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ZEIL AM MAIN
Das große Summen
Die Bienen: Imkerin Renate Hau ist fasziniert von ihrem Beruf. Und für Selbstversorger wird das kleinste Haustier zunehmend interessant.
Fleißige Haustiere: Die Bienen gehören zu den ältesten Nutztieren des Menschen. Sie versorgen uns mit allerlei Gesundem und sind wichtige Bestäuber.
Foto: Angelika Becker | Fleißige Haustiere: Die Bienen gehören zu den ältesten Nutztieren des Menschen. Sie versorgen uns mit allerlei Gesundem und sind wichtige Bestäuber.
Von unserem Redaktionsmitglied Angelika Becker
 |  aktualisiert: 27.04.2023 01:04 Uhr

Ich könnte dem Summen ewig zuhören. Das ist so beruhigend“, sagt Renate Haus. Sie ist Imkerin und Kräuterpädagogin. Es ist der erste warme Frühlingstag und ihre Bienen am Waldrand oberhalb von Zeil am Main (Lkr. Haßberge) tummeln sich vor den Stöcken. An den Fluglöchern ist ein rastloses Anfliegen und Starten. Die Ankommenden haben dicke gelbe Pollenhöschen.

Etwa 20 Völker stehen hier. Die Hunderttausende Bienen haben offensichtlich auf den Moment gewartet, in dem Sonne und mildes Wetter die Blüten von Bäumen, Sträuchern und Blumen aufspringen ließen. Und nun hält sie nichts zurück. Wir schauen zu, wie sie Pollen und Nektar unermüdlich herbeischleppen. Faszinierend, das Treiben zu beobachten. Voller Achtung vor der Leistung der Tiere erzählt die Imkerin von den Entwicklungsphasen im kurzen Leben der Arbeitsbienen, von ihren Fähigkeiten zur Kommunikation, von ihrer Bedeutung als Bestäuber. „Imker ist ein wunderschöner Beruf“, sagt Renate Hau strahlend und die Bienenfiguren an ihren Ohrsteckern blitzen in der Sonne.

Das Gewimmel vor den Fluglöchern trügt ein wenig. „Die Bienen sind jetzt im Frühling ganz ruhig“, sagt Renate Hau. Im Sommer, wenn ein Gewitter naht, werden sie unruhig und später im Jahr, wenn die Imkerin ihnen den letzten Honig nimmt. „Oder wenn ich einen fremden Geruch mitbringe.“ Sie hat eine enge Beziehung zu ihren Bienenvölkern. Nach der Winterruhe kann sie es kaum erwarten, nach ihnen zu sehen. „Doch zu früh ist nicht gut“, sagt sie. Dann kühlt das Volk aus. Heute ist es warm. Renate Haus zündet die Räucherpfeife, an. Der Rauch soll die Immen beruhigen, falls sie der fremde Geruch des Gastes stört oder falls sie es übel nehmen, wenn die Imkerin gleich den Deckel von der Beute und die Rahmen mit den Waben heraushebt. „Alles sieht gut aus.“ Renate Hau ist zufrieden.

Sie hat vor allem Bienen der österreichischen Rasse Carnica. Als Leiterin der Belegstelle Haßberge ist ihre Spezialität die Zucht. Friedlich, robust und fleißig sollen die Bienen sein. In der Belegstelle mitten im Wald zwischen den Landkreisen Schweinfurt, Haßberge und Rhön-Grabfeld werden dafür Drohnen und Königinnen gezüchtet. Von Mitte Mai bis Mitte Juli können dort Imker spezielle Begattungskästen aufstellen und hoffen, dass sich eine Carnica-Königin aus der Belegstelle in ihrem Volk niederlässt.

Frühere Imker der Region hielten die schwarzen oder dunklen Bienen. „Sie waren stechlustiger und produzierten weniger Honig als unsere.“ Für Renate Hau ist das nicht nur Theorie. Immerhin schlug sie vor etwa 40 Jahren als 15-Jährige mit ihrer Ausbildung zur Imkerin einen Weg ein, der Familientradition ist. „Das geht etwa fünf Generationen zurück“, sagt sie. Von ihrem Urgroßvater, der Butter und Honig auf dem Nürnberger Hauptmarkt verkaufte, finden sich sogar Zeugnisse im Zeidelmuseum in Feucht.

Zeidler hießen in früherer Zeit die Imker. Im Mittelalter hatten sie eigene Zünfte und das Recht, Honigwaben aus hohlen Baumstämmen zu holen, in denen wilde Bienenvölker nisteten. „Weil das sehr anstrengend war, schnitten sie später die Baumhöhlen ab und stellten sie auf den Boden“, erzählt die Imkerin. Schon so um den Dreißigjährigen Krieg herum kamen Bienenkörbe in Mode. „Seit etwa 30 Jahren betreiben wir Magazinimkerei“, sagt Renate Hau. Bienenwohnungen heute sind sogenannte Magazinbeuten, die aus einzelnen Modulen aufgebaut und erweiterbar sind.

