Schlaghosen, Plateauschuhe, Hot Pants und „Vokuhila“ (vorne kurz hinten lang) in der Frisurenmode waren absoluter Trend. Möbel und Tapeten fielen durch knallige Farben und großflächige Muster wie Blumen, Ornamente oder Blockstreifen auf. Populär wurde in den 70er Jahren der Kassettenrekorder, der es ermöglichte, Radiosendungen auf „Compact Cassetten“ zu reproduzieren. Viele stellten sich so ihre eigene Musiksammlung zusammen. Es war ein teils schräges, aber auch eines von vielen erschütternden Ereignissen geprägtes Jahrzehnt.
Die neue Freiheit
Die neue Freiheit wurde auch durch die Gesetzgebung unterstützt. Der Eintritt der Volljährigkeit wurde vom vollendeten 21. Lebensjahr auf die Vollendung des 18. Lebensjahres am 1. Januar 1975 herabgesetzt. Trotz aller Buntheit und Grenzenlosigkeit blieb allerdings ein latent ungutes Gefühl haften aufgrund der Häufung terroristischer Anschläge. Das Olympia-Attentat 1972 bewegte die ganze Welt. Bei den Anschlägen auf das Olympia-Dorf in München starben insgesamt 17 Menschen, elf israelische Sportler, ein Polizist und fünf Geiselnehmer.
Geburtsstunde der RAF
Die Rote Armee Fraktion (RAF), deren Geburtsstunde 1970 die spektakuläre Befreiung von Andreas Baader aus dem Gefängnis durch Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und anderen war, bedrohte und erschütterte die Bundesrepublik zunehmend in ihren Grundfesten. Die besonders brutale Seite des Terrors zeigten die Attentate auf Hans-Martin-Schleyer, den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank Jürgen Ponto und den Generalstaatsanwalt Siegfried Buback, die Bombenanschläge der Baader-Meinhoff-Gruppe und die Entführung der Lufthansa-Maschine Landshut nach Mogadischu. Bei der Befreiung bewies sich die in Folge des Olympia-Attentats 1972 gegründete Spezialeinheit GSG9. Sie hatte in Mogadischu ihren spektakulärsten Einsatz.
Gleich zu Beginn des Jahrzehnts wird eine historische Geste weltweit beachtet: Bundeskanzler Willy Brandt sinkt bei seinem Besuch in Warschau auf die Knie. Ein Raunen geht durch die anwesende Menschenmenge am Denkmal für die Helden des Ghetto-Aufstands in Warschau als es, für alle überraschend, passiert. Ein Fotomotiv, was zu den bekanntesten der Nachkriegsgeschichte zählt.
Innenpolitisch steht der Anfang des neuen Jahrzehnts ganz im Zeichen des Beginns einer Entspannungs- und Friedenspolitik zwischen der BRD und der DDR unter Bundeskanzler Willy Brandt. Für diese Friedensbemühungen erhielt Brandt 1971 den Friedensnobelpreis. 1974 muss er nach der Guillaume-Affäre zurücktreten und Helmut Schmidt wird Kanzler.
Die erste Rezession im Herbst 1973
Wirtschaftlich gesehen ging es den Bürgern der BRD zunächst sehr gut. Die CDU wurde in den 70er Jahren der Regierungsverantwortung enthoben. Unter der sozial-liberalen Koalition etablierte sich eine Art Wohlstandsgesellschaft. Lohnanstiege im zweistelligen Bereich waren keine Seltenheit und nicht wenige lebten im aufkommenden Wohlstand über ihre Verhältnisse. Es herrschte Vollbeschäftigung bis zum Zeitpunkt der ersten Rezession im Herbst 1973.
Nun entstand eine neue Arbeitslosigkeit, die die Quote von 0,6 Prozent im Jahr 1970 auf 4,2 Prozent 1975 und 3,4 Prozent 1979 steigen ließ. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies ein Anstieg von 100 000 Arbeitslose 1970 über 300 000 1973 bis auf 1,1 Millionen 1975.
Hatten die Menschen auch mehr Geld in der Tasche, kam es auf der anderen Seite zu Verteuerungen in den Lebenshaltungskosten besonders für Grundnahrungsmittel wie Brot und Butter. Die Mehrwertsteuer wurde Anfang 1978 von 11 auf 12 Prozent und dann noch einmal Mitte 1979 auf 13 Prozent erhöht.
