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Altkennzeichen: Freie Wahl beim Nummernschild
Liberalisierung: 40 Jahre nach der Gebietsreform führen einige Landkreise die Altkennzeichen wieder ein. Manch einer kann bald aus verschiedenen Kürzeln wählen. Die alten Kombinationen sind vielen ein lokalpatriotisches Zeichen.
Ab Juli gibt es sie wieder: Autokennzeichen mit Hammelburger Nummer!
Foto: Roland Pleier | Ab Juli gibt es sie wieder: Autokennzeichen mit Hammelburger Nummer!

Von unserem Redaktionsmitglied

Thomas Borgböhmer

 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:41 Uhr

Sage und schreibe 24 verschiedene Autokennzeichen wurden bis 1972, vor der Gebietsreform, in Unterfranken vergeben. Die Region glich einem Flickenteppich. Dies änderte sich mit der Gebietsreform: Seitdem werden übersichtliche neun Kfz-Kürzel in den Landkreisen verwendet.

Hammelburger fuhren fortan nicht mehr unter HAB, sondern mit dem Kennzeichen KG für den Landkreis Bad Kissingen. Auch der Landkreis Gerolzhofen gab sein GEO ab und übernahm das Kennzeichen des Schweinfurter Nachbarn. 40 Jahre nach der Reform sollen die traditionellen Kennzeichen nun wieder eingeführt werden. Seit zwei Jahren ist die Rückkehr, angestoßen durch die Kennzeichenliberalisierung, ein Thema in den politischen Gremien. Im September 2012 stimmte der Bundesrat einer Änderungsverordnung zu und im Januar dieses Jahres erlaubte der Bayerische Ministerrat die Einführung der Altkennzeichen. Die endgültige Entscheidung obliegt dabei den jeweiligen Landräten.

Eine Wahl, keine Pflicht

Den Anfang machte Mitte Februar der Landkreis Rhön-Grabfeld: Der dortige Landrat Thomas Habermann (CSU) gab bekannt, dass neben NES ab Juli auch Kennzeichen mit KÖN für Bad Königshofen und MET für den Raum Mellrichstadt zur Auswahl stehen. Einen Monat später beschlossen die Mitglieder des Kreistages in Schweinfurt, dass das Altkennzeichen GEO wieder vergeben wird. Landrat Florian Töpper sprach