810 Kilometer sind es von München nach Hamburg. Mit dem Flugzeug benötigt man für diese Strecke eine Stunde und 20 Minuten, mit der Bahn sind es fünf Stunden und 50 Minuten. Das Chariteam München braucht für die Strecke acht Tage – mit dem Rennrad.
Das vor fünf Jahren gegründete Chariteam München ist eine bunte Mischung aus Sportlern und Hobbysportlern aus ganz Deutschland, die mit ihrer Leidenschaft, dem Rennradfahren, Gutes tun wollen. In acht Etappen will das Team nun auf dem Weg quer durch Deutschland auf den offiziellen Charity-Partner, die ZNS-Hannelore-Kohl-Stiftung, aufmerksam machen. Seit 1983 setzt sich die Stiftung für Menschen mit Schäden des Zentralen Nervensystems (ZNS) als Folge von Schädelhirnverletzungen ein.
Die Verbindung zwischen Rennradfahrern und der Stiftung liegt nahe: 270 000 Menschen in Deutschland erleiden jedes Jahr eine Schädelhirnverletzung. „Durch das Tragen eines Helmes könnte ein Großteil dieser Verletzungen verhindert werden. Deshalb setzen wir immer einen Helm auf, nicht nur beim Rennradfahren. Auch, wenn wir nur kurz zum Bäcker radeln, um Brötchen zu holen“, sagt Teamchef Martin Stolzenburg. Auf der letzten Deutschlandtour vor zwei Jahren, die von München nach Berlin führte, war ein Betroffener mit dabei. Dieser hatte sich im Alter von 18 Jahren bei einem Unfall eine schwere Hirnverletzung zugezogen und ist seitdem nicht mehr in der Lage, sich Informationen langfristig zu merken. „Sportlich war er topfit, aber aufgrund seines Unfalls kann er keine Ausbildung machen, nicht studieren oder arbeiten und ist auf staatliche Gelder angewiesen.“, erinnert sich Stolzenburg. „Da bei seinem Unfall nie ein Schuldiger festgestellt werden konnte, kommt keine Versicherung für ihn auf. Es ist toll zu sehen, dass die ZNS-Stiftung Menschen wie ihn unterstützt – Menschen, die durch das Versicherungsraster fallen und für die niemand Verantwortung übernehmen will.“
Transporter begleitet Konvoi
Um Spenden zu sammeln und Aufmerksamkeit zu erregen, sind am vergangenen Samstag 16 Männer und sechs Frauen in München gestartet, auf dem Weg nach Hamburg werden weitere sechs Teilnehmer eingesammelt. Die Altersspanne reicht dabei von 30 bis 64 Jahre. Begleitet wird der Rad-Konvoi von einem Transporter mit Anhänger, in dem die Koffer der fleißigen Radfahrer transportiert werden, sowie von einem professionellen Begleitfahrzeug, das Tagesgepäck geladen hat. „Regenbekleidung und Proviant zum Beispiel“, erzählt Stolzenburg.
Ziel der Deutschlandtour ist das Vattenfall Cyclassics Rennen in Hamburg am kommenden Sonntag. Beim größten Jedermann-Rennen Europas gehen auf drei Distanzen mehr als 20 000 Teilnehmer an den Start. Bereits am Samstag soll eine offizielle Scheck-Übergabe an die ZNS-Hannelore-Kohl-Stiftung stattfinden. „Unser Ziel ist es, auf unserer Tour 15 000 Euro für die Stiftung zu sammeln“, sagt Stolzenburg.
Das Team, das sich größtenteils aus Hobbyradlern zusammensetzt, ist mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 Stundenkilometern unterwegs. „Dabei versuchen wir natürlich, als Gruppe zusammen zu fahren. Die vorderen achten also darauf, dass die hinteren auch mitkommen und nicht verloren gehen“, erklärt Volker Winkel, der als Mitglied des Chariteams für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.
Drei Etappen liegen bereits hinter dem Team: von München ging es über Donauwörth und Rothenburg ob der Tauber nach Würzburg. Am Dienstag haben sich die Teilnehmer auf die Weiterfahrt nach Fulda gemacht, mit 120 Kilometer eine durchschnittliche Distanz der Tour.
Der längste Streckenabschnitt liegt mit 145 Kilometern zwischen Fulda und Göttingen, der kürzeste wurde auf der Strecke von Rothenburg ob der Tauber nach Würzburg zurückgelegt: knapp 65 Kilometer. Pausen werden immer auf der Hälfte der Strecke gemacht, berichtet Stolzenburg. Dabei kann es durchaus auch zu unerwarteten Spenden-Sammelaktionen kommen: „Auf der Etappe nach Würzburg wollten wir eigentlich nur kurz einen Kaffee trinken gehen und sind dann in Aub gelandet, wo zufällig Kirchweih war.“ Der Teamchef hat dort das Team und die Tour vorgestellt und prompt mehr als 200 Euro an Spendengeldern sammeln können. Das Geld geht – wie alle Spendeneinnahmen – direkt an die ZNS-Hannelore-Kohl-Stiftung. „Wir fahren jetzt überall raus, wo Kirchweih ist“, schmunzelt Stolzenburg.
Rückfahrt mit Bus und Bahn
Nach dem Rennen am Sonntag ist die Deutschlandtour 2014 des Chariteams München offiziell beendet. Zurück geht es nicht mit dem Rennrad, wie Martin Stolzenburg berichtet, sondern mit der Bahn, dem Flugzeug oder dem eigens angemieteten Shuttle-Bus. Das geht bekanntermaßen viel schneller.