
Ein menschlicher Knochen erscheint stabil und beständig. Im Inneren wird er jedoch unablässig ab- und neu aufgebaut. Auch in seiner Struktur ist ein Knochen nicht massiv, sondern besteht aus vielen winzigen, miteinanderverstrebten Bälkchen. Auf- und Abbau können gestört sein. Die Balkenstruktur wird dann löchrig, der Knochen bruchanfällig.
Das gehört zwar zum natürlichen Alterungsprozess, aber in vielen Fällen liegt eine behandelbare Krankheit vor – die Osteoporose (Knochenschwund). Betroffen sind vor allem Frauen nach den Wechseljahren. Beim jüngsten Rheumaforum am Augsburger Klinikum erläuterte der Orthopäde Dr. Hermann Schwarz die Versorgungssituation sowie neue Diagnose- und Therapieansätze.
Ein Oberschenkelhals- oder Wirbelsäulenbruch aufgrund einer Osteoporose führt laut Schwarz statistisch zu einem sieben bis acht Jahre früheren Tod. Deshalb dürfe Osteoporose nicht als etwas Normales hingenommen werden. Sechs bis sieben Millionen Deutsche leiden darunter, 2,1 Prozent aller über 50-Jährigen erkranken jährlich daran. Die Behandlung von osteoporosebedingten Brüchen (von denen 60 bis 70 Prozent zu verhindern wären) koste jährlich 4,5 Milliarden Euro. Für Medikamente gegen Osteoporose würden dagegen nur 180 Millionen Euro ausgegeben, sagte Schwarz. Die Ärzte hätten große Angst vor Regressen.
In der Diagnostik gibt es aber noch ein anderes Problem: Es fehlt eine leistungsfähige und zugleich gut handhabbare Methode, das Risiko eines Knochenbruchs bei einem Patienten zu ermitteln.
Weltweit verbreitet ist das „Fracture Risk Assessment Tool“ (FRAX) der WHO. FRAX besagt, wie hoch die Gefahr ist, dass der Patient innerhalb eines Jahres einen Oberschenkelhalsbruch erleidet. Dieser Algorithmus liefert laut Schwarz gute Ergebnisse. Damit solche Patienten nicht durchs Raster fallen, müsste der Hausarzt nach Aussage von Schwarz sehr viele Parameter ermitteln, was nicht praktikabel wäre. Der Nutzen der Knochendichtemessung sei sehr umstritten; man komme damit allerdings den Patienten auf die Spur, bei denen eine Therapie nicht anschlägt. Der Trend gehe dahin, mehr Risikofaktoren einzubeziehen und die Diagnoseergebnisse genauer einzuteilen.
Der Osteoporose lässt sich wirksam vorbeugen. Damit der Knochenabbau nicht fortschreitet, sollte man sich körperlich bewegen (mindestens eine halbe Stunde täglich), ausreichend Kalorien in Form einer ausgewogenen Ernährung zu sich nehmen und nicht rauchen. Kalzium wird zwar zum Knochenaufbau gebraucht. Dem Körper Kalzium zuzuführen, nützt laut Schwarz aber nichts, wenn er über zu wenig Vitamin D verfügt.
Schwarz ging auf drei Medikamente ein, die neu auf dem Markt sind oder kurz vor der Zulassung stehen: Kathepsin, Odanacatib und Sclerostin. Alle drei Wirkstoffe greifen in den Auf- und Abbau von Knochensubstanz oder deren chemische Signalgebung ein, um die allmähliche Zerstörung des Knochens aufzuhalten.
Der Referent nahm auch zum Risiko eines Osteoporosepatienten Stellung, eine Kiefernekrose (Absterben von Kieferknochen) zu erleiden. Die Gefahr besteht bei Behandlung mit Bisphosphonat, ist aber laut dem Mediziner sehr gering. Es sollte vor der Therapie abgeklärt werden, ob eine notwendige Zahnbehandlung noch aussteht. Das Risiko sei etwas höher, wenn weitere Faktoren wie Diabetes (Zuckerkrankheit), koronare Herzkrankheit, Rheuma oder Rauchen hinzukommen, hieß es.