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WÜRZBURG
Bahnhofsmission: Ein Lächeln, eine Tasse Tee
Freiwillige Engagement: Dr. Walter Bauer und Jessica Wolf versorgen eine Besucherin der Bahnhofsmission mit Tee und belegten Brötchen.
Foto: Purlein | Freiwillige Engagement: Dr. Walter Bauer und Jessica Wolf versorgen eine Besucherin der Bahnhofsmission mit Tee und belegten Brötchen.
rtg
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:49 Uhr

Wenn er wollte, könnte Walter Bauer gemütlich zu Hause bleiben. Lange lesen. Italienisch lernen. Bücher schreiben – jüngst ist erst ein Buch von ihm erschienen. Doch der promovierte Altphilologe, der lange das Friedrich-Koenig-Gymnasium leitete, glitt nahtlos vom Berufs- in das „Ehrenamtsleben“ über. Seit mehr als fünf Jahren engagiert er sich in der Würzburger Bahnhofsmission. „Das hatte ich mir für meinen Ruhestand vorgenommen“, sagt der 69-Jährige. Und noch keine Minute bereut.

Auch Jessica Wolf, eine dynamische junge Frau, die seit 2010 in Würzburg Soziale Arbeit studiert, kann sich ein Leben ohne die Bahnhofsmission nicht mehr vorstellen, schreibt Günther Purlein von der Christophorus-Gesellschaft. Nach dem Abi absolvierte sie in ihrer Geburtsstadt München ein sechswöchiges Praktikum bei der dortigen Einrichtung: „Danach wusste ich, dass meine Studienwahl 'Soziale Arbeit' das Richtige für mich ist.“ In Würzburg bekam sie schließlich einen Studienplatz. Kaum angekommen, entschied Wolf, nebenher in der von der ökumenischen Christophorus-Gesellschaft getragenen Einrichtung tätig zu werden. Vor einem halben Jahr wurde sie zur Sprecherin des rund 20-köpfigen Ehrenamtsteams der Bahnhofsmission gewählt.

Wie steht es eigentlich um die Erfolgschancen beim Einsatz für Menschen, die auf der Straße oder in großer Armut leben, süchtig oder seelisch krank sind? „In den mehr als fünf Jahren meines Engagements habe ich erfahren, dass es nur selten gelingt, unsere oft stark belasteten Besucher auf eine 'neue Schiene' zu setzen“, sagt Walter Bauer.

„Da wusste ich, dass meine Studienwahl 'Soziale Arbeit' das Richtige für mich ist.“

Jessica Wolf, Studentin

In lediglich zwei Fällen ist ihm bekannt, dass Besucher der Bahnhofsmission, die in prekären Umständen lebten, einen regulären Job fanden. Sie dorthin zu bringen, darauf zielen jedoch weder die Haupt- noch die Ehrenamtlichen ab. Es geht vielmehr um „Kleinigkeiten“: Die Tasse Tee. Das Stück Kuchen. Ein nettes Gespräch. Eine Nachfrage. Ein Lächeln.

Die Ehrenamtlichen der Bahnhofsmission sind einfach da für diejenigen, die in die Einrichtung kommen. Das klingt nach wenig. Und bedeutet doch sehr viel.

Jessica Wolf erinnert sich zum Beispiel an einen älteren Herrn in ärmlicher Kleidung, der kürzlich still und stumm am Tisch saß. Während die anderen Besucher miteinander sprachen und scherzten. Hin und wieder stand er auf, um sich Tee nachschenken zu lassen. Beim dritten Mal fragte ihn Wolf: „Was sagen Sie denn zu diesem Mistwetter?“ Da sprudelte es nur so aus dem Mann heraus – ja, wirklich, eine Katastrophe! Wohin hat sich bloß die Sonne verzogen? „Mit einem Lächeln ging er dann weg“, berichtet Wolf. „Das war für mich so schön!“

Dass es Anlaufstellen gibt, wo Menschen für andere Menschen ohne Forderungen und Ansprüche einfach da sind, ist ein Gradmesser für die Humanität einer Gesellschaft, betonen Jessica Wolf und Walter Bauer anlässlich des Tags der Bahnhofsmission 2012. Der rückt heuer am 21. April das ehrenamtliche Engagement in den Mittelpunkt. „Lass Dich vom Leben überraschen: Freiwillig engagieren in der Bahnhofsmission“ lautet das Motto. Überraschungen haben Jessica Wolf und Walter Bauer in den vergangenen Jahren zahlreiche erlebt. Sich auf die Besucher, deren Eigenarten und Schicksal einzulassen, das erfahren sie immer wieder als spannend.

Weitere Freiwillige sind der Einrichtung laut Ehrenamtssprecherin Jessica Wolf hochwillkommen. Wobei sich jeder Interessierte natürlich gut überlegen sollte, ob für sie oder ihn ein Engagement in der Bahnhofsmission sinnvoll ist.

„Manchmal bekommen wir auch richtig schlimme Sachen mit“, will die Studentin nicht verschweigen. Das kann mit den haupt- und ehrenamtlichen Kollegen aus dem Team der Einrichtung besprochen werden. Danach sollte man sich jedoch auch wieder von den Eindrücken frei machen können. Um offen für die nächste Überraschung zu werden. Das nächste schöne Gespräch. Oder den nächsten Anlass, mit einem Besucher zu lachen.

Kontakt: Tel. 5 23 10, E-Mail: bahnhofsmission@christophorus-wuerzburg.de

 
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