u dumme Gans? Mit diesem Spruch tut man oft Unrecht. Vor allem dem Tier. Denn in Wirklichkeit sind Gänse weder dumm, noch haben sie in der Geschichte eine dumme Rolle gespielt. Ganz im Gegenteil: Im alten Rom war die Gans der Begleiter des Kriegsgottes Mars, die Tiere sollen durch ihre Aufmerksamkeit und ihr Geschnatter die Stadt sogar mal vor einem Überfall bewahrt haben. Und im germanischen Denken war die Gans Symboltier des Gottes Wotan.
Seit Martini, dem Start in die Zeit der Narren, wandern die Tiere wieder in die Bratröhren. Die Gans ist das traditionelle Weihnachtsessen - es gibt Studien, die sagen, dass in etwa zwei Dritteln der deutschen Haushalte an Weihnachten ein Gänsebraten auf den Tisch kommt. Damit die Gans ganz lecker schmeckt, "ist Frische das A und O", meint Guido Prößl, Küchenchef im Gasthaus "Zum Löwen" in Erlabrunn (Lkr. Würzburg), einem Haus, das seine Mutter, Helga Stumpf, in dritter Generation in Familienbesitz führt. Prößls Gänse sind weit über die Ortsgrenzen hinaus bekannt, und wenn er von frischen Gänsen spricht, meint er nicht zu allererst den Rohzustand - sondern die Zubereitung: "So ein aufgewärmter Vogel" sei zwar einfacher und schneller auf den Tisch zu bringen, "hat aber allenfalls noch die halbe Qualität".
Was natürlich nicht bedeutet, dass er tiefgefrorene Gänse brät. Prößl bekommt frische, von einem Züchter aus dem Steigerwald, dem er stets die ganze Zucht abkauft. 200 Gänse verarbeitet Prößl jedes Jahr von November bis Weihnachten, und seine Quelle will er vor allem aus einem Grund nicht preisgeben: "Es gibt so wenige gute Gänse-Züchter und so viel Nachfrage."
Prößl ist vorbelastet. Er hat in der "Waldesruh" gelernt, beim 2002 gestorbenen Dieter Hahn, dem Gänse-Guru von Würzburg und Umgebung. Dann ging Prößl auf Wanderschaft. Er kochte im "Tantris" in München und bei Drei-Sterne-Koch Harald Wohlfahrt in der "Traube Tonbach" in Baiersbronn. "In die Sterne-Restaurants geht man, um zu lernen." Auf Dauer aber war das nichts für ihn, "man muss von früh bis spät hart arbeiten und verdient nix dabei".
Also ging er zurück nach Erlabrunn, wo er das Gelernte "einfließen lassen will" - in einem betriebswirtschaftlich vertretbaren Rahmen. Dass das Federvieh traditionell genau ab dem 11. November in die Röhren geschoben wird, liegt an Zweierlei. Zum einen natürlich an Sankt Martin: Die Legenden sagen, dass die Bewohner des Städtchens Tours Martin als Nachfolger des verstorbenen Bischofs auserwählt hatten. Weil er sich dieses Amtes für unwürdig hielt, versteckte Martin sich in einem Gänsestall. Durch das Geschnatter der Viecher wurde er verraten: Man fand ihn - er musste Bischof werden. Eine andere Legende besagt, dass die Gänse mit ihrem lauten Schnattern eine seine Predigten gestört haben. Wie dem auch sei: Martin nahm den Tieren ihr Geschrei offenbar recht übel: Seitdem kommen sie als knusprige Braten auf den Tisch.
Mit dem 11. November beginnen die 40 Tage vorweihnachtliche Fastenzeit. Früher war der Martinstag der Termin für Pachtzahlungen, die auch in Form einer Gans geleistet wurden. Zugleich war der Tag eine Art Kündigungstermin: Gesinde wurde entlassen und mit einer Gans beschenkt, Mägde und Knechte wurden neu eingestellt.
"Auf dem Land", sagt Prößl, "war die Gans früher eine Währung." Mit ihren Federn wurden Kissen und Betten gefüllt, dem beim Braten austretenden Schmalz wurden Heilkräfte nachgesagt gegen Gicht, und das Blut sollte gegen Fieber helfen. Gar als Wundermittel gegen Epilepsie galt eine Feder vom linken Flügel: Sie musste verbrannt, mit Wein gemixt und getrunken werden.
Heute soll die Gans vor allem eines: schmecken. Die große Mehrheit, die hierzulande auf den Tisch kommt, war tiefgefroren und stammt aus Polen oder Ungarn. "Grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden", meint Prößl. Egal, ob frisch oder tiefgefroren, eines ist wirklich wichtig: "Die Gans sollte auf keinen Fall zu mager sein, sonst wird der Vogel später furztrocken." Ohne Innereien sollte sie etwa vier Kilo wiegen.
Bei einer tiefgefrorenen Gans sollte "natürlich darauf geachtet werden, dass die Verpackung unbeschädigt ist, durch Beschädigungen kann es zu Gefrierbrand kommen", meint Prößl - dann wird aus der Gans ganz schnell ein Gummi-Adler. Außerdem sollten keine Eiskristalle in der Packung sein: "Das deutet auf schlechte Lagerung hin und mindert die Qualität stark". Tiefgefrorenes Geflügel sollte möglichst langsam auftauen, am besten im Kühlschrank. Aber Obacht: "Man darf die Auftauzeit nicht vergessen. Im Kühlschrank bei vier Grad kann das schon zwei, drei Tage dauern."
Wenn man mal die Chance hat, an eine frische Gans zu kommen, sollte man vor allem darauf achten, dass "die Haut schön hell ist, marzipanweiß ohne Federreste oder Flecken". Ist sie dunkel und schon leicht rötlich, handelt es sich um ein älteres (und später nicht sehr zartes) Tier. Die Brust sollte fleischig und nicht eingefallen sein, außerdem sollte der Brustbeinfortsatz elastisch sein und leicht zu biegen: Auch das spricht für ein junges Tier, bei "einem älteren verknöchern die Knorpel und sind nicht mehr biegsam", sagt Prößl.
Schuld daran, dass die Gans eine Karriere als das Weihnachtsessen gemacht hat, ist eine englische Königin, angeblich. Elisabeth I. (1533 bis 1603), so die Überlieferung, verspeiste an Heilig Abend gerade eine Gans, als sie die Nachricht erhielt, die spanische Armada sei bezwungen. Entsprechend aufgewertet und populär wurde der Festschmaus (ein Gänse-Rezept von Guido Prößl finden Sie rechts auf dieser Seite).

