Im Mai hat Christian Kreppel die Spielzeit 2015/2016 des Theaters der Stadt Schweinfurt vorgestellt. Zeit also für das alljährliche Interview mit dem Theaterleiter, das zehnte übrigens. Das Programm ist eine Mischung aus Neuentdeckungen und Wiedersehen mit alten Bekannten – Gerhard Polt etwa, der in einer Inszenierung der Münchner Kammerspiele mit den Well-Brüdern und dem Stück „Ekzem Homo“ zu Gast ist.
Christian Kreppel: (lacht) Das ist genau die Frage, mit der ich nicht gerechnet habe. Natürlich ist einem das bewusst, aber man macht deshalb nicht unbedingt etwas anders. Es gibt ohnehin keine völlige Freiheit bei der Gestaltung. Das Programm soll auch nie zu 100 Prozent meinen persönlichen Geschmack widerspiegeln, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Außerdem sind die Möglichkeiten oft die gleichen. Aber natürlich suche ich immer wieder nach neuen Partnern oder solchen, die schon länger nicht mehr da waren. Das Residenztheater München zum Beispiel. Die waren 2009 das letzte Mal da. Bei denen gab es einige Änderungen – da muss man dann viermal nach München fahren, um ein neues Vertrauensverhältnis aufzubauen. Jetzt kommen sie mit Harold Pinters „Hausmeister“. Aber was mich dennoch für die Geburtstagssaison freut, da ich selbst ja aus einem Opernhaushalt stamme: dass so viele Gesangsbestandteile geklappt haben. Da muss man aber auch einfach Glück haben.
Kreppel: Ja, einmal, 1973. Draußen im Gang hängt das Bild mit Heinz Rühmann. Das war das einzige Mal, dass Heinz Rühmann hier war. Und dann ausgerechnet in der Rolle des Landstreichers beziehungsweise Hausmeisters. Das war rappelvoll ausverkauft, aber man kannte Rühmann ja als liebenswerten, jugendlichen Charakter, und dann kommt er da abgerissen und mit Bartstoppeln. Das muss schon ein Aha-Erlebnis gewesen sein. Günther Fuhrmann hat die Geschichte gern erzählt.
Kreppel: Das stimmt – einerseits läuft die Spielzeit ja noch, und wir haben noch ein paar schöne Sachen vor uns, andererseits nimmt der übernächste Spielplan schon Form an. Ein besonderer Spielplan, schließlich wird es die 50. Saison des Theaters sein. Andererseits: Wir versuchen jede Saison unser Bestes zu geben, also, was will man dann noch? Aber ein paar Ideen wird es schon geben. Vielleicht ein paar Titel aus dem Schauspiel oder aus der Oper, die lange nicht zu sehen waren. Aber ansonsten ist es die immer gleiche Suche nach einem möglichst qualitätvollen, inhaltlich reichen Spielplan.
Kreppel: Die Vorgabe ist ja die Demografie, und dieser Prozess hat gerade erst begonnen: Wir werden alle älter. Und das betrifft Schweinfurt ganz besonders. Wir haben aus dem Stand zu den beiden fast ausabonnierten Mieten 150 Abonnenten gewonnen, und von den vier Veranstaltungen kamen bei dreien durch den Freiverkauf immer 550 Besucher dazu. Also das wird funktionieren. Was ganz lustig ist: Wir hatten ein bisschen die Hoffnung, dass es eine Verteilung auf alle drei Abos gibt. Aber das findet nicht statt. Man bleibt seinem angestammten Abo eisern treu.
Kreppel: Nein, wir hätten das damals doppelt und dreifach machen können. Da gab es so viele Anfragen, dass wir jetzt gerne reagiert haben. Ich wiederhole sonst sehr selten Veranstaltungen, aber alle drei sind wirklich sehr qualitätvoll. Und die Familie Malente kommt ohnehin mit einem neuen Programm: „American Way of Schlager“. Ihre verfremdeten Hommages sind mit soviel Ernst und Hintersinn gemacht, das ist viel mehr als Comedy.
