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UNTERFRANKEN
Auch auf Flüssen fahren mehr Kreuzfahrtschiffe
Von unserem Redaktionsmitglied Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:56 Uhr
Kreuzfahrten sind in. In jeder Fernsehzeitschrift kann man sich davon überzeugen. Seit Jahren eilt die Branche von einem Rekord zum nächsten. Daran wird aller Voraussicht nach auch die Havarie der „Costa Concordia“ in Italien nichts ändern. Doch nicht nur auf den Weltmeeren kreuzen die Urlauber wie nie zuvor, auch die Flüsse haben sie für sich entdeckt.

Ob auf Main, Donau, Wolga oder Nil – die Passagierzahlen bei Flusskreuzfahrten steigen Jahr für Jahr. Die Anbieter locken mit Wohlfühl-Flussreisen wie „Literarischer Genuss auf der Donau“, „Südfrankreich – Land des duftenden Lavendels“ oder „Wolga-Sinfonie zwischen Moskau und St. Petersburg“.

„Die Kreuzfahrtbranche boomt seit Jahren“, bestätigt Torsten Schäfer vom Deutschen Reise-Verband (DRV). Er kennt die Zahlen: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Deutschen, die eine Flusskreuzfahrt machten, auf 430 000 im Jahr 2010 mehr als verdoppelt. Vor allem Ältere schippern gern gemächlich auf Flüssen.

Das Durchschnittsalter eines deutschen Flusskreuzfahrers betrug 2010 59,4 Jahre und damit fast zwei Jahre mehr als im Jahr zuvor und über zehn Jahre mehr als bei Hochseetouristen. Hochseekreuzfahrten werden hingegen auch bei jungen Leuten immer beliebter: „Dort sinkt das Durchschnittsalter seit Jahren“, sagt Schäfer. Vor zehn Jahren waren es noch zehn Jahre mehr. Der durchschnittliche Reisepreis beträgt bei einer achttägigen Fahrt nach einer Studie des DRV etwas über 1100 Euro.

Welche Flüsse sind bei Deutschen am beliebtesten? „Mehr als ein Drittel aller Passagiere macht eine Flusskreuzfahrt auf der Donau“, sagt Schäfer. Damit liegt die Donau mit dem Passau als Dreh- und Angelpunkt unangefochten an der Spitze. Auf Platz zwei folgt in der Statistik der Rhein mit seinen Nebenflüssen, bevor es die Deutschen dann schon ins Ausland zieht: auf den Nil, nach Frankreich, Russland, auch in die Ukraine. Auf Platz sieben finden sich Elbe/Oder/Havel. Und der Main? „Der Main taucht in unserer Statistik nicht auf“, sagt Schäfer.

Um dazu Genaueres zu erfahren, haben wir bei Carsten Fäth vom Reisebüro Nees in Krombach, dessen Spezialität Flusskreuzfahrten für deutschsprachiges Publikum sind, nachgefragt, und der bestätigt die Befürchtung: „Die Bedeutung des Mains bei Kreuzfahrten ist relativ gering, er ist hauptsächlich Verbindungslied zwischen Rhein und Donau.“ Der Main allein sei eben zu kurz für längere Kreuzfahrten. Auch Nicole Joa-Kohlmann von der Reisewelt Joa in Karlstadt (Lkr. Main-Spessart) berichtet aus ihren Reisebüroerfahrungen, dass der Main bei den Mainfranken selbst nicht so gefragt ist:

Anders ist das offenbar bei Gästen aus Übersee, die etwa beim englischen Kreuzfahrtanbieter „Scenic Tours“ die Reise „Jewels of Europe River Cruise“ buchen: Die 15-tägige Reise führt von Amsterdam nach Budapest. Der Main ist zwar dabei wieder nur Verbindungsglied, aber für die ausländischen Gäste offenbar ein reizvolles. Der findige Weingutsbesitzer Johannes Deppisch aus Erlenbach bei Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) hat im letzten Jahr probeweise 165 unter anderem australische und neuseeländische Schiffstouristen mit Bussen von der Anlegestelle in Miltenberg nach Marktheidenfeld karren lassen und ihnen eine Schlossbesichtigung, eine Pferdekutschenfahrt und fränkisch-bayerische Folklore geboten.

