zurück
WÜRZBURG
Autobahn-Schütze geschnappt
Der Mann, der jahrelang auf deutschen Autobahnen auf Autotransporter schoss, ist offenbar gefasst. Bei Würzburg ereignete sich der schwerste Fall: Eine Autofahrerin wäre um ein Haar getötet worden.
Autobahnschütze gefasst       -  Der Mann, der jahrelang auf deutschen Autobahnen auf Autotransporter schoss, ist offenbar gefasst.
Foto: Norbert Schwarzott | Der Mann, der jahrelang auf deutschen Autobahnen auf Autotransporter schoss, ist offenbar gefasst.
Von unserem Redaktionsmitglied Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:17 Uhr
Niemand muss mehr fürchten, das Schicksal von Petra B. zu teilen, wenn er über Deutschlands Autobahnen fährt. Die Angestellte aus Sachsen war im Herbst 2009 auf der Autobahn  3 unterwegs, als jäh ihre Seitenscheibe splitterte. Eine Kugel traf die Fahrerin im Nacken. Doch nun hat die Polizei offenbar den Schützen, der Verkehrsteilnehmer wie Petra B. als Zielscheibe benutzte: Am Sonntag nahmen Ermittler Michael K. (57) in Kall fest, einer 11 000-Einwohner-Gemeinde in der Nordeifel nahe Koblenz.

Über 700 Mal soll er auf Deutschlands Autobahnen geschossen haben, allein 147 Mal in Bayern. Vor allem unter Fahrern von Autotransportern – seinem bevorzugten Ziel – ging die Angst um. Ermittler der Würzburger Kripo und des Bundeskriminalamtes (BKA) in Wiesbaden haben fünf Jahre lang mühsam Teil für Teil ihr Puzzle zusammengefügt. Anhand der Schusswinkel hatten Kripo-Beamte bereits vermutet, dass der Täter selbst Lkw-Fahrer ist. Nun war Michael K. so überrascht vom Erscheinen der Polizei, dass er gestanden haben soll und die Ermittler zum Versteck seiner Waffen führte.

Zunächst hatte er mit Kleinkalibermunition geschossen, später auf Neun-Millimeter-Geschosse aufgerüstet. Zumindest eine der beschlagnahmten Waffen soll bereits als Tatwerkzeug identifiziert worden sein. Wie der Verdächtige geschnappt wurde, wollen BKA und Staatsanwaltschaft erst am Dienstag erklären. In Ermittlerkreisen hieß es aber, die Würzburger Kripo habe erheblichen Anteil an dem Fahndungserfolg in Nordrhein-Westfalen.
Fotoserie

Ein Indiz dafür: Den kräftigen Mann in schwarzer Freizeitkleidung führten am Montag nicht Fahnder des BKA aus Wiesbaden zum Würzburger Strafjustizzentrum. Ihn eskortierten die Würzburger Kripo-Beamten Hans-Jürgen K. und Bernd F. vom Kommissariat 1 (zuständig für Delikte gegen Leib und Leben). Gewöhnlich sind beim Termin vor dem Untersuchungsrichter jene Ermittler dabei, die Angaben zu Vernehmungen und Ermittlungen machen können. Der Tatverdächtige verbarg sein Gesicht unter einem Aktendeckel. Sollte Michael K. wegen des Schusses auf Petra B. wegen versuchten Totschlages angeklagt werden, könnte in Würzburg der Prozess stattfinden.

Petra B. reagierte in Plauen erstaunt auf die Nachricht: „Ich hätte nicht gedacht, dass der je geschnappt wird“, sagte sie auf Nachfrage dieser Zeitung. Ob sie Freude oder Zufriedenheit empfinde, könne sie noch nicht sagen: „Ich muss das erst einmal verarbeiten.“ Viele Fälle verliefen weniger spektakulär. Häufig wurden die Einschüsse erst am Ende langer Fahrten durch die Spediteure entdeckt.

Daher gestaltete sich die Suche nach dem Täter schwer. Selbst die Fahndung in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY – ungelöst“ brachte die Ermittlung nicht voran. Zuletzt waren für Hinweise, die zur Ergreifung des Schützen führen, mit 100 000 Euro Belohnung ausgelobt. Die Festnahme gelang wohl nach monatelangen Observationen und technischen Überwachungsmaßnahmen. So sollen BKA-Ermittler bundesweit Anlagen zur Erfassung von Lkw-Kennzeichen installiert haben. Die aufgezeichneten Daten wurden mit Handyverbindungsdaten abgeglichen – immer, wenn ein neuer Fall bekannt wurde.

Anschließend wurden die Fahrtrouten der beschossenen Autotransporter rekonstruiert und so lange mit den gewonnenen Handy-Daten und Autokennzeichen abgeglichen, bis sich die Ermittlungen auf einen Verdächtigen konzentrieren konnten.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) äußerte sich am Montag erleichtert. Dank der polizeilichen Zusammenarbeit sei es gelungen, „einen hochgefährlichen Täter dingfest zu machen, der auf unseren Autobahnen seit Jahren für Angst und Schrecken gesorgt hatte“.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen