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Fußball:
Christian Golden ist ein Ausnahme-Fußballer
Von unserem Mitarbeiter Michael Kämmerer
 |  aktualisiert: 16.12.2020 08:56 Uhr

Diener zweier Herren – Christian Golden muss bei diesem Gedanken schmunzeln. „Gefällt mir“, sagt der 24-Jährige. Und das gilt für ihn in doppelter Hinsicht. Die gleichnamige Komödie des italienischen Dramatikers Carlos Goldoni hat es Golden angetan: „Eines meiner Lieblingsstücke. Ich habe drei Inszenierungen gesehen und bin von seinem Witz und der Vielseitigkeit fasziniert.“ Der Hang zur Literatur rührt her von Goldens Studium: Deutsch und Geschichte für das Lehramt am Gymnasium. Nicht geringer ist seine Hingabe für den Fußball. Bis zuletzt war er jeden Donnerstagnachmittag nach den Vorlesungen in Würzburg aufgebrochen, nur um am Abend das Abschlusstraining seines Heimatvereins FC Seibelsdorf zu erreichen und sich sonntags im Punktspielbetrieb das Trikot des Kreisklassisten anzuziehen. Seibelsdorf liegt im Oberfränkischen nahe Kronach, 150 Kilometer entfernt von Würzburg. „Das Pendeln war ein enormer Aufwand“, sagt Golden über seine Wochenendtrips.

In jüngster Zeit ist der Torhüter nicht mehr so häufig zu Hause gewesen. Denn Golden ist jetzt ein Ausnahme-Fußballer: Er steht seit Dezember im Dienste zweier Vereine – und das ganz legal. Neben dem FC Seibelsdorf hat sich Golden der DJK Würzburg in der Kreisklasse angeschlossen. Die Möglichkeit, bei zwei Klubs gleichzeitig angemeldet zu sein, existiert für Herren- und Frauenteams seit Juli vergangenen Jahres. Der Student ist einer von derzeit rund 190 Akteuren in Bayern, die mit einem Zweitspielrecht ausgestattet sind. Die Idee für die Neuregelung entstand, als der Bayerische Fußball-Verband erkannte, wie sehr sich in den vergangenen Jahren die berufliche und schulische Situation in der Gesellschaft verändert hat, dass Ausbildung und Arbeitsplatz den Menschen heutzutage zunehmend Flexibilität und Mobilität abverlangen. Das Zweitspielrecht erlaubt Berufstätigen, Studenten und Schülern am Spielbetrieb teilzunehmen, ohne extra in die Heimat pendeln zu müssen: Sie können auch für ihren Zweitverein auflaufen.

Dafür gelten einige Bedingungen: Der Zweitverein darf mit der ersten Männermannschaft höchstens in der Kreisklasse spielen; für Frauen ist die Kreisliga das Maximum. Stammverein und Zweitverein müssen mindestens 100 Kilometer voneinander entfernt sein. Und ein Klub kann pro Saison höchstens für zwei Akteure eine Zweitspielgenehmigung erhalten, die auf ein Spieljahr begrenzt ist. Schließlich muss der Stammverein einverstanden sein. „Das Zweitspielrecht wird besser angenommen als erwartet“, sagt Stefan Schneider, der Leiter der Passabteilung in der BFV-Zentrale in München: „Seit Beginn der Saison sind bei uns laufend Anträge eingegangen. Und ich gehe davon aus, dass die Nachfrage weiter steigen wird.“ Dennoch ist die Zahl von 190 Genehmigungen gering im Vergleich zu den jährlich 70 000 Vereinswechseln in Bayern. Nicht jeder Antrag wird indes bewilligt: „Wir prüfen in jedem Fall die Entfernungen“, sagt Schneider: „Wenn die beiden Vereine nur 58 Kilometer auseinander liegen, müssen wir ablehnen. Bei 99,5 drücken wir aber schon ein Auge zu.“

Im Fall von Christian Golden erfüllten sich sämtliche Kriterien, auch wenn es dauerte, bis der BFV den Spielerpass für die DJK Würzburg ausgestellt hatte. „Meine Unterlagen waren unvollständig“, sagt Golden: „Ich wusste nicht genau, was ich einreichen muss.“ Zur Studienbescheinigung der Universität Würzburg benötigte er den Wohnsitznachweis des Einwohnermeldeamtes. Der Neuzugang der DJK ist damit einer von momentan 33 Fußballern, die mit dem Zweitspielrecht in Unterfranken aktiv sind. Umgekehrt haben 15 unterfränkische Vereine einem ihrer Akteure eine solche Erlaubnis bei einem anderen Klub eingeräumt. Wie häufig ein Spieler jeweils für seinen Hauptverein und seinen Zweitverein aufläuft, darüber führt der BFV keine Statistik. Am selben Wochenende ist der Einsatz in beiden Mannschaften indes untersagt. Zudem darf der Spieler bei seinem Zweitklub nicht in Entscheidungs- und Relegationsspielen mitmischen. Und die gegen einen Akteur ausgesprochene persönliche Sperre, etwa nach einer Roten Karte, hat das Spielverbot für beide Teams zur Folge.

Wo Christian Golden künftig häufiger spielen wird, hat er noch nicht entschieden. Der FC Seibelsdorf und die DJK Würzburg kämpfen beide gegen den Abstieg. „Wenn ich zu Hause gebraucht werde, stehe ich zur Verfügung“, sagt der Schlussmann. Er will in jedem Fall zwei Herren dienen.

 
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