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REGION WÜRZBURG
Beobachten statt buddeln
Die Natur arbeiten lassen: Permakultur scheint etwas für faule, aber kluge Gärtner zu sein, ökologisch und ökonomisch zugleich. Der 26-Jährige ist ein solcher.
Roland Pleier
 |  aktualisiert: 27.04.2023 00:40 Uhr

Jonas Gampe hat die Ruhe weg. Wenn er auf dem gemähten Streifen durchs hüfthohe Gras streift, bleibt er mal hier stehen, schaut er mal da. Eifer scheint ihm fremd zu sein auf dem Weg zu dem mannshoch aufgeschütteten Buckel im Zentrum seines Parks. Die junge Eiche obenauf wird noch Jahre brauchen, bis sie den Innenradius der ringförmigen Bank erreicht hat. Da sitzt er dann, der Mann mit dem markanten Spitzbart, ein Tuch ums Haupt gewunden – und macht nichts. Nichts außer beobachten und auf Fragen warten. So ruhig er auch wirkt: In seinem Gehirn scheint es unentwegt zu rattern. Die Natur erforschen: Was geht, was geht nicht, im Jetzt und im Hier? Das ist wohl eine der wichtigsten Geduldsproben für alle, die sich mit Permakultur beschäftigen.

Gampe ist Garten- und Landschaftsbau-Techniker. Seine Brötchen verdient er teilweise freiberuflich, teilweise mit einer Halbtagsanstellung – wenn er sie denn nicht selbst bäckt im selbst gebauten Lehmofen in seinem Permakulturpark bei Bischbrunn. Darüber hinaus ist der 26-jährige Uettinger Permakultur-Designer – neben Ute Solf aus Kolitzheim der einzige in Unterfranken – und einer von zwei Dutzend, die für die Permakultur Akademie als Tutoren tätig sind.

Wenn Gampe Kurse hält, übernachten seine Studenten in dem Tipi gleich neben dem Eichenhügel. Dazwischen stehen nur ein paar Pizzaöfen. Der Versuch, das Dach darüber praktischerweise mit Kräutern zu begrünen, ist sichtlich misslungen: Die Pflanzen sind auf der schrägen Dachpappe abgerutscht, vertrocknet. Gampe bleibt gelassen. Das Scheitern gehört zum Konzept. „Was nicht ohne Pflege klar kommt, hat keine Existenzberechtigung.“ Das Gelingen aber auch. Das Verfahren dabei: „Etwas in die Natur setzen und gucken, was passiert.“

Vom Hochsitz aus schweift der Blick über den 30 Meter schmalen und 400 Meter langen Streifen des Brunn-Guts, umzingelt von konventionellen Äckern mit den Flurnamen Sturmsrott, Schulzen-, Franzen- und Valtinshansel-Gut. Oberflächlich betrachtet ist es nicht mehr als eine wilde Wiese mit ein paar Büschen. Ahorn, Eberesche und Kirsche verschwinden noch im Gras.

Am Rand des Streifens aber tobt ein erbitterter Kampf. Die Arena ist mit zwölf Schritten zu umschreiten. Hier herrscht Staudenknöterich, wie ihn der Würzburger Forscher Philipp Franz von Siebold vor gut 200 Jahren aus Japan mitgebracht hat, laut Gampe „die am schnellsten wachsende Pflanze Europas.“ Er ist der Freund aller Imker, aber auch der Erzfeind aller Gärtner, „das Schlimmste, was man im Garten haben kann“. Wild wuchernd ist er schwer einzudämmen. Die Wiese aber schafft das: „Ihr Druck ist so stark, dass er sich nicht weiter ausbreitet“, beobachtet Gampe. Mannshohe Brennnesseln haben den Strauch durchdrungen. „Es ist spannend zu beobachten, wie das weitergeht“, sagt er – und tut nichts weiter.

Umgraben, Unkraut jäten? Nicht hier! Heu macht das Beet. Die Wiese wird nur einmal im Jahr gemäht, das Heu 80 Zentimeter hoch aufgeschichtet. Im Winter verdichtet es sich auf fünf Zentimeter. Und drunter nur noch: krümelige Erde. So entsteht ein Beet. Gampe experimentiert mit Heukartoffeln: Saatkartoffeln werden auf dem blanken Boden gelegt und mit 40 Zentimeter Heu zugedeckt. Ohne Buddeln, ohne Häufeln. „Das funktioniert.“ Auch mit Zucchini, Kürbis und Mais. Nur brauchen Jungpflanzen noch Kupferrohre oder Schneckenringe als Schutz. „Die natürlichen Feinde der Schnecken fehlen noch.“

Das Gemüse, so erzählt er, sei „der Spielplatz“ seines Vaters. Hermann Gampe, von Beruf Sozialpädagoge, wohnt grade mal einen Kilometer entfernt. Er hat auch den Mauerwinkel aus Bruchsteinen errichtet, mit flachen, schräg gestellten Abschlusssteinen in traditionell schottischer Art. Auf dem kahlen Felder-Buckel ist diese Mauer Windfang und zugleich Wärmespeicher für die Gemüsebeete dahinter. Vom Teich ist derzeit nur eine Pfütze übrig. Wenn der Boden einst dicht ist, soll die spiegelnde Wasserfläche dem Gemüse zusätzlich Licht und Wärme bringen.

