In einem Mercedes 190 SL, einem der flottesten Wagen seiner Zeit, brachte Hans Wax am Pfingstsonntag 1956 Horst Hesse und seine Fracht bei Helmstedt über die Grenze gen Osten. Hinten im Wagen lag die in Würzburg geklaute Kartei der US-Agenten in der DDR. Wax, Deckname "Donner", war offiziell als West-Berliner Autohändler tätig. Doch von der Stasi fürstlich bezahlt (von insgesamt rund 800 000 Mark ist die Rede), führte er ein abenteuerliches Doppelleben: Zusammen mit dem ebenfalls aus West-Berlin stammenden Karosserieschlosser Walter Jacobs ("Blitz") und einem dritten Mann mit der Bezeichnung "Teddy" bildete er ein Trio, das sich darauf spezialisiert hatte, Abtrünnige und gegnerische Agenten zu entführen.
Der spektakulärste Fall: Nur ein halbes Jahr vor dem Würzburger Coup entführten "Donner", "Blitz" und "Teddy" den damals 34jährigen Werner Rieker, einen dänischen Agenten, der in der DDR Mitarbeiter angeworben hatte. Sie schnappten Rieker auf der Autobahn zwischen Kassel und Frankfurt, schlugen ihn bewusstlos und zerrten ihn in ihren Wagen. "Er wurde mit einem Strick um Hals und Beine gefesselt und nach Ost-Berlin gebracht", gibt Iris Rieker die Erzählungen ihres Mannes wieder. Der Entführte wurde in einem Schauprozess in Frankfurt/Oder zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Davon musste er acht absitzen, ehe er 1964 freigekauft wurde. "Die Entführer wurden als Helden gefeiert, und ich musste mich allein durchs Leben schlagen", klagte Iris Rieker verbittert.
Was sie nicht wusste: Sie hätte dem Chef der Entführer beim Gang über die Straße begegnen können. Wax alias "Donner", wohnte jahrelang nur einen Steinwurf von ihr entfernt, in der Kantstraße in Berlin.