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SCHWEINFURT
Das Universum der Ukulele
Vertraute und immer wieder willkommene Gäste: Das Ukulele Orchestra of Great Britain, hier bei seinem ersten Auftritt in Schweinfurt im Oktober 2010.
Foto: Laszlo Ruppert | Vertraute und immer wieder willkommene Gäste: Das Ukulele Orchestra of Great Britain, hier bei seinem ersten Auftritt in Schweinfurt im Oktober 2010.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 26.04.2023 23:14 Uhr

Jede Gattung hat ihre Götter. Die Pianisten haben Horowitz, die Geiger Menuhin. Die Cellisten haben Casals und die Sänger die Callas. Die Ukulele-Spieler haben Marilyn Monroe. Die ist vielleicht nicht so sehr durch ihre instrumentalen Fähigkeiten aufgefallen, aber als Schirmherrin für das Ukulele Orchestra of Great Britain taugt sie allemal, schließlich hat sie die viersaitige Minigitarre in Billy Wilders „Manche mögen's heiß“ unsterblich gemacht.

Die Ukes eröffnen deshalb ihre Konzerte in aller Regel mit „Running Wild“ aus ebenjenem Film, so auch ihren inzwischen vierten Auftritt – diesmal siebenköpfig ohne George Hinchliffe – vor restlos ausverkauftem Haus im Schweinfurter Theater. Die Frau für die Blondinen ist beim UOGB Kitty Lux, Gründungsmitglied und Chefin des Ensembles. Wobei Kitty Lux den Song – wie alle Songs, die sie singt – mal eben schockfrostet. Ihr Markenzeichen ist das rote Haarband mit Schleife, ihre Ausstrahlung dezidiert unterkühlt. Nancy Sinatras (noch so eine Blondine) „Bang Bang“ sagt sie mit unbewegter Miene so an: „Und nun eine dieser alltäglichen Geschichten über Liebe und Mord.“

Die Auftritte des Ukulele Orchestra of Great Britain sind mit das Verlässlichste, was man im Bereich Entertainment bekommen kann: hinreißend komisch, mitreißend musikalisch und sehr, sehr sympathisch. Die Instrumente in allen Größen vom (angeblichen) Bleistiftspitzer bis zur volltönenen Bassversion erlauben musikalisch alles, vom Western-Klassiker aus „Zwei glorreiche Halunken“ über gruselige Quentin-Tarantino-Klänge, Nirvanas „Smells like Teen Spirit“ (ordentlich Pathos von Peter Brooke Turner und langhaariges Moshen von Dave Suich inklusive), die wunderbare Version von Wheatus' „Teenage Dirtbag“, die Hester Goodman mit ihrer unverwechselbar subkutanen Ironie singt, bis hin zu aktuellen Hits wie Pharrell Williams' „Happy“, den Richie Williams als besonders trauriges Lied ankündigt oder „Get Lucky“ von Daft Punk, das sie so schlüssig in Gackern ausufern lassen, dass sogar Kitty Lux lachen muss.

Den Song „Kiss“ haben sie übrigens schon mal an einer Universität „formerly known as Princeton“ gesungen. Adeles „Rolling in the Deep“ kündigen sie als Song einer Londoner Ukulele-Spielerin an, und den „Limehouse Blues“ spielen sie in einer speziellen Londoner Version – mit 32 statt der üblichen zwölf Takte des Blues-Schemas. Wobei das englische Wort für „Takt“ „Bar“ lautet.

Die Wortspielereien der Anmoderationen sind ein wesentlicher Teil des Vergnügens. So sagt Bassspieler und Kunstpfeifer Jonty Bankes eine Nummer umständlich in ausgezeichnetem Deutsch als Lied über ein Mutterschaf an – englisch „Ewe“, gesprochen wie „You“. Mitdenker hätten draufkommen können: Es erklingt eine ganz besonders leidenschaftliche Version von „Only You“ der Platters.

Sehr sicher wandeln sie auf dem schmalen Grat zwischen Würdigung und Parodie, keinen der Songs geben sie der Lächerlichkeit preis, auch wenn sie schon mal ein bisschen übertreiben. So bricht Will Grove-White an der Stelle von „Psycho Killer“, an der David Byrne einst hörbar seine Stimme überforderte, in steinerweichendes Wolfsgeheul aus.

Oft aber tritt der gegenteilige Effekt ein: Bei manchen Charthits merkt man erst, wie gut sie wirklich sind, wenn man sie so hört: musikantisch, fetzig, spontan und ohne den ganzen akustischen Zuckerguss der überproduzierten Studioaufnahmen. Zum Schluss also wie immer Standing Ovations. Die Ukes bedanken sich mit einem ihrer typischen Songzwitter: „Wild Thing“, das sich nach ein paar Takten als „Je t'aime … moi non plus“ (hier das Video) entpuppt – ein weiterer Einsatz für Kitty Lux.

 
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