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WÜRZBURG
Buntes Würzburg kontra "völkischer Zwergenaufstand"
Für Toleranz: Anti-Wügida-Kundgebung am Marktplatz.
Foto: Daniel Peter | Für Toleranz: Anti-Wügida-Kundgebung am Marktplatz.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:32 Uhr

„Es ist ein Skandal, wie hier unter dem Deckmantel eines religiös begründeten Kulturkampfes versucht wird, Stimmung gegen die Mitmenschlichkeit und die Solidarität in unserer Stadt zu inszenieren.“ DGB-Regionssekretär Norbert Zirnsak fand am Montagabend deutliche Worte gegen das Treiben der islamfeindlichen „Wügida“. Der DGB hatte diesmal den Würzburger Montagsspaziergang angemeldet. Motto: „Würzburg lebt Respekt – Für ein buntes Würzburg – Gegen Rassismus – Stoppt Wügida“.

Wie gewohnt führte der Zug vom Kiliansbrunnen am Hauptbahnhof zum unteren Markt, begleitet diesmal von der Trommelgruppe Samba Osenga. Von anfänglich rund 150 Teilnehmern wuchs die Menge bis zur Abschlusskundgebung vor der Marienkapelle auf rund 300 Menschen an – so die Schätzung der Polizei. Am Wügida-Aufzug am oberen Mainkai beteiligten sich laut Polizei am Montagabend an die 100 Leute. Sie hielten Plakate in die Höhe, auf denen sie einmal mehr Politiker („Verbrecher in Nadelstreifen“) und Journalisten („Die Medien lügen“) angriffen. Rund 160 Gegendemonstranten versuchten den Aufmarsch durch Pfiffe und lautstarke Rufe („Nazis raus“) zu stören.

Die Polizei sicherte die Kundgebung erneut durch massive Präsenz und den Aufbau von Absperrgittern. Schon im Auflösen begriffen, kam es zu einem kurzen Zwischenfall, bei dem ein Wügida-Anhänger offenbar von Unbekannten von der Alten Mainbrücke aus von oben bespuckt wurde. Beim anschließenden zur Rede Stellen des möglichen Verursachers wurde er aus einer kleinen Gruppe heraus von einem Unbekannten von hinten in die Kniekehle getreten. Eine medizinische Behandlung war laut Polizei nicht nötig.

DGB-Sekretär Zirnsak verurteilte in seiner Rede vor den Montagsspaziergängern den Hass, den Wügida auf die Straßen trage und warnte vor einer Verharmlosung: „Wer sich diesen Leuten anschließt, der weiß genau, dass er sich zum Fußvolk des Rassismus macht.“ Die rechten Provokationen durch Wügida würden dem Ansehen Würzburgs schaden.

Zirnsak kritisierte scharf die rechtsextreme Durchsetzung von Wügida: „Wie kommt diese Truppe aus Rechtsextremen, AfD und NPD-Leuten, aus Identitären und Ewiggestrigen eigentlich auf die absurde Idee, man müsste mit ihnen einen Dialog führen?“ Die Gewerkschaften, so Zirnsak, wollten ihren Teil beitragen, damit Würzburg weltoffen und vielfältig bleibt.

Als Leiter der Jugendbildungsstätte des Bezirks machte sich Stefan Lutz-Simon für eine Stärkung der demokratischen Strukturen und sozialer Teilhabe stark. „Wügida wird es nicht mehr lange geben“, sagte er. „Der Rechtsextremismus und der Alltagsrassismus aber werden bleiben.“ Ihn zu bekämpfen, beginne mit der Bildungsarbeit.

Lutz-Simon – auch ein Sprecher des Bündnisses für Zivilcourage – wies auf die drastisch gestiegenen Zahlen an rassistischen Kundgebungen und fremdenfeindlichen Übergriffen hin: „Pegida hat zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit beigetragen.“ Immerhin: Im vereinten Protest dagegen seien in den vergangenen Wochen in Würzburg wertvolle Netzwerke entstanden – über Weltanschauungen hinweg.

„Liebe Menschenfreunde!“ So bedacht begann Michael Henke, Vorsitzender der Leonhard-Frank-Gesellschaft, seinen Beitrag am unteren Markt. Eine bemerkenswerte Rede, die ausgehend von Franks Anti-Kriegs-Pamphlet „Der Mensch ist gut“ über die Verspottung von „Gutmenschen“ eine Kante zog gegenüber den selbst ernannten Wügida-Patrioten: „Es ist die gleiche Methode, derer sich völkische Nationalisten und zum Putsch bereite Faschisten in den 1920er Jahren bedienten.“ Pegida oder Wügida seien weit davon entfernt, das Volk zu vertreten. „Sie sind nichts anderes als ein völkischer Zwergenaufstand.“

Auch Ver.di-Gewerkschaftssekretär Peter König verurteilte die fremdenfeindliche Stimmung, die von Pegida verbreitet wird. In den Betrieben spiele die Herkunft oder die Religion von Kollegen keinerlei Rolle.

 
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