
Aus der Distanz waren die 80er Jahre ein sehr spannendes Jahrzehnt. Kommunalpolitisch waren es Aufbruchjahre in eine Zeit, in der nach relativ fetten Jahren plötzlich Sparen angesagt war. Das Thema Umweltschutz erhielt nach Jahrzehnten eines schier grenzenlos erscheinenden Wachstums und des berühmten deutschen „Wirtschaftswunders“ nach dem Zweiten Weltkrieg plötzlich Bedeutung. Es gab viele Ideen, die einen in der Erinnerung noch heute schmunzeln lassen. In Würzburg blühte wie in keiner Zeit danach die Pop-Kultur mit legendären Auftritten von internationalen Stars, die auch heute noch zur Szene gehören. Die scheinbar kleinen Ereignisse, die damals ganz groß waren, wollen wir hier zumindest in Fragmenten in Erinnerung rufen.
April 1983: Wintex-Planspiele
Es war die Zeit, als sich Kommunen zur „atomwaffenfreien Zone“ erklären wollten. Da kam die berühmte Nato-Stabsrahmenübung Wintex. Es herrschte der „Kalte Krieg“. Das Planspiel sah vor, dass im Verteidigungsfall die Bürger von bestimmten Städten ihren Wohnort nicht verlassen durften. Weil auch Würzburg als „grenznah“ zur DDR galt, ließ Oberbürgermeister Klaus Zeitler die Frage von Schutzräumen für den Ernstfall überprüfen. Das Ergebnis war miserabel. Es gab nur rund 12 000 Behelfsschutzplätze für reinen „Trümmerschutz“. Zeitler forderte daraufhin Bundes- und Landesmittel, um neue Schutzräume zu bauen.
April 1983: Lebensgefährlicher Europastern
Worüber sollte der Stadtrat diskutieren, wenn er nicht die Kritik am Radwegesystem über Jahrzehnte konsequent ignoriert hätte? Im April 1983 gab es mit Stadträten und Verwaltungsmitgliedern nebst Ober- und sonstigen Bürgermeistern eine Radtour zu Berliner Ring und Europastern und man stellte fest:„Das ist ja geradezu lebensgefährlich“. Man kam zur Auffassung: „Bei der Enge wirklich brauchbare Verhältnisse für die Radler zu schaffen, ist ohne Radikallösungen nicht möglich. Lösungen führen nur über spürbare Einschränkungen im Pkw-Verkehr“.
Oktober 1984: Ende der Bleizeit
Beim Fränkischen Volksblatt, damals noch im Echterhaus, wurde dem Leser erstmals eine Zeitung vorgestellt, bei deren technischer Herstellung kein gegossenes Blei mehr verwendet wurde. Das Blei wurde ausgetauscht gegen Computer und Chemie. Der Fotosatz war zuvor schon in der technischen Zeitungsherstellung gebräuchlich. Mit dem Ende der Bleizeit endete in dieser Zeit im Druckgewerbe eine Epoche von rund 100 Jahren. Diesen Weg waren andere Zeitungsverlage schon vorher gegangen.
März 1985: Bankräuber erschossen
Am Vormittag des 29. März 1985 starb im Kugelhagel der Polizei ein Bankräuber, der gegen 8 Uhr eine Filiale der Städtischen Sparkasse an der Danziger Straße überfallen und 33 000 Mark erbeutet hatte. Auf seiner Flucht drang er in die Gaststätte „Heidingsfelder Hof“ in der Arndtstraße ein und bedrohte dort die 17-jährige Tochter der Wirtin. Das Haus war schnell von der Polizei umstellt. Die Schülerin konnte fliehen. Der Räuber wurde aufgefordert, das Haus zu verlassen, in dem er sich verschanzt hatte. Durch den Schlitz einer Gassenschänke konnte ihn die Polizei beobachten. Als er mit gezogener Pistole und Handgranate auf die Tür zuging, wurde er erschossen. Die Pistole entpuppte sich später als Schreckschusspistole, die Handgranate als Attrappe.
November 1985: Eishalle im Dallenbergbad
Eine richtige Eishalle war schon immer der Wunsch des Würzburger Stadtrats. Im November 1985 war eine Planung wieder einmal fast konkret. Um das Freizeit-Gelände des Dallenbergbades ganzjährig nutzen zu können, hatte man sich die Liegewiese oberhalb der Schwimmbecken zur König-Heinrich-Straße auserkoren. Die Überlegungen kamen deshalb, weil die Kunsteisbahn am Nigglweg, für die immer wieder eine Überdachung vorgesehen war, für die Landesgartenschau 1990 gebraucht wurde. Ein Argument: Man könnte Infrastruktur-Einrichtungen von Schwimmbad samt Parkplatz gemeinsam mit der Eisbahn nutzen. Pläne und Idee sind sang und klanglos in der Versenkung verschwunden. Mit ein Grund war wohl auch, dass der Bereich zur engeren Wasserschutzzone des Wasserwerks an der Mergentheimer Straße gehört.
März 1986: Ende eines erbitterten Kampfes
Im März 1986 stirbt im Dürrbachtal der 92-jährige Büttnermeister Franz Schmitt. Er hatte eine gewisse Berühmtheit erlangt, weil er mit seiner „Villa Victoria“ am Fuße des „Pfaffenberg“ partout nicht der neuen Bundesbahn-Schnelltrasse Hannover-Würzburg weichen wollte. Sein Haus, in dem er 56 Jahre lang lebte, stand in unmittelbarer Nähe des Tunnelmunds am Pfaffenberg, wo die Trasse über eine kurze Brücke über das Dürrbachtal in den Steinbergtunnel und dann in den Würzburger Bahnhof führt.