Als die Gampes die beiden Flurstücke 2009 kauften, standen dort sechs alte Obstbäume. Sonst nichts. Helfer setzten fünf Dutzend Birnen, Zwetschgen- und Apfelbäume, Felsenbirne und Esskastanien, dazu 500 Sträucher, vor allem auf der Westflanke, zum Getreidefeld hin: als Windschutz, als Feuchtigkeitslieferant und für die Vögel. Diese durchdringen das Gebrummel der Autobahn, die 200 Meter südlich vorbeiführt. „Sie sind Insektenregulatoren“, sagt Gampe. „Wenn man viele Strukturen hat, kann sich vieles entwickeln.“

Dazu gehört, dass er den Nord-Zipfel des Flurstücks aufforstet. Buche, Eiche, Ahorn, Kirsche. Gampe darf das, entschied das Verwaltungsgericht 2011. Vergeblich hatte die Gemeinde Bischbrunn versucht, die amtliche Genehmigung zu verhindern. Sie hatte eine „Beeinträchtigung der Jagd“ und Nachteile für die Landwirtschaft befürchtet. Mit Streuobstwiese und Hecken für die Nützlinge, Teichen, Beeten und dem Stückchen Wald will Gampe ein kleines Ökosystem schaffen, das sich selbst erhält, das sich selbst düngt, wo er nur noch zu ernten braucht. „Das ist ein Experimentiergelände“, sagt er, mit mehrjährigen Pflanzen als Grundgerüst. So etwas wie extensive Bio-Landwirtschaft, für bewusst faule Gärtner, ökonomisch und ökologisch zugleich.

Das Angenehme an seiner Arbeit ist: „Wir stehen nicht unter dem Zwang, etwas herausholen zu müssen. Wir haben die Freiheit, etwas ausprobieren zu können.“ Mit dem „Wir“ schließt der 26-Jährige die Familie ebenso ein wie seine Studenten. Der einzige Nachteil sei: Die Natur sei „ein bisschen träge“. Einen Bauernhof auf diese Art der Bewirtschaftung umzustellen, „das ginge nicht auf einen Schlag“.

Wohl aber wäre es möglich, auf diese Art die 1800 Bischbrunner mit Obst und Nüssen, Kartoffeln, Gemüse und Getreide zu versorgen – und zwar auf jenen 78 Hektar Ackerfläche zwischen Bischbrunn und der Autobahn 3, in deren Mitte der Permakultur-Park liegt. Zu diesem Ergebnis kamen die 23 Permakultur-Studenten, die Gumpe 2013 zu Gast hatte, nach vier Tagen fiktiver Planung.

Einen Erfolg hat Gampe bereits erzielt: Bodenuntersuchungen hätten gezeigt, dass sich „alle Werte leicht bis mittel verbessert haben“. Mit Heu als einzigem Dünger – auf einem Stück Acker, den die Bauern haben links liegen lassen, weil er praktisch zu nichts nutze war.

Permakultur

Der Begriff wurde 1911 geprägt und ist eine Verkürzung von „permanent agriculture“ – dauerhafte Landwirtschaft. Es ist ein Konzept zum Aufbau landwirtschaftlich produktiver Lebensräume, die sich selbst erhalten – kulturelle und natürliche Lebensräume in ihrer ganzen Vielfalt. Permakultur integriert ökologisch basierte Entwurfskriterien, die Ethik einer wertorientierten Arbeit und die standortspezifischen Gegebenheiten eines Ortes und seiner Bewohner. Sie will die Nahrungsversorgung weltweit langfristig besser sichern als industriell-konventionelle Anbaumethoden.

Das Konzept entwickelt haben die beiden Australier David Holmgren und Bill Mollison Mitte der 1970er Jahre. Letzterer wurde dafür 1981 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. In Deutschland gründeten Margrit und Declan Kennedy 1984 den Verein PermaKultur Institut, eigenen Angaben zufolge ist er die „beständigste Organisation der Permakultur-Bewegung im deutschsprachigen Raum“. An deren Akademie werden seit 2003 Permakultur-Designer ausgebildet.

Homepage: www.permakultur-institut.de.

Der Park von Jonas Gampe hebt sich deutlich von konventionell bewirtschafteten Äckern ab. FOTO: Bayerische Vermessungsverwaltung

Durch Schneckenring geschützt: Kürbis im Heubeet.
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Schmuck und nützlich: das Insektenhotel
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Aus Lehmkugeln gebaut: ein Pizzaofen, luftgetrocknet.
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