Die Fußballweltmeisterschaft 1974 und weitere sportliche Höhepunkte
Wer erinnert sich nicht an den sportlichen Höhepunkt 1974, wohl jedem Fußballfan heute noch ein Begriff. Zum ersten Mal fand die Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land statt. Die Bundesrepublik Deutschland gewann das Turnier nach einem 2:1-Sieg über die Niederlande im Finale von München. Zum zweiten Mal sicherte sich Deutschland damit nach 1954 den Titel. Auf nationaler Ebene war eine Mannschaft in den 70er Jahren dominierend: Borussia Mönchengladbach holte fünf deutsche Meistertitel.
Sportlich passierte natürlich noch eine ganze Menge mehr außer Fußball. Rosi Mittermaier wurde bei den 12. Olympischen Winterspielen in Innsbruck 1976 zur „Gold-Rosi“. Sie triumphierte in der Abfahrt und im Slalom und holte auch noch die Silbermedaille im Riesenslalom.
Muhammed Ali (Cassius Clay) steht im „Boxkampf des Jahrhunderts“ 1971 gegen Joe Frazier, unterliegt aber nach Punkten. 1974 holt er sich den Titel des Boxweltmeisters im Schwergewicht gegen George Foreman. Erfolgreichster Sportler der Olympischen Spiele in München 1972 wird der US-Schwimmer Mark Spitz. Er holt sieben Goldmedaillen. Ulrike Meyfarth schreibt ebenfalls Geschichte: sie gewinnt die Goldmedaille im Hochsprung als 16-Jährige. Meyfarth ist bis dato die jüngste Leichtathletik-Olympiasiegerin in einem Einzelwettbewerb.
Namen wie Eddy Merckx im Radsport und John Newcombe im Tennis spielen eine weitere Rolle. Niki Lauda gibt 1971 sein Formel-1-Debüt. 1974 wechselte er zu Ferrari und wurde 1975 zum ersten Mal Formel-1-Weltmeister als erster Ferrari-Pilot seit elf Jahren. 1976 passiert dann der schreckliche Feuerunfall auf dem Nürburgring, den Lauda mit schwersten Verbrennungen überlebt. 1977 wurde er ein zweites Mal Weltmeister.
Witzige Werbesprüche aus den 70ern
Einprägsames bot auch die Werbung. Viele der bunten und fröhlichen Spots sind heute vielen noch im Gedächtnis und immer noch abrufbar: Der Colgate-Test: „Mammi, Mammi, er hat überhaupt nicht gebohrt“, verhieß Gutes für die Zahnpasta. „Das weiß man, was man hat“ versicherte einem der Persilmann glaubwürdig wie ein Tagesschausprecher. Und sollte auch heute noch Jacobs-Kaffee die bevorzugte Kaffeemarke sein, könnte das an Karin Sommer liegen. Sie rettete wirklich jede Situation mit ihrer wunderbaren Krönung von Jacobs Kaffee: „Bei Jacobs kann ich mich auf die Qualität verlassen. Da hat jede Tasse das große Aroma.“ Und wer erinnert sich nicht an „Das größte Wäschestück der Welt“, das, schön verdreckt, der „Weiße Riese“ wieder sauber wusch?: „Riesenweiß durch Riesen-Waschkraft“ eben.
Für Aufsehen und überregionale Schlagzeilen sorgte die Entführung von Richard Oetker Ende 1976 und die Zahlung von 21 Millionen Mark Lösegeld. Heute noch wird dieser Entführungsfall immer wieder zu Vergleichen herangezogen und zitiert. Die erste Ölkrise 1973 beeinflusste entscheidend das Alltagsleben. Sie zog drastische Anstiege der Benzinpreise und ein Sonntagfahrverbot für vier aufeinanderfolgenden Sonntage nach sich.
Das Fernsehen setzt sich durch: Von Raumschiff Enterprise bis Dalli, Dalli
Eine Krise machte sich in den 70er Jahren auch in der deutschen Filmbranche breit. Das Fernsehen sorgte hier für immense Einbrüche. Anfang der 70er Jahre hatten bereits 93 Prozent der Haushalte eine Flimmerkiste und waren nicht mehr darauf angewiesen, zur Unterhaltung das traute Heim zu verlassen. Auf allen öffentlich rechtlichen Sendern liefen Unterhaltungssendungen rauf und runter. Bindend wirkten sich da die vielen Serien und Abendshows aus, von denen nicht wenige Kultstatus erreichten. Allen voran „Raumschiff Enterprise“ oder „Dalli, Dalli“ und „Am laufenden Band“.