Er war wohl einer der Letzten, die dem Moloch Bahn trotzten. Denn der Widerstand gegen die Trasse war in den Jahren zuvor groß. Gefordert wurde eine unterirdische Trasse, die auch die Brücke über das Maintal zwischen Margetshöchheim und Veitshöchheim verhindert hätte. Einer der „Rädelsführer“ war der Estenfelder CSU-Landtagsabgeordnete Christian Will. Es gab eine Würzburger Protest-Delegation nach Bonn zum damaligen Innenminister Gerhart Baum (FDP). Die geforderte Tunnelvariante wurde nicht verwirklicht.
Der Büttnermeister bliebt standhaft und sagte: „Hier gehe ich nicht mehr raus.“ Deshalb wurde im Sommer 1985 durch die Bahn eine Besitzeinweisung verfügt und 400 Quadratmeter seines Grundstücks, die dringend für die Baustelle des Tunnels gebraucht wurden, amtlich weggenommen. Schmitt zeigte sich verbittert über den Staat, zumal ihm durch die Zerstörung Würzburgs im Zweiten Weltkrieg auch sein Geschäft in der Unteren Bockgasse als Lebensgrundlage genommen worden war.
Nach Schmitts Tod ging alles schnell über die Bühne. Die Bahn kaufte das Areal von den Angehörigen auf, nachdem es ohnehin praktisch wertlos geworden war. Das Haus stand in 40 Metern Distanz zum Tunnel-Portal und zwölf Meter vom Gleisbett entfernt. Es war im Rahmen der Bundesbahntrasse das einzige Enteignungsverfahren in Unterfranken.
Juni 1987: Etwas mehr „Nackerte“
Bei den Stadtwerken, verantwortlich für die Bäder, wollte man nicht nur mit nackten Zahlen arbeiten, sondern auch mit richtig „Nackerten“. Deshalb wurde ins Sanderauer Hallenbad zu hüllenlosen Badetagen eingeladen. Der Erfolg war gering. Am ersten Badetag gab es nur 31 Gäste, die sich Freikörperkultur wünschten, später nur minimal mehr. Das weibliche Geschlecht hielt sich fast ganz zurück. In dieser Zeit war es allerdings für jüngere Damen durchaus üblich, sich im Dallenbergbad zumindest „oben ohne“ zu zeigen. Es wurde sogar eine eigene Zone eingerichtet. Am Beckenrand war „oben ohne“ für eine gewisse „Schickeria“ noch auf Jahre üblich. Ein Thema, das sich von selbst erledigt hat.
Juni 1988: Schöne Hochhaus-Bescherung
Das denkmalgeschützte Hochhaus in der Augustinerstraße war schon im Jahr 1988 ein Ärgernis. Der Stadtrat war bis heute nicht in der Lage, es zu lösen. Im Juni 1988 präsentierte Hochbaureferent Heinz Lützelberger eine Sanierungsrechnung von 2,4 Millionen Mark. Der Stadtrat wat erstaunt, weil er ursprünglich nur 900 000 Mark ausgeben wollte. Doch der Kostenrahmen hatte sich aufgrund von Auflagen der Regierung für die Sanierung vom Keller bis zum Dach ein wenig erhöht. Was soll man da tun? Der Stadtrat hat später noch mehr in die Sanierung gesteckt. Doch seit knapp zehn Jahren steht das Hochhaus leer, weil es aufgrund statischer Mängel nicht mehr ganz sicher ist. Und der Stadtrat weiß nicht, was er machen soll.
Januar 1989: Das bislang teuerste Klo
Mit einem Klo hat es die Stadt immerhin zu einer Rüge vom Bund der Steuerzahler geschafft. Es wurde im Januar 1989 vom Stadtrat beschlossen, der allerdings wegen der hohen Kosten von 358 000 Mark über seinen eigenen Mut selbst erschrocken war. Schließlich sollte nur eine hässliche Toilettenanlage mit Kiosk vor dem Polizeipräsidium in der Augustinerstraße ersetzt werden. Die Summe reicht normalerweise für ein Einfamilienhaus, meinte CSU-Stadträtin Franziska Kimpfler. Der amtierende OB Klaus Zeitler, meinte scherzhaft, „wir wissen noch nicht, ob wir es in Silber oder in Gold machen“. Es wurde gebaut – und noch etwas teurer. Heute ist es kein Kritikpunkt mehr.
April 1989: Carl Diem erstmals in der Kritik
Im April 1989 kochte zum ersten Mal das Thema „Umbenennung der Carl-Diem-Halle“, weil große Zweifel an der politischen Integrität des Würzburger Sportfunktionärs aufgekommen waren. Der Antrag kam von der Grünen-Stadträtin Bärbel Benkert und sollte von der Mehrheit des Stadtrats am liebsten unter den Teppich gekehrt werden, weil das Thema so delikat war. Der damalige Oberbürgermeister Klaus Zeitler (SPD) wollte den Sportfunktionär als großen Förderer der olympischen Idee bewertet wissen, räumte aber auch ein, dass manches seiner Worte und Verhalten während der NS-Zeit nicht mehr dem Zeitgeist entspreche. Eine Umbenennung wurde abgelehnt. Die kam dann erst per Stadtratsbeschluss im Oktober 2003 unter Oberbürgermeisterin Pia Beckmann. Sie hatte die Persönlichkeit und Diems Rolle im NS-Regime über Monate intensiv diskutieren lassen – unter anderem in einem öffentlichen Forum mit Experten aus Geschichts- und Sportwissenschaft.