Ein lauter, schmerzerfüllter Schrei schallt durch die Sennfelder Frankenhalle. Sportunfall? Verletzte? Ganz im Gegenteil. Die „Clownerie“ übt das Komischsein und spielt „heißer Stuhl“. Dabei muss man sich auf einen Stuhl setzen und sich vorstellen, er wäre kochend heiß. „Im Workshop Clownerie geht es darum, aus sich rauszugehen und Emotionen entstehen zu lassen“, sagt ein Mann mit Clownsnase. Das ist Armin Meisner-Then. er leitet mit seiner Clownerie einen der sechs Workshops beim Schultheatertag an der Sennfelder Mittelschule.
Unter dem Motto „Schultheater einmal anders – das Thema BLAU“ zeigten 120 Schüler, Referendare und Lehrer von Grund-, Mittel- und Förderschulen der Umgebung, wie kreativ sie sind, wie sie Gefühle und Stimmungen in Bildern ausdrücken.
Die „Wassertänzer“ bewegen sich dabei zum Beispiel in fließenden Bewegungen über die Bühne. Ein junges Mädchen mit Down-Syndrom bekam den Zuschlag für die Rolle der „Unterwasser-Fee“ und wirbelt die Bewohner der Unterwasserwelt kräftig durcheinander: Amöben, Algen, Fische – sie alle umklammern die Prinzessin der Unterwasserwelt, die gerne vom König und seinem Hofstaat fliehen möchte.
Jeder Workshop präsentiert seine ganz eigene kleine Geschichte. Während die einen ihre Fantasie-Wasserwelt auf die Bühne zaubern, präsentiert eine andere Gruppe ihr „Bewegungstheater“. Vier junge Schülerinnen laufen aufeinander zu und prallen in der Mitte zusammen. „Blauer Fleck“ rufen sie im Chor. Eine andere Gruppe stellt „sich grün und blau ärgern“ dar, am Ende stampft ein Mädchen dabei energisch auf den Boden.
Es geht um das kreative Erzählen in Bildern, Formen und Symbolen. „Dabei läuft alles nach dem Prinzip ,learning by doing'“ sagt Antje Göhmann, Organisatorin des Theatertags. „Die Kinder – und auch Lehrer oder Referendare – sollen reflektieren, was sie machen und wie sie es machen, und sie sollen vergleichen können, wie andere es machen.“
Antje Göhmann ist „Schultheatermultiplikatorin“ in Unterfranken. Alle Leiter der sechs Workshops haben diese Funktion inne. „Das ist eine Zusatzausbildung für Lehrer“, erklärt sie. Mindestens einmal pro Jahr treffen sie sich, um sich auszutauschen über den Stand des Schultheaters an den Schulen und um neue Ideen durchzusetzen – wie dieses Mal das Thema „Blau“. „Vorher hatten wir das Thema ,Theater schlägt Brücken', was gut zur Veranstaltung in Würzburg passte und so kamen wir von Brücken zu Wasser und dann zur Farbe Blau, mit der sich viel assoziieren lässt“, so Göhmann. Sprichwörter, Redensarten, Gefühle – „Blau“ sei vielfältig umsetzbar und außerdem die Lieblingsfarbe der Deutschen.
Die Farbe „Blau“ musste dabei sogar ein bisschen leiden. Die Clownerie-Teilnehmer stellten ein Gemälde mit blauer Farbe auf, wollten „Blau“ dabei aber lange Zeit nicht akzeptieren – „das ist braun“, „nein, ganz klar rot“, „eher grasgrün“. Keiner hatte das doch so schöne „Blau“ wirklich lieb.
Im „Tüchertheater“ (jeux dramatique) standen sich „Tag“ und „Nacht“ in einem erbitterten Rededuell gegenüber, wer denn der Bessere und Schönere sei. Die „Zauberei“- Workshopper machten mit ein wenig Magie und einer Prise Zaubersalz aus drei verschieden langen Seilen (selbstverständlich in blau) drei gleichlange, und bei den „Odysseus-Irrfahrten“ rasten 20 Kinder über die Bühne und rangelten in Paaren miteinander (Odysseus flieht vor den Göttern). Immer, wenn die Musik stoppte, mussten auch sie ihr Rangeln „einfrieren“.
Am Ende des „blauen Theatertages“ kleben alle Kinder erschöpft an den Lippen von Antje Göhmann: „Ich hoffe ihr hattet Spaß“. Die meisten gucken zufrieden. Um kreativ-künstlerischen Nachwuchs für den Kreis Schweinfurt braucht man sich nach diesem Tag offenbar nicht allzu viele Gedanken machen. Genauso wenig darüber, wenn laute, schmerzverzerrte Schreie aus einer Sporthalle schallen. Es muss sich nicht unbedingt gleich ein Sportler etwas gebrochen haben, im Zweifel könnten es auch Nachwuchs-Clowns gewesen sein, die gerade „heißer Stuhl“ spielen.