„Lebensgefahr“ steht auf dem Schild, das zwischen zwei Bäume gespannt ist. Der Durchgang ist verboten. Denn im Wald hinter der Absperrung fallen Bäume. Die sogenannte Durchforstung findet derzeit im Staatswald des Reviers Mainberg statt. Voraussichtlich bis Ende kommender Woche werden die Waldarbeiter dafür tageweise Wege im Gebiet zwischen Peterstirn und Almrösl für Spaziergänger und Freizeitsportler sperren. „Es wäre einfach zu gefährlich“, sagt Revierförster Hubert Feuchter. Die Waldarbeiter sind nämlich nicht einfach nur mit Axt und Kettensäge unterwegs. Sondern mit einer riesigen Maschine, einem sogenannten Harvester oder Vollernter.
Im Führerhaus des mehrere hunderttausend Euro teuren Gefährts sitzt Forstwirt Peter Kleinhenz. Sein Blick wandert über die Bäume, er sucht nach markierten Stämmen. Mit zwei Joysticks steuert er den Greifarm mit dem Harvester-Kopf. Wie eine riesige metallene Hand umschließt der den Stamm. Mit der Kettensäge schneidet der Vollernter den Stamm ab und hebt ihn in die Waagerechte als wäre es ein Grashalm. Dann drücken Walzen den Stamm der Länge nach durch den Harvester-Kopf, der alle seitlichen Äste abrasiert. Die Kettensäge schneidet das Holz gleichzeitig in transportfähige Stücke, die zu Boden krachen. Ein kompletter Baum ist in nicht mal einer Minute zerlegt. Mehr als seine Finger muss Kleinhenz nicht bewegen.
Um ein Vielfaches schneller
„Ich schaffe mit der Maschine knapp zehn Festmeter in der Stunde“, schätzt Kleinhenz. Ein Festmeter entspricht einem Kubikmeter Holz. „Mit den Waldarbeitern würden wir vielleicht anderthalb bis zwei Festmeter schaffen“, meint Förster Feuchter, „und wir wären sechs bis sieben Wochen beschäftigt.“ So sind für die Durchforstung etwa 1,5 Wochen eingeplant. Für die Arbeiter bedeutet der Harvester-Einsatz auch eine geringere Verletzungsgefahr, weil sie in der sicheren Kabine sitzen und nicht direkt mit Kettensäge und Axt hantieren.
Und Forstwirt Kleinhenz ist es trotz Minusgraden schön warm bei der Arbeit. Dass die Holzernte gerade jetzt bei der Kälte stattfindet, ist kein Zufall. Erst jetzt ist der Boden so durchgefroren, dass sich die Schäden durch den tonnenschweren Harvester in Grenzen halten. Denn Bodenschäden sind ein Hauptkritikpunkt am Einsatz von Harvestern. Für die Maschine haben die Forstleute im Abstand von 30 bis 40 Metern sogenannte Rückegassen angelegt, in denen sich der Vollernter durch den Wald bewegt. Das geschlagene Holz wird ebenfalls durch diese Schneisen abtransportiert.
Weil der Einsatz des Harvesters recht martialisch anmutet, ist es Revierförster Hubert Feuchter wichtig zu betonen, dass im Gebiet zwischen Peterstirn und Almrösl keinesfalls Kahlschlag stattfindet. „Wir nehmen etwa zehn Prozent des Bestands heraus“, sagt er, „das sind etwa 25 bis 30 Festmeter pro Hektar. Eine Maßnahme, die nur circa alle zehn Jahre stattfindet. Vor einem Jahrzehnt hatten die Arbeiter noch alle Bäume mit der Hand geschlagen.
Und auch heute noch wird längst nicht alles mit dem Harvester gefällt. „Bei den qualitativ hochwertigen Bäumen braucht man Waldarbeiter, die den Baum genau beurteilen können.“ Das kann ein Vollernter-Führer nicht, er sitzt einfach zu weit vom Stamm entfernt. Die Bäume, die Peter Kleinhenz gerade schlägt, sind etwa 60 Jahre alt und messen in Brusthöhe maximal 60 Zentimeter Durchmesser. Die meisten sind aber wesentlich dürrer. Es sind vor allem Laubbäume wie Eichen und Rotbuchen dabei, aber auch einige Lärchen. Der Löwenanteil des mit dem Harvester geernteten Holzes wird am Ende zum Beispiel zu Parkett oder „geht in die Spanplatte“, sagt Feuchter. Hochwertigere, weil dickere Bäume enden beispielsweise als Furnier.
Bedränger und Zukunftsbäume
Die Durchforstung erledigt eine externe Firma im Auftrag der Bayerischen Staatsforsten, denen der Wald gehört. Welche Bäume gefällt werden, legt allerdings Revierförster Hubert Feuchter fest. Er geht mit einer Dose orangener Sprühfarbe durch den Wald und markiert. Eine Wellenlinie und ein „VO“ sprüht Feuchter an die „Vogelbäume“. Das sind meist abgestorbene Bäume, in denen Vögel nisten oder ihnen als Insekten-Buffet dienen. Das Gebiet ist immerhin Schutzgebiet nach der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, kurz FFH-Richtlinie. Einen geraden Ring einmal um den Stamm herum bekommen die „Zukunftsbäume“. Die bleiben stehen, weil sie besonders schön gewachsen sind und nur noch wertvoller werden. Neben den Zukunftsbäumen, da markiert Feuchter die Fäll-Kandidaten mit diagonalen Strichen. Es trifft immer die stärksten ein bis zwei „Bedränger“, die dem „Zukunftsbaum“ das Licht wegnehmen.
Bis alle „Bedränger“ gefallen sind, bittet Hubert Feuchter Spaziergänger und Sportler eindringlich, die Warnhinweise zu beachten. Harvester-Fahrer Kleinhenz sagt, er habe häufig Probleme mit Schaulustigen, wenn die Äste fliegen. Für das Foto hatte er die Maschine übrigens angehalten.