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Zürich (dpa)
Blatters Kehrtwendung? - DFB fordert schnellen Rückzug
Joseph Blatter und kein Ende. Der umstrittene FIFA-Chef beschäftigt weiter die Fußball-Welt. Meldungen, wonach der Machtmensch seinen Rücktritt vom Rücktritt plane, stoßen auf wenig Gegenliebe. Der DFB fordert eine schnelle Ablösung ein.
FIFA-Präsident       -  Joseph Blatter hatte angekündigt, sein Amt zur Verfügung stellen zu wollen. Foto: Ennio Leanza
| Joseph Blatter hatte angekündigt, sein Amt zur Verfügung stellen zu wollen. Foto: Ennio Leanza
Von Stefan Tabeling, dpa
 |  aktualisiert: 27.04.2023 02:23 Uhr

Rücktritt vom Rücktritt oder doch nur ein Blatter-typisches Manöver gegen seine schärfsten Kritiker: Der Kampf um den FIFA-Chefsessel könnte eine überraschende Wendung nehmen.

Der umstrittene Präsident Joseph Blatter soll einem Medienbericht zufolge doch wieder über einen Verbleib im Amt nachdenken und hat damit deutliche Reaktionen hervorgerufen. Die Zeitung «Schweiz am Sonntag» berichtet unter Berufung auf das Umfeld des Fußball-Weltverbandschefs, Verbände aus Asien und Afrika wollten den angekündigten Rückzug des 79-Jährigen verhindern. Blatter wiederum fühle sich dadurch geehrt und schließe nicht aus, weiter an der Spitze des skandalgeschüttelten Verbands zu bleiben.

Der Deutsche Fußball-Bund und Domenico Scala als Vorsitzender der FIFA-Compliance-Kommission erteilten dem möglichen Ansinnen Blatters gleich eine Absage. «Wir kennen auch nur die Medienberichte aus der Schweiz, die uns in unserer klaren Haltung bestärken: Der von Blatter selbst angekündigte Rücktritt muss jetzt so schnell wie möglich formal vollzogen werden», sagte DFB-Mediendirektor Ralf Köttker und Scala betonte: «Für mich sind die Reformen das zentrale Thema. Deshalb halte ich es für klar unverzichtbar, den eingeleiteten Prozess des Präsidiumswechsels wie angekündigt umzusetzen.»

Auch Bundestrainer Joachim Löw forderte Blatter auf, bei seinem ursprünglichen Plan zu bleiben. «Die FIFA muss, soweit mir das zusteht als Trainer, sagen, dass neu strukturiert und neu geordnet und ein gewisser Neubeginn gemacht werden muss, weil es dem Fußball alles sehr geschadet hat - und das war gefährlich. Ich denke, einen Rücktritt von einem Rücktritt darf es normalerweise nicht geben», sagte Löw am Sonntag dem TV-Sender Sky.

Der Schweizer Rechtsprofessor Mark Pieth, der als Anti-Korruptions-Experte der FIFA mit seinen Reformvorschlägen gescheitert war, geht sogar weiter. Blatter müsse sofort gehen. «Blatter kann sich nicht als lame duck für Monate an seinen Job klammern. Es macht keinen Sinn, weiter Zeit zu verschwenden mit politischen Machtspielen.»

Genau darin ist Blatter aber ein Meister seines Fachs. Zu den Spekulationen wollte sich der Machtmensch nicht äußern, seine Tochter Corinne schließt im Gespräch mit der Schweizer Zeitung «Blick» eine Kehrtwendung aus: «In Anbetracht der Ankündigung meines Vaters vom 2. Juni erübrigt sich jeder weitere Kommentar.»

Gar so abwegig scheint ein Verbleib Blatters aber nicht zu sein. Von den möglichen Nachfolgekandidaten kristallisiert sich noch keiner heraus, der auf dem außerordentlichen Kongress eine Mehrheit für sich erzielen könnte. So hat sich UEFA-Chef Michel Platini auch noch nicht zu einer möglichen Kandidatur geäußert, in Hinterzimmer-Gesprächen will der Franzose erst die Lage erörtern. Auch Brasiliens früherer Fußball-Star Zico, der portugiesische Ex-Weltfußballer Luis Figo oder der gegen Blatter gescheiterte jordanische Prinz Ali bin al-Hussein scheinen aktuell nicht mehrheitsfähig zu sein. So könnte es am Ende doch wieder auf Blatter hinauslaufen.

Dagegen sprechen aber die Ermittlungen der US-Justiz wegen Korruption, Verschwörung sowie organisierten Verbrechens. Auch wenn gegen Blatter nicht offiziell ermittelt wird, meidet der Schweizer Reisen nach Nordamerika. So bleibt Blatter, der vier Tage nach seiner Wiederwahl Anfang des Monats seinen Rückzug angekündigt hatte, derzeit der Frauen-WM in Kanada fern. Die FIFA soll sich indes mit Star-Verteidiger Lorenz Erni gegen Milliarden-Klagen in den USA rüsten.

Geht es nach Pieth müsse sofort ein Mann von außen als eine Art Interimspräsident der FIFA wieder zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen. Der Jurist brachte dabei den früheren DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und Sunil Gulati, der Chef des US-Fußballverbandes ins Gespräch. «Es sollte nicht einer dieser alten Hasen werden, da dieser sonst gleich selbst in Schwierigkeiten und Misskredit gerät.» Für Pieth wäre Gulati auch ein geeigneter Kandidat für eine langfristige Präsidentschaft. Als möglicher Termin für die Neuwahlen gilt der 16. Dezember.

Blatter will bis dahin selbst Reformen auf den Weg bringen. Wie diese aussehen müssten, weiß IOC-Präsident Thomas Bach. «Die FIFA hat zwei Aufgaben. Erstens die vollumfängliche Aufklärung aller Vorkommnisse und der schwerwiegenden Anschuldigungen, zweitens eine weitreichende Strukturreform», sagte Bach dem Magazin «Spiegel» und verwies auf den Reformprozess innerhalb des IOC nach dem Salt-Lake-City-Skandal.

Unterdessen hat Jack Warner, eine der Schlüsselfiguren im Korruptionsskandal, Bestechungsversuche bei der Vergabe der WM 2006 an Deutschland bestritten. «Ich habe mich nie bestechen lassen. Es hat mir nie jemand Geld angeboten, auch nicht die Deutschen», sagte Warner dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel». Im Zuge des FIFA-Skandals waren zuletzt eine Reihe von WM-Vergaben der Vergangenheit infrage gestellt worden. Vor allem in den Bewerbungsverfahren um die Turniere 1998 und 2010 soll es angeblich Millionen-Bestechungszahlungen an FIFA-Funktionäre gegeben haben. Wegen der umstrittenen Entscheidungen für die WM 2018 in Russland und 2022 in Katar ermittelt die Schweizer Justiz.

 
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