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GEROLZHOFEN
Das erste und bis heute einzige Hochhaus in der Stadt
Von unserem Redaktionsmitglied Norbert Vollmann
 |  aktualisiert: 16.12.2021 10:48 Uhr

Ende der 60er Jahre entstand in Gerolzhofen am westlichen Stadtrand das erste und bislang einzige Hochhaus in der Stadt. Das von der damaligen Wohnungsbaugenossenschaft (WBG) Landkreis Gerolzhofen an der Ecke Berliner Straße/Martin-Luther-Straße errichtete neungeschossige Wohngebäude mit seinen 34 Wohneinheiten wuchs 25 Meter in den Himmel.

Es war eine große bautechnische Herausforderung und angesichts Baukosten von 1,2 Millionen Mark ein finanzieller Kraftakt, wie rückblickend die beiden derzeitigen Vorstandsmitglieder der heutigen WBG Gerolzhofen, Adolf Steigerwald und Elmar Stickelmeier, betonen.

 

 

Erst- und zugleich letztmals wurde in der Stadt und im ganzen Landkreis massiv in die Höhe gebaut. Der Wohnungsbaugenossenschaft ging es mit dem Vorhaben weniger darum, Gerolzhofen auf Metropolen-Niveau zu trimmen, sondern dem gestiegenen Bedarf nach Wohnungen zu erschwinglichen Mieten für alte Leute und junge Familien im Trend der damaligen Zeit Rechnung zu tragen. Die Unterbringung kinderreicher Familien und alter Leute war damals im Zeichen des Wirtschaftswachstums ein großes Problem.

„Modernes Bauen“

Natürlich sollte mit dem Bau aber auch die Fortschrittlichkeit dokumentiert werden. So stellte Bürgermeister Franz Kreppel beim Richtfest fest, dieses Projekt habe einerseits eine Bresche für modernes Bauen geschlagen und zum anderen dazu beigetragen, überalterte Gewohnheiten aus dem Weg zu räumen. Dennoch hielt der Hochhaus-Boom auf dem Land nicht an. Die Geschosszahl wurde bald wieder nach unten gefahren. Für die Bewohner des Hochhauses hatte und hat sie aber einen besonderen Vorteil: Den Abstand zur nächsten Wohnbebauung.

Erstmals aufs Tapet kam das Thema „Hochhaus“ im Juni 1965 im Gerolzhöfer Stadtrat. Unter dem Motto „Wohnungen für alte Leute“ stellte Stadtrat Hugo Birk, der Aufsichtsratsvorsitzende der Wohnungsbaugenossenschaft Landkreis Gerolzhofen, das Projekt mit anfangs noch 36 Wohnungen vor. Aus den zunächst angestrebten 16 Wohnungen für ältere Menschen waren aufgrund der gewährten Fördermittel für den Bau altersgerechter Wohnungen am Ende 22 geworden.

Einstimmig befürwortete der Stadtrat in jener Sitzung die erforderliche Änderung des Bebauungsplans für das Gebiet „Ziegelhütte IV“. Das Gremium sagte dem Vorhaben gleichzeitig seine volle Unterstützung zu. Die war auch bitter nötig, denn immer wieder mussten Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt werden, bis Genehmigung und Finanzierung standen. Besonders die ästhetische Veränderung der Stadtansicht im Westen hätte die Pläne fast scheitern lassen.

Mit dem Bau des Hochhauses Berliner Straße 1 wurde am 13. Mai 1968 begonnen. Die Gesamtplanung und Bauleitung seitens der Wohnungsbaugenossenschaft lag schon seinerzeit beim heutigen Vorstandsmitglied Adolf Steigerwald. Richtfest konnte im Oktober gefeiert werden. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits alle Wohnungen vergeben, da sich weit mehr als 34 Bewerber weit über Gerolzhofen hinaus gemeldet hatten und eine lange Warteliste angelegt werden musste. Bis heute bereitet die Vermietung der 34 Wohnungen der WBG Gerolzhofen keine Probleme.

Am 26. April 1969 zogen nach nicht einmal einjähriger Bauzeit die ersten Mieter ein und damit noch vor dem ursprünglich ins Auge gefassten Bezugstermin zum 1. Juni 1969. Der Öffentlichkeit wurde das neue Gebäude am 11. und nochmals am 12. Mai 1969 vorgestellt. Über 2000 Besucher tummelten sich bei den „Tagen der offenen Tür“ im Haus.

Neun Drei-Zimmer-Wohnungen a 75,99 Quadratmeter, neun Zwei-Zimmer-Wohnungen a 59,05 Quadratmeter und 16 Ein-Zimmer-Wohnungen a 43,78 Quadratmeter ergaben zusammen die Gesamtwohnfläche von 1915,75 Quadratmeter.

Mit Balkon und Gas

In der damaligen Beschreibung hieß es: „Alle Wohnungen sind mit den entsprechenden Nebenräumen und Balkon ausgestattet, ferner mit Gasherd, Gasbadeofen und mit Einzelgasheizung. In jeder Küche befindet sich zudem ein Gasdurchlauferhitzer.“

Die Gesamtplanung an der Ecke Berliner Straße/Martin-Luther-Straße sah übrigens die Errichtung eines Einkaufszentrums rings um das Hochhaus vor. Den Anfang machte die Filiale von Edeka-Oemler (hier befindet sich heute unter anderem die Binding-Theke). Der angenommene Bedarf war aber bei weitem zu optimistisch eingeschätzt worden. Das Lebensmittel-Geschäft musste schon bald wieder schließen. So kam es auch nicht mehr zur geplanten Errichtung von vier weiteren Einkaufspavillons, die sich zusätzlich um das Hochhaus gruppieren sollten.

Fehlbaums „Webcam“ anno 1969

Dank der Firma Fehlbaum hatten beim Tag der offenen Tür am 11./12. Mai 1969 im ersten und bislang einzigen Hochhaus in Gerolzhofen auch diejenigen, die nicht die neun Stockwerke empor steigen oder mit dem Fahrstuhl hochfahren wollten, die Möglichkeit, den einzigartigen Rundblick über Gerolzhofen und sein Umland zu genießen. Hierzu war auf der Dachplattform eine schwenkbare Fernsehkamera montiert worden, deren ständige „Wanderung“ über das Stadtbild von Gerolzhofen und die Umgebung durch einen Fernsehempfänger als Schwarz-Weiß-Bild ins Erdgeschoss übertragen wurde.

„Modernes Wohnen“

In den dortigen Wohnungen fand am „Tag der offenen Tür“ eine Ausstellung zum Thema „Modernes Wohnen“ statt, an der sich zahlreiche Gerolzhöfer Firmen und Geschäfte mit Möbeln, Teppichen, Gardinen, Bettwäsche, Tischdecken, Lampen, Geschirr, sowie Haus- und Küchengeräten beteiligten.

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Mehr zu unserer Serie im Internet unter: www.mainpost.de/diewilden60er

 
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