Kreppel: Oder drei Stunden. Die Antwort ist mehrschichtig: Die digitalen Möglichkeiten, die sich noch verstärken werden, die sind zwar verfügbar, aber was davon dauerhaft übrigbleibt, ist völlig offen. Ich höre immer wieder gerade von jungen Leuten, etwa wenn sie mit der Schule da sind, wie beeindruckend sie das Erlebnis finden, dass da echte Menschen auf der Bühne agieren – zwei Stunden „Medea“ etwa, ein zweieinhalbtausend Jahre alter Text. Echtes Leben, analoges Leben. Und die ganze digitale Welt wäre nichts ohne die Vorgaben, die das Theater macht. Hier finden doch all die Auseinandersetzungen statt. Und gerade bei Facebook kann man sehen, dass das Theater für sehr viele Menschen ein Thema ist. Das Sprechtheater ist bewusst eine Gegenwelt. Ein Angebot, das Zuhören nicht zu verlernen. Die Aufmerksamkeitsspannen werden immer kürzer. Das ist das Problem der Schulen, und das ist das Problem der großen Feuilletons.
Kreppel: Ja, auch wir sind auf Facebook präsent. Unser E-Mail-Newsletter-Verteiler ist von 400 auf 1800 Adressen angewachsen. In der klassischen Musik gibt es viele interessante Projekte, bei denen digitale Möglichkeiten genutzt werden – im Netz und auf der Bühne. Die klassische Musik, vor allem die Kammermusik, hat Probleme, vor allem in den Großstädten. Auch das Musiktheater schwächelt, deutschlandweit gesehen. Beides glücklicherweise nicht bei uns. Musical und Operette sind immer voll. Auch bei der Oper sind wir zufrieden. Als das Quatuor Ebene da war, habe ich zu den Musikern gesagt, leider nicht ausverkauft, nur an die 580 Besucher. Da haben die geantwortet, was fast 580 Leute? Wir spielen in Großstädten vor 180 Besuchern.
Kreppel: Die Zahlen haben sich stabilisiert, aber natürlich ist da Luft nach oben. Und es freut mich riesig, wenn ein Stück wie „Medea“ gut läuft. Man muss auch eines sehen: Wir haben pro Saison über 20 Sprechtheater-Produktionen. Das ist wahnsinnig viel. Ein Vorteil des Gastspielsystems. Wir können in jeder Spielzeit alles abdecken, von der Antike bis zur Gegenwart. Vergleichbare Ensemblehäuser schaffen vielleicht fünf Premieren, plus ein, zwei Wiederaufnahmen.
Kreppel: Das stimmt. Ich bin ein Verfechter der klassischen Genres. Aber Crossover kann schon mal spannend sein – andere Farben, andere Sehgewohnheiten und neues Publikum.
Kreppel: Wir pflegen gutnachbarschaftlichen Kontakt. Wenn wir merken, eine Agentur bietet uns beiden eine Veranstaltung an, stimmen wir uns ab. Im kommenden Nachsommer kommt zum Beispiel das Duo „Igudesman & Joo“, an dem ich drei Jahre lang dran war. Und dann habe ich sie doch nicht untergebracht. „360° Adrenalin“ wiederum könnte der Nachsommer nicht machen, weil er die Bühnentechnik nicht hat.
Kreppel: Das ist auch bewusst so. Ich habe da ja schon einiges gemacht – von „Buddenbrooks“ bis „Schachnovelle“, „Steppenwolf“ und „Hiob“. Das ist unterdessen fast ein eigenes Genre geworden. Es wird so gut wie alles dramatisiert. Aber derzeit suche ich lieber Originalstücke.
Kreppel: Kürzlich bin ich richtig erschrocken: Ich habe mich mit Dreißigjährigen unterhalten, die kannten Günter Grass nicht. Deshalb erst recht: Gut, dass das Stück kommt. Ich bin sehr gespannt, wie das Alte Schauspielhaus Stuttgart das löst.
