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RIMPAR
Bücher hoch, auf Kommando!
Beeindruckend: Museumsleiter Eduard Stenger zeigte an der Kugelhundertertafel, wie früher gerechnet wurde.
Foto: Georg Ludwig Hegel | Beeindruckend: Museumsleiter Eduard Stenger zeigte an der Kugelhundertertafel, wie früher gerechnet wurde.
Birgit Wagner
 |  aktualisiert: 11.11.2021 13:42 Uhr

Da staunten die Schüler nicht schlecht, wie es in der Schule vor über hundert Jahren zuging. Unser Reporter begleitete die Drittklässler aus Rimpar bei ihrem Gang durch das Schulmuseum Sendelbach.

Der zehnjährige Jan Patrick hatte bei der Suche nach seinem Smartphone und dem Mathebuch die Saftflasche seines Nachbarn umgestoßen und das Zuckerwasser war in die Tasche seines Vordermannes geflossen. Der Lehrer hatte es lediglich mit einem „Pass auf!“ quittiert.

Ganz anders vor über 100 Jahren. In der Schulordnung aus der Kaiserzeit konnte Jan Patrick nachlesen: „Bücher werden auf Kommando in drei Zeiten herauf- und hinweg getan. Auf „eins“ erfassen die Kinder das unten liegende Buch, auf „zwei“ heben sie das Buch über die Tafel, auf „drei“ legen sie es geräuschlos auf die Schultafel nieder und richten den Blick wieder unverwandt und fest auf den Lehrer.“ Nicht auszudenken die Reaktion des damaligen Dorfschullehrers bei Nichtbeachtung. Vom Eckenstehen über Holzscheitknien, Erbsenbrettknien, Schläge auf die linke Hand und den Hosenboden reichten die Sanktionen damals.

Eduard Stenger, der vor vielen Jahren das Schulmuseum der Stadt Lohr unter Mithilfe seiner ganzen Familie mit viel Herzblut aufgebaut hat, führte die 60 Schüler durch die Schul- und Ausstellungsräume. Fachkundig und als ehemaliger Schulleiter souverän erklärte er die Entwicklung der Schule bis zu unseren medienunterstützten Bildungsanstalten. Wie streng damals auf Zucht und Ordnung Wert gelegt worden war, erspürte der Besucher schon beim Betreten des Klassenzimmers. „Mund zu, nur auf Aufforderung des Lehrers sprechen. Sich zuerst melden, bevor man aufgerufen wird. Die Buben sitzen links, die Mädchen an der Fensterseite!“, waren die kurzen Kommandos.

Folgsame Untertanen

Dadurch merkten die Besucher schnell: Früher sollten die Schüler nicht in erster Linie schlau werden. Durch Drill wurden sie zu folgsamen Untertanen erzogen. Aufmerksame, sprachgewandte Schüler formulierten die Wechselbeziehung: „Heute ist Lernen durch Einsicht wichtig. Die Menschen sollen mündige Bürger werden.“

Schnell erkannten die Schüler auch andere Unterschiede zu der früheren Schule: Der Lehrer saß als Zeichen seiner Autorität gleichsam wie ein Richter auf einem Podest, denn nur er hatte das Sagen. Das Bild vom Prinzregenten Luitpold neben dem Kruzifix, das mit dem dominierenden Lehrer eine Trinität schuf. Den Schülern fiel der Spucknapf ebenso auf wie das Waschlabor. Der gusseiserne Ofen wäre in unseren Schulsälen ein Fremdkörper. Immer wieder formulierten sie die Bezüge zu unserer Zeit.

Bei Schreibversuchen merkten Schüler rasch, dass die Rundbögen der lateinischen Schrift den Schreibfluss mit Schiefertafel und Griffel erschwerten. Die Deutsche Schrift mit ihren Ecken und Spitzen war dagegen für die Stahlfeder viel zweckmäßiger.

Wie wichtig der Aufbau eines Zahlbegriffs und einer grundlegenden Zahlvorstellung ist, machte Stenger in der folgenden Rechenstunde deutlich. „Die Kugelhundertertafel war ein sehr hilfreiches Instrument der einklassigen Volksschule“, bemerkte er. Mühelos folgten die Drittklässler, die bisher nur bis 999 rechneten, mit Stengers Hilfe und mit ihren Kugelrechenmaschine in den neuen, unbekannten Tausender- und Zehntausenderraum.

Begeistert sangen die Schüler am Ende den Refrain des Liedes vom armen Dorfschulmeisterlein mit.

Früher und heute: Drittklässler aus Rimpar erlebten im Schulmuseum in Sendelbach, wie vor 100 Jahren der Unterricht war.: Georg Ludwig Hegel
Foto: Foto | Früher und heute: Drittklässler aus Rimpar erlebten im Schulmuseum in Sendelbach, wie vor 100 Jahren der Unterricht war.: Georg Ludwig Hegel
 
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