Der Verkehr auf Deutschlands Straßen nahm zu und mehr und mehr waren auch Autos anderer europäischer Hersteller auf den Straßen zu sehen. Mit der Ölkrise fand ein Umdenken statt. Die sparsameren Versionen mussten her. So stellten sich Autobauer um und entwickelten die kurzen Kompakten wie VW Polo und den VW Golf. Und noch etwas war neu: „Klick – erst Gurten, dann starten“, lautete der neue Leitsatz im Verkehr. Er basierte auf der eingeführten Gurtpflicht für Frontpassagiere. Außerdem wurde die Promillegrenze auf 0,8 herabgesetzt und das Punktesystem im Verkehrszentralregister installiert.
Mode: Vokuhila, Disco-Look und Punkbewegung
In der Mode hieß die Devise „je bunter und greller, desto besser“. Es gibt neben allem, was gefällt, drei große Trends: den Military-Look, dessen Markenzeichen der Parka war, die Punk-Bewegung und Ende der 70er Jahre ist es der Disco-Look a la John Travolta, der um sich greift. Dazwischen ist aber alles erlaubt, was gefällt. So auch in der Frisurenmode. Hinter der Bezeichnung „Vokuhila“ (vorne kurz hinten lang) verbirgt sich ein Markenzeichen dieser Zeit, Männer trugen lange Haare und vermehr Koteletten. Kurzum, die 70er boten alles, was das Herz begehrt.
Musik der 70er: Rock, Pop und deutsche Schlager
Auch musikalisch fand jeder seine Nische – Rock- und Popmusik waren genauso populär wie deutsche Schlager. Zeugnis darüber lieferte die Beliebtheit der Musiksendung ZDF Hitparade, die im Januar 1969 erstmals ausgestrahlt wurde und bis 2000 im Programm blieb. Bekannt wurde sie durch Moderator Dieter Thomas Heck, dessen Abspann mit hohem Sprechtempo fast schon rituellen Charakter hatte. Ähnlich war es mit dem legendären Satz von Ilja Richter „Licht aus! Spot an!“, mit dem er die Zuschauer zur Musik-Show „Disco“ in den 70er Jahren 133 Mal im ZDF begrüßte. In dieser Sendung wurde all das vorgestellt, was zur Zeit am Musikmarkt angesagt war.
Allerdings stand zu Beginn des Jahrzehnts musikalisch erst einmal Schock und Trauer über die Auflösung der Beatles. Im Mai 1970 erschien das letzte Album der Pilzköpfe, aber schon zuvor hatte Paul McCartney am 10. April bekannt gegeben, dass er die Beatles verlassen würde. Das war mit der Trennung der Band gleichzusetzen.
Getrauert wurde auch um den „King of Rock 'n' Roll“ Elvis Presley. Er starb am 16. August 1977 im Memphis an Herzversagen. Einen Siegeszug verzeichneten Agnetha, Björn, Benny und Anni-Frid. Die schwedische Popgruppe ABBA zählt zu den erfolgreichsten Bands der Musikgeschichte und gilt als Vorreiter der Disco-Ära. Ihr Durchbruch gelang 1974 mit dem Sieg beim Eurovision Song Contest mit dem Titel „Waterloo“.
Wer weder Schlager, noch Rockmusik mochte, flüchtete sich in die Discotheken und bevölkerte – versteht sich – in zu dieser Ära gehörenden Glitzerklamotten die Tanzflächen. Dort waren John Travolta, die Bee Gees, Village People, Boney M. und vor allem die schwarzen Disco-Größen wie z. B. Donna Summer, Earth Wind & Fire und Barry White angesagt.
Der Watergate-Skandal 1972
Der Watergate-Skandal mit Beginn 1972 führt dazu, dass Präsident der Vereinigten Staaten Richard Nixon 1974 zurücktritt, der Vietnamkrieg geht 1975 zu Ende.
Von der Blockbuster-Ära bis zur Firma Apple
In den 70er Jahren begründete „Der Weiße Hai“ und „Krieg der Sterne“ die Blockbuster-Ära, Pril-Blumen klebten quasi überall, der Kamm schaute aus der Gesäßtasche der Jeans. Das erste Retortenbaby wird geboren und Computer werden gegen Ende des Jahrzehnts massentauglich, denn Steve Jobs bringt den ersten Apple-Computer auf den Markt und gründet die Firma Apple 1976. Und eine ganz große Ära endete: Die des in Deutschland gebauten VW Käfers. 1978 lief der letzte im VW-Werk Emden vom Band.