Kreppel: Der Film hat mich persönlich sehr berührt. Das ist ein Erfolgsstück, das Tournee-Theater Thespiskarren Hannover ist auf der zweiten Tournee unterwegs und hat schon über 100 Vorstellungen gespielt. Das Thema Behinderung oder besser: Beeinträchtigung, das interessiert die Menschen. Da lassen sie sich gerne drauf ein. Das wird man übrigens immer wieder in meinen Programmen finden: Stücke, die sich mit Beeinträchtigung beschäftigen.
Kreppel: Ja natürlich. Einer mit viel Dankbarkeit. Für seine Liebe zur Musik, seine Ernsthaftigkeit und auch seine Freundlichkeit. Er kennt die Konzertsäle der ganzen Welt und ist immer gerne nach Schweinfurt gekommen, das rechne ich ihm hoch an. Aber wir sind auch sehr, sehr gespannt, wer danach kommt. Ich habe aber auch schon überlegt, wie wir später mal wieder an Jonathan Nott rankommen könnten. Und da war ich bei der 40-Jahr-Feier der Jungen Deutschen Philharmonie in Frankfurt. Und wer ist dort jetzt Gastdirigent geworden? Jonathan Nott. Also warten wir mal 2016/2017 ab. . .
Kreppel: Das ist bewusst so geplant und abgesprochen. Was viele Leute nicht wissen, die Nott mit den großen sinfonischen Programmen erleben: Er ist ein ausgewiesener Spezialist für moderne und zeitgenössische Musik. Es ist mir sehr wichtig, dass immer auch unbekanntere und moderne Stücke in den Konzertabos auftauchen – auch gegen Widerstände hier im Haus. Dabei ist vielen Besuchern gar nicht klar, dass etliche dieser „modernen Komponisten“ ja schon 80 und mehr Jahre tot sind. Die Bamberger haben übrigens ein extrem spannendes Projekt aufgelegt: Sie haben 40 Komponisten mit Zugaben beauftragt.
Kreppel: Die haben sie ohnehin schon aufgeweicht. In dieser Spielzeit hat es auch schon zwei Zugaben gegeben.
Kreppel: Ich glaube, sie haben sich umbenannt, weil beim Stichwort „fränkisch“ viele potenzielle Abnehmer an ein Mundarttheater gedacht und sich gar nicht erst gemeldet haben. Für die Zusammenarbeit mit den Maßbachern bin ich auch sehr dankbar, da gibt es im Moment viele neue Impulse. Max Frischs „Andorra“ wird sicher interessant. Und die Kinder- und Jugendstücke sind generell immer super.
Abos für die Spielzeit 2015/2016 ab 27. Juni
Die Einschreibung für Neuabonnenten findet am Samstag, 27. Juni, von 9.30 bis 12.30 Uhr und von Montag, 29. Juni, bis Freitag, 3. Juli, jeweils von 9.30 bis 12.30 Uhr und 14 bis 17 Uhr (nicht am Freitagnachmittag) im Foyer des Theaters statt. Telefonische Anmeldungen für Neuabonnenten sind ab Montag, 29. Juni, während der angegebenen Öffnungszeiten im Theater möglich, unter Tel. (0 97 21) 51 49 52. Schriftliche Anmeldungen werden ab Montag, 29. Juni, bearbeitet. Weitere Abo-Bearbeitung nach der Einschreibe-Meldefrist unter Tel. (0 97 21) 51 49 52, Fax (0 97 21) 51 49 56.
Man hat die Wahl aus 16 Abo-Ringen: vier Konzert-Abonnements (Konzertmiete I mit 9 Veranstaltungen, Konzertmiete II mit 6 Veranstaltungen, Konzertmiete I „Foyer“ mit 9 Veranstaltungen im Großen Haus und 5 Veranstaltungen im Foyer und der Foyer-Konzertmiete mit „nur“ 5 Veranstaltungen im Foyer), zwei Schauspielmieten (je 9 Vorstellungen), vier Gemischten Abos (je 10 Vorstellungen), dem Dritten Programm (9 Vorstellungen), zwei Tanz-Abos (je 6 Vorstellungen) und drei Senioren-Mieten (je 4 Vorstellungen). FOTO: Laszlo Ruppert