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WÜRZBURG
Demo: Mit Kuchenrezepten gegen Pegida
Wieder einmal haben sich Hunderte Würzburger getroffen, um sich für ein solidarisches Miteinander stark zu machen. Kabarettist Andy Sauerwein hatte für die Flüchtlingshelfer auch den ein oder anderen Tipp parat.
Unter dem Motto 'Solidarität ist stärker als Hass' zogen am Faschingssamstag rund 300 Menschen durch die Innenstadt.
Foto: Daniel Peter
Meike Schmid
Meike Schmid
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:39 Uhr
„Helau?“ Leicht verwirrt blickt der ältere Herr auf den vorbeiziehenden Zug von Menschen. Zaghaft ruft er den -für diesen Tag typischen - Gruß. Gerade noch sind Hunderte von kostümierten Kinder mit Musik und Tanz durch die Stadt gelaufen, jetzt marschiert wieder eine große Gruppe die Straßenbahnschienen entlang, hält bunte Schilder in die Luft und macht Lärm. Doch statt der typischen Narrenrufe, hört man Sätze wie „Nationalismus raus aus den Köpfen“ oder „Kein Mensch ist illegal, Bleiberecht überall“.
 
„Das sind die Guten“, erklärt eine Mutter ihrem als Zebra verkleideten Sohn den Demonstrationszug in der Schönbornstraße. Rund 300 Würzburger sind wieder einmal dem Aufruf der Initiative „Würzburg lebt Respekt – Kein Platz für Rassismus“ gefolgt und für mehr Solidarität und Menschlichkeit auf die Straße gegangen. Dieses Mal mit einer guten Portion Humor.
 
„Mein Kotzstrahl reicht mittlerweile bis nach München“. Andy Sauerwein steht auf einem kleinen Holzpodest vor der Stadtbücherei. Es ist Wochenende, die Sonne scheint mit voller Kraft, der Himmel strahlt in einem hellen Blau – und doch ist der Würzburger Kabarettist alles andere als gut gelaunt. „Menschen wie Horst Seehofer vergiften die Stimmung und sind Brandstifter“, sagt Sauerwein bei der Abschlusskundgebung und bekommt dafür tosenden Applaus. Während zeitgleich beim europaweiten Aktionstag der islam- und fremdenfeindlichen Bewegung Pegida die Schließung der Grenzen gefordert wird, erklären die unterfränkischen Demonstranten die „Obergrenze“ zum Unwort.
 
„Wir sind 80 Millionen Einwohner hier und Horst Seehofer pisst sich auf, wenn eine Millionen Menschen hierherkommen“, macht Sauerwein seinem Ärger Luft. Wie absurd er die Idee einer Obergrenze findet, verdeutlicht der Sprachkünstler mit einem einfachen Beispiel:  „Habt ihr es schon mal erlebt, dass ihr in einem Bus mit 80 Leuten sitzt, es kommt einer mehr rein und der Busfahrer steht auf und sagt:‚Ne da fahr ich nicht, das wird mir zu voll’?“
 
Solidarität ist stärker als Hass – das Motto der Demonstration wird während des Marschs vom Hauptbahnhof zum Marktplatz und der dort stattfindenden Kundgebung nach und nach mit Leben gefüllt. Immer wieder bleiben Passanten stehen und hören den vier Rednern zu, die sich kaum kurz fassen können und wollen.
 
„Das, was ich alles zu erzählen habe, könnte locker zwei Stunden füllen“, stellt Vera Hoxa von der mobilen Flüchtlingshilfe direkt zu Anfang klar. Die 37-Jährige hat das Projekt gemeinsam mit zwei Freunden ins Leben gerufen und ist selbst bei einigen Hilfsfahrten zu den Flüchtlingsrouten entlang der europäischen Grenzen dabei gewesen. Die Bilder der hilflosen und entkräfteten Menschen bleiben in ihrem Kopf, sagt Hoxa. Genauso wie die große Dankbarkeit der Geflüchteten für jede Tasse Tee und jede Schüssel Suppe. Daher könne sie nicht anders, als alle dazu aufzufordern, in irgendeiner Weise zu helfen: „Wir sind so ein reiches Land und haben die Verantwortung, diese Menschen zu unterstützen!“
 
Das sieht Linken-Politikerin Simone Barrientos genauso. „Solange wir auf Kosten der restlichen Welt leben, haben wir die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, jeden, der hierherkommt, aufzunehmen.“ Denn die Gründe für die Flucht vieler Menschen liegen ihrer Meinung nach in einer wirtschaftlichen Missverteilung und einem Egoismus der „so genannten ersten Welt.“ Es sei nun wichtig, die Geflüchteten hier willkommen zu hießen und ihnen unsere Werte mitzugeben. Denn, so schließt Barrientos ihre Rede ab, wenn diese Menschen in ihre Heimat zurückgehen und dort die Länder wieder aufbauen, liege es an uns, wie und nach welchen Wertvorstellungen sie es machen. „Wir geben den Menschen das Rüstzeug für ein besseres Leben in ihrer Heimat.“
 
Die Überzeugung, die Motivation, die Werte – immer wieder werden diese drei Worte während der Kundgebung auf dem Markplatz betont. Sehr viele junge Leute haben sich der Demonstration angeschlossen, auch einige Flüchtlinge, die mittlerweile in Würzburg leben. Während vorne am Pult die Reden weitergehen, müssen sich einige Teilnehmer in den hinteren Reihen für ihr Auftreten rechtfertigen. Immer wieder müssen sie sich Sätze wie „Ihr habt doch alle keine Ahnung“, „Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt“ oder „Die wollen nur unser Geld“ von meist älteren Passanten anhören. Manche beginnen eine Diskussion, andere hören über die Vorwürfe hinweg.
 
„Ihr müsst euch nicht rechtfertigen, ihr seid für mich ein ganz großes Hoffnungszeichen in unserer Gesellschaft“, ruft Hochschulpfarrer Burkard Hose den Flüchtlingshelfern unterstützend zu. Noch nie habe Würzburg so viele Menschen gehabt, die beständig helfen. „Humanität ist ein Wert, den es zu schützen gilt“, betont Hose.
 
Und wenn man doch immer wieder angefeindet wird? Dann könnte man es wie Kabarettist Andy Sauerwein halten. Der verrät abschließend ganz genau, wie man mit wütenden und hetzenden Kritikern im Internet umgeht: Einfach hinter jeden Meinungsbeitrag ein Kuchenrezept schreiben. Das sieht in der Praxis laut Sauerwein dann folgendermaßen aus: „Einfach mal schreiben, hallo Pegida-Peter, der sagt, ‚alle abknallen und dann nach Hause gehen lassen’. Vielleicht bekommst du ja das gebacken: Schokoapfelkuchen.“
 

"Mein Kotzstrahl reicht mittlerweile bis nach München!" Kabarettist Andy Sauerwein nimmt bei der Solidaritäts-Demonstration in der Innenstadt kein Blatt vor den Mund - und verrät auch noch, wie man Hasskommentaren auf Facebook entgegentritt: mit Kuchenrezepten!Video: Meike Rost I Artikel: www.mainpost.de/9114725

Posted by Main-Post Redaktion Würzburg on Samstag, 6. Februar 2016
 
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