Jahre gezeigt: In Projektgebieten mit rund 4,6 Millionen Einwohnern haben wir eine Vielzahl an Maßnahmen erfolgreich umsetzen können. Die unbeschreibliche Freude der Männer, Frauen und Kinder über eine bessere Ernte, eine gelungene Augenoperation, einen neuen Brunnen, ein stabiles Schulgebäude, einen Kleinkredit und sogar auch über zusätzliches Wissen aus hauswirtschaftlichen Kursen oder über Methoden zur Empfängnisverhütung ist überwältigend und gibt mir jedes Jahr tausendfach Kraft und Hoffnung!
Böhm: Unserer Organisation ist es immer wichtig gewesen, eine breite Basis zu haben – und das nicht nur, weil wir dann aus vielen Quellen die nötige finanzielle Unterstützung bekommen. Als mein Mann Karlheinz Böhm 1981 „Menschen für Menschen“ gegründet hat, wollte er damit nicht nur praktische Hilfe in Äthiopien leisten, sondern in Europa auch eine Bewegung aus all den Leuten initiieren, die verstanden haben, dass die Beseitigung von Armut und die Schaffung sozialer Gerechtigkeit eine der Grundvoraussetzungen für internationale Stabilität und für das Wohl aller Menschen sind.
In diesem Sinne ermuntern wir interessierte Bürger und Bürgerinnen zur Gründung von sogenannten Arbeitskreisen, die dann auf lokaler Ebene und ehrenamtlicher Basis über die Situation in Äthiopien informieren, Bewusstsein für globale Zusammenhänge schaffen und mit unterschiedlichsten Aktionen Spenden für unsere Projekte sammeln.
Böhm: Das ist nur in seltenen Ausnahmefällen möglich, wenn wir für eine bestimmte Aufgabe keine einheimische Fachkraft finden können. Ansonsten gehört es zu den Grundprinzipien unserer Organisation, alle Stellen soweit wie möglich mit qualifizierten Äthiopiern und Äthiopierinnen zu besetzten; zurzeit kommen vor Ort nur fünf von 761 Angestellten aus dem Ausland. Aus Erfahrung sind wir überzeugt davon, dass dies die beste Strategie ist, weil wir damit Arbeitsplätze schaffen und die einheimischen Angestellten neben ihrer fachlichen Eignung vor allem auch die notwendigen Sprach- und Mentalitätskenntnisse mitbringen.
Böhm: Auch wenn in den vergangenen 30 Jahren auch in Äthiopien die Zeit nicht stehen geblieben ist und die Gleichberechtigung von Mann und Frau auch in der Verfassung verankert wurde, ist die Gesellschaft in den ländlichen Regionen trotzdem auch heute teilweise noch sehr stark patriarchalisch geprägt. Vielerorts wird die Bestimmung von Mädchen und Frauen immer noch darin gesehen, den Haushalt zu führen und Mann und Kinder zu versorgen. Eine Ausbildung oder ein eigenes Einkommen ist in der Lebensplanung weiblicher Familienmitglieder oft nicht vorgesehen. Mit vielen unserer Maßnahmen erleichtern wir vor allem den Mädchen und Frauen ihren Arbeitsalltag: Brunnen in Dorfnähe ersparen tägliche Fußmärsche mit schweren Behältern zu weit entfernten Wasserlöchern, geschlossene Lehmöfen verringern den Energieverbrauch und damit den Aufwand für das Sammeln von Brennholz. Die gewonnene Zeit und Energie kann für den Schulbesuch oder zur Teilnahme an Weiterbildungskursen genutzt werden. Viele Frauen bekommen dadurch auch erst die Chance, an einen Nebenerwerb zu denken und die Angebote unseres Kleinkreditprogramms zu nutzen.
Böhm: Dabei initiieren wir selbstständige Gruppen, deren Teilnehmerinnen kaufmännische Grundkenntnisse vermittelt bekommen und sich dann mit Hilfe eines Startkredits von Menschen für Menschen ein kleines Geschäft, ein Lokal oder einen Handel aufbauen können. Mit dem Gewinn zahlen sie den Kredit an die Gruppe zurück, die dann selbst entscheidet, wer als Nächstes Geld bekommen soll. 17 620 Frauen haben wir bislang damit zu einer eigenen Einkommensquelle und auch zu spürbar mehr Lebensqualität und Selbstbewusstsein verhelfen können. In Zukunft sollen es noch viele mehr werden!
Böhm: Armut ist das größte Hindernis für Entwicklung. Unser Ziel ist es deshalb, den Menschen in unseren Projektgebieten den Weg aus der Armut zu ebnen und gemeinsam mit ihnen eine Basis zu schaffen, von der aus sie sich dann ohne fremde Hilfe selbstständig weiterentwickeln können. Damit ein an den wirklichen Bedürfnissen orientierter und eigenverantwortlicher Entwicklungsprozess stattfinden kann, legen wir stets großen Wert darauf, dass die Bevölkerung von Anfang an in die Planung und Umsetzung aller Maßnahmen einbezogen wird. Nur so schafft man auch die Voraussetzung dafür, dass vermitteltes Wissen und aufgebaute Infrastrukturen nachhaltig genutzt werden, nachdem wir uns aus einem Projektgebiet zurückziehen.
Böhm: Für ein Land wie Äthiopien, das kaum über Rohstoffe verfügt und das mit der Qualität und den Preisen seiner Exportprodukte oft noch nicht auf dem Weltmarkt mithalten kann, wo es subventionierte Güter und Handelsbarrieren gibt, ist das nicht so einfach. Mein Mann hat deshalb vor vielen Jahren schon immer darauf hingewiesen, wie wichtig ein faires Weltwirtschaftssystem und Investitionen von Unternehmen für die sogenannten Entwicklungsländer wären. Auch hier findet inzwischen ein globaler Umdenkungsprozess statt, aber die Ergebnisse reichen noch längst nicht aus, um die Arbeit von Hilfsorganisationen überflüssig zu machen.
Böhm: Die beste Garantie haben wir dadurch, dass wir keine Gelder an Dritte geben, sondern alle Mittel mit unseren eigenen Teams komplett selbst verwalten. Deren Arbeit wiederum wird sowohl in Äthiopien als auch in Europa von externen Wirtschaftsprüfern kontrolliert. In Europa unterziehen wir uns zusätzlich der Überprüfung durch Stiftungsaufsichtsbehörden, Finanzamt und Institute, die die Vertrauenswürdigkeit von Hilfsorganisationen bescheinigen. Das DZI-Spendensiegel erhalten wir seitdem es existiert alljährlich, und der Transparenzpreis der Wirtschaftsprüfergesellschaft PriceWaterhouseCoopers war eine weitere erfreuliche Bestätigung.
Böhm: Als Äthiopierin komme ich aus einer Gesellschaft, in der noch nicht alle Bereiche des täglichen Lebens durch den Staat geregelt sind. Es gibt zum Beispiel kaum Absicherungen im Falle von Alter, Krankheit oder Arbeitslosigkeit. Um auch in besonders schwierigen Zeiten überleben zu können, sind die Menschen auf familiäre und nachbarschaftliche Solidarität angewiesen und müssen auch ihren eigenen Beitrag dazu leisten. Mit diesem Zusammenhalt, der Bereitschaft, miteinander zu teilen, füreinander da zu sein und gemeinschaftlich etwas vorwärtszubringen, lässt sich vieles bewältigen. Genauso wie mein Mann bin ich felsenfest davon überzeugt, dass jeder und jede Einzelne in Europa etwas tun kann, um Missstände zu beheben. Unsere Organisation ist das beste Beispiel dafür: Wir erwarten von niemandem ein großes Opfer, aber weil viele Menschen uns unterstützen, so gut sie eben können, haben wir gemeinsam schon viel erreicht. Jeder Beitrag zählt!
Böhm: Die Stadt Würzburg gehört schon lange zu den besonders treuen und aktiven Wegbegleitern unserer Arbeit. Mithilfe der engagierten Berichterstattung der Main-Post im Rahmen von Leser-Aktionen kam zum Beispiel schon so viel Geld zusammen, dass eine Krankenstation und eine Schule damit finanziert werden konnten. Es war die 100. Schule, die Menschen für Menschen gebaut hat und dass ein Redaktionsmitglied die Eröffnung miterleben konnte, hat uns ganz besonders gefreut! Und durch den großartigen, ideenreichen Einsatz bei der bundesweiten Städtewette-Aktion 2011 haben die Einwohner von Würzburg dazu beigetragen, dass eine weitere Schule gebaut werden kann. Mit diesen und vielen anderen Aktivitäten haben die Bürgerinnen und Bürger Ihrer Stadt sehr viele Zeichen der Solidarität gesetzt, für die ich ihnen stellvertretend für meine äthiopischen Landsleute wirklich von Herzen dankbar bin!
Preis für bürgerschaftliches Engagement: Zeichen setzen
Vier Förderpreise sind 2012 im Rahmen der Aktion „Zeichen setzen“ ausgeschrieben. Die Mediengruppe Main-Post und das Lernwerk Volkersberg würdigen mit dieser Aktion seit zehn Jahren bürgerschaftliches Engagement.
Den ersten Preis, 3000 Euro, stiftet seit 2004 die Fürstlich Castell'sche Bank. Zu gewinnen sind auch Sonderpreise der Main-Post mit 1000 und des Lernwerk Volkersberg mit 500 Euro. Die Bürgerstiftung der VR-Bank Würzburg beteiligt sich wieder an der Aktion – mit einem Förderpreis von 1500 Euro, speziell für bürgerschaftliches Engagement im Raum Würzburg.
Die Preisübergabe ist bei einem Ehrenabend mit der diesjährigen Patin, Almaz Böhm, am 30. November 2012 in Würzburg.
Zum zehnjährigen Bestehen der Aktion Zeichen setzen wurden auch jene Initiativen erneut in die Jury-Wertung einbezogen, die schon einmal in der Serie vorgestellt wurden und sich erneut beworben haben. In der Jury sind Vertreter der Veranstalter, von Verbänden und sozialen Einrichtungen sowie aus der Wissenschaft und der Politik.
Auch im kommenden Jahr wird die Aktion fortgesetzt. Bewerbungen für die Förderpreise und einen Zeitungsbeitrag richten Sie bitte an:
Main-Post GmbH & Co. KG
Berner Straße 2; 97084 Würzburg
Ihre Ansprechpartner:
Ute Schlichting (09 31) 60 01 - 382
Gerlinde Hartel (09 31) 60 01 - 347
Ludwig Sanhüter (09 31) 60 01 - 573
Fax: (09 31) 60 01 - 346
E-Mail: zeichensetzen@mainpost.de
Lernwerk Volkersberg
Volkersberg 1
97769 Bad Brückenau
Ihre Ansprechpartnerin:
Martina Reinwald (0 97 41) 91 32 90
E-Mail: zeichensetzen@volkersberg.de
ONLINE-TIPP
Informationen rund um die Aktion „Zeichen setzen“, die Bewerbung, die Kriterien für die Preisvergabe sowie bereits erschienene Beiträge finden Sie im Internet unter
www.mainpost.de/zeichensetzen www.lernwerk.volkersberg.de