Bienen sind nicht nur das kleinste Haustier, sondern auch eines der ältesten Nutztiere der Menschen. In der Neuzeit hielten vor allem Pfarrer und Lehrer Bienen, sagt Renate Hau. Die Pfarrer hatten damals noch viel Zeit, überlegt sie. Und das Wachs war wichtig für die Kirchenkerzen. In der Imkereigeschichte seien es oft die Geistlichen gewesen, die Entdeckungen und Erfindungen machten.

Den Blick auf die Anleitung des Wörishofer Pfarrer Sebastian Kneipp zur Verbesserung der Bienenzucht in Körben und Kästen richtet der Imkerverein Kirchlauter (Lkr. Haßberge). Kneipp gilt als „schwäbischer Bienenvater“. Vor allem die Züchtung war sein Thema. Als Anleitung für Praktiker verfasste er im 19. Jahrhundert sein Bienenbüchlein. Und der Priester befasste sich mit Naturmedizin. Dem Honigwein etwa attestierte er verdauungsfördernde Eigenschaften. Er reinige und stärke den Magen, schaffe ungesunde Stoffe weg, befreie überhaupt von dem, was dem Körper nachteilig sei. Blut, die Säfte, Nieren und Blase beeinflusse er günstig.

Honigwein verkauft Renate Hau nicht, aber außer Honig auch Pollen, die die Bienen sammeln und von denen Menschen sich Gesundheit und Wohlergehen erwarten. Doch wenn es auch Beichtvater Kneipp besonders um die Gesundheit ging, gehörte die Imkerei damals schlicht zu Selbstversorgung. „Nicht umsonst hielten die armen Schullehrer Bienen“, sagt Renate Hau. Süßigkeiten gab es kaum. „Die Großmutter hob für die Kinder ab und zu einen Löffel Honig auf“, erinnert sie sich an ihre Jugendzeit. Aus dem Wachs wurden Kerzen gezogen.

Die Idee der Selbstversorgung ist es auch, weshalb das Interesse an der Imkerei zunimmt. Dieses Jahr haben sich 43 Jungimker dem Kirchlauterer Verein angeschlossen, sagt Hau. Etwa 90 000 Imker gibt es in Deutschland mit 750 000 Bienenvölkern, heißt es beim Bundeslandwirtschaftsministerium. Jedes Volk produziert im Jahr bis zu 40 Kilogramm Honig, sagt Renate Hau. Rund 1,2 Kilogramm vernaschen die Menschen im Land pro Kopf und Jahr, informiert der Deutsche Imkerbund.

Die Honigproduktion ist allerdings nur ein kleiner Teil der Bienenarbeit. Vor allem für die gründliche Bestäubung der Pflanzen sind sie wichtig, weil sie sämtliche Blüten in einem Bereich besuchen. Beim Landwirtschaftsministerium gibt es Zahlen. Demnach macht der globale ökonomische Nutzen der Immen etwa 153 Milliarden Euro aus (Stand 2005). Solche Zahlen können Renate Hau erschauern lassen. In den USA etwa gebe es eine regelrechte Imkerindustrie, der es kaum um Honig geht. Sie verdient Geld, indem sie Bienen zur Bestäubung verleiht. „Diese Imker haben keinen Bezug mehr zu ihren Tieren. Für diese Imker sind die Bienen nur ein reiner Produktionsfaktor.“

Für angehende Imker

Selbstversorgung ist im Kommen und damit das Interesse an der Imkerei. Wer Lust hat, sich mit den winzigen Haustieren näher zu befassen, sollte sich als Erstes beim nächsten Imkerverein informieren, sagt Imkerin Renate Hau, Leiterin der Belegstelle Haßberge. Die Vereine bieten auch Schnupperkurse an und Paten an. Selbst im Reihenhausgarten ist es möglich, Bienen zu halten. „Allerdings sollte man vorher mit den Nachbarn sprechen“, rät Hau. Angst vor Stichen brauchen die wenig haben, denn im Unterschied zu Wespen interessieren sich Bienen nicht für Speisen und Getränke der Menschen. Mit einem Volk können Selbstversorger die Imkerei schon beginnen. Mit etwa 12 Stunden Arbeit im Jahr vor allem im Sommer müssen sie dann rechnen und mit etwa 1000 Euro Anschaffungskosten für Bienen und Ausrüstung.

Informationen dazu und zu den Imkervereinen vor Ort gibt es beim Deutschen Imkerbund im Internet: www.deutscherimkerbund.de und beim unterfränkischen Bezirksverband: www.imker-unterfranken.de

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Renate Hau: Imkerin mit Leib und Seele
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