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WÜRZBURG
Buch gibt Einblicke ins Frauenhaus
Pat Christ
Pat Christ
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:49 Uhr

Welcher Ort ist in Würzburg besonders interessant? Diese Frage stand für Olivia Steiert, Studentin an der Würzburger Fakultät für Gestaltung, am Anfang eines Studienprojekts, das sie zu bewegenden Einsichten führte. Die 23-Jährige entschied sich vor zwei Jahren, ihre Projektarbeit über das Frauenhaus der AWO zu schreiben. Daraus entstand das Buch „Der lange Weg“, aus dem Steierts Kommilitonin Anne Genkel an diesem Mittwoch, 10. Dezemnber, um 20.15 Uhr in der Buchhandlung „Neuer Weg“ lesen wird.

Die Studenten sollten einen Ort vorstellen, der ihnen als besonders spannend erschien. Warum sie diese Aufgabe ausgerechnet in einem Frauenhaus realisierte, kann Olivia Steiert im Rückblich gar nicht mehr recht sagen. Jedenfalls machte sie sich im Oktober 2012 erstmals auf den Weg ins Frauenhaus - mit reichlich naiven Vorstellungen, wie sie heute lachend zugibt: „Ich wollte die Adresse im Internet nachschauen.“ Für einen Moment wunderte sie sich, dass sie unauffindbar war. Heute versteht sie das sehr gut. Denn Frauen wie Khadija, Nuri und Aziza, ihre drei Interviewpartnerinnen, brauchen dringend einen Ort, wo sie von niemanden aufgespürt werden können.

„Hätte nie gedacht, welche Dimension Gewalt gegen Frauen hat.“
Olivia Steiert Studentin

Durch ihr Studienprojekt blickte Steiert unter die Oberfläche einer Gesellschaft, in der häusliche Gewalt in einem erschreckenden Maß verbreitet ist. „Welche Dimension Gewalt gegen Frauen hat, hätte ich nie gedacht“, sagt sie. Die Geschichten, die sie einfing, berühren nicht nur durch die authentischen Zitate der Frauen sondern auch durch Illustrationen, die im Stil von Gerichtszeichnungen besonders bewegende Momente aus dem Leben der Frauen festhalten. Die Zeichnungen ziehen unwillkürlich in Bann. Gerade sie machen die Geschichten der Frauen so lebendig. Und das Buch so außergewöhnlich. Insgesamt fünf Monate lang arbeitete die Studentin an ihrem Projekt.

Das müsse unbedingt öffentlich werden, fand Frauenhausleiterin Brita Richl, als sie Steierts Werk in Händen hielt: „Es wäre zu schade gewesen, wäre es, wie andere Hochschulprojekte, in der Schublade verschwunden.“ Mit Hilfe des AWO-Bezirksverbands gelang es, das Buch in einer Auflage von 1000 Exemplaren zu drucken. Das Werk eröffnet Richl zufolge die einmalige Möglichkeit, hinter die Kulissen einer Einrichtung zu blicken, die normalerweise nicht zugänglich ist. Steiert selbst möchte mit ihrem Buch, wie sie sagt, „auf die Dringlichkeit der Problematik häusliche Gewalt“ aufmerksam machen.

Ein bisschen verleitet ihr Buch dazu, zu denken, dass Gewalt gegen Frauen ein Problem ist, dass vor allem Frauen mit Migrationshintergrund haben. Stammen doch Khadiya, Nuri und Aziza, Steierts Interviewpartnerinnen, sämtlich nicht aus Deutschland. Doch natürlich kommt Gewalt auch in deutschen Familien vor. Ins Frauenhaus fliehen Frauen allerdings vor allem dann, wenn sie selbst keine Ressourcen haben. Wer genug Geld hat, kann sich eine Wohnung mieten und ausziehen. Oder sich teure Anwälte oder Therapien leisten. Gerade Migrantinnen können dies nicht. Richl: „Derzeit liegt ihr Anteil bei uns auch tatsächlich bei 80 Prozent.“

Olivia Steiert stellt ihr Buch „Der lange Weg“ an diesem Mittwoch, 10. Dezember, um 20.15 Uhr im Buchladen „Neuer Weg“ (Sanderstraße 23-25) vor. Der Eintritt zur Lesung ist frei. Das Werk, das ab sofort in Würzburger Buchhandlungen erworben werden kann, kostet 4 Euro. Der Erlös fließt in die Arbeit des AWO-Frauenhauses für Migrantinnen.

 
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