Die Passagiere und der Anbieter waren offensichtlich angetan: In diesem Jahr sind 40 Termine mit „Jodeling“ und „Schunkeling“ geplant. Und tatsächlich kommt der Boom bei Flusskreuzfahrten auch auf dem Main an. Für Würzburg sind sie mittlerweile ein nicht zu vernachlässigender Wirtschaftsfaktor. „Die Zahl der Gästeübernachtungen durch Flusskreuzfahrten liegt in Würzburg bei 75 000“, so Carmen Moder vom städtischen Betrieb Congress-Tourismus-Wirtschaft.

Von 2001 bis 2010 hat sich die Zahl der Flusskreuzfahrtschiffe nach einer Statistik des Würzburger Hafens von 80 auf sage und schreibe 536 erhöht. Eine Statistik der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd, die für die Schifffahrt auf dem Main zuständig ist, zeigt für die Main-Schleuse Mainz-Kostheim eine Verdoppelung der Durchfahrten von Fahrgastkabinenschiffen innerhalb von zehn Jahren auf 870 im Jahr 2010.

In Kitzingen wird der Boom ganz besonders deutlich. Seit dem vergangenen Jahr hat die Stadt eine neue Anlegestelle direkt in der historischen Altstadt. Rund 10 000 ausländische Gäste strömten so gleich im ersten Jahr in die Stadt. „Für die Kitzinger Geschäftsleute ist das hundertprozentig“, freut sich der Leiter der Kitzinger Touristinformation, Walter Vierrether. „Die kaufen auch hochwertige Sachen“, nicht nur ein Eis oder eine Bratwurst, berichtet er begeistert. Wenn ein Schiff anlegt, begrüßt Vierreth zusammen mit Weinprinzessinnen die überwiegend australischen Gäste als historische Figur „Kitzinger Hofrat“, dann gibt es Weinproben, Stadtführungen oder Radtouren. 90 Hotelschiffe, also Passagierschiffe mit einer Länge von 110 oder 135 Metern, haben 2011 in Kitzingen angelegt, in diesem Jahr sollen es schon über 115 werden.

Unter den deutschen Anbietern von Flusskreuzfahrten ist das zehn Jahre alte Rostocker Unternehmen A-Rosa ein aufstrebender Neuling. „Wir haben jedes Jahr ein neues Schiff dazubekommen, das elfte wird in diesem Jahr noch auf Kiel gelegt“, sagt A-Rosa-Sprecherin Christine Cubasch. Aber die Fahrgäste wollen heutzutage nicht mehr einfach nur die Aussicht genießen.

Das Unternehmen lege deshalb Wert auf Kulinarik und Erholung an Bord und biete eine Auswahl von insgesamt über 150 Ausflügen: neben den klassischen Stadtrundgängen und Radausflügen auch Kanu- und Jeeptouren. Es sieht danach aus, als sollte es auf absehbare Zeit weiter bergauf gehen mit der Flusskreuzfahrtbranche. „Wir rechnen auch 2011 damit, dass es einen weiteren Anstieg gibt“, sagt etwa DRV-Sprecher Torsten Schäfer. Nur Nicole Joa-Kohlmann meint, doch einen kleinen Knick bei Kreuzfahrten erkennen zu können: „Wir haben dieses Jahr weniger Frühbucher als letztes Jahr.“ Als Grund dafür sieht sie aber nicht das gekenterte Hochseekreuzfahrtschiff „Costa Concordia“.

Das Unglück lässt Reisewillige offenbar nicht verzagter als bislang auf Kreuzfahrten schauen. Auf Flüssen sind vielleicht auch keine so spektakulären Unfälle wie die der „Costa Concordia“ zu erwarten. Doch auch dort müssen Kapitäne von Passagierschiffen schauen, wohin sie fahren. Im September ist auf der Donau bei Winzer in Niederbayern ein Kreuzfahrtschiff mit 200 Passagieren an Bord mit einem Frachter kollidiert und leckgeschlagen, im April ist ein Schiff mit 160 deutschen Passagieren bei Bratislava mit einem Frachtschiff zusammengestoßen.

Bei der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd zählt man auf dem Main pro Jahr im Schnitt 16 Unfälle bei 725 Fahrgastkabinenschiffen, auf der Donau zehn Unfälle bei 2700 Schiffen. Torsten Schäfer beruhigt: „Wenn man die Unfallstatistik sieht, gehören Schiffe zu den sichersten Verkehrsmitteln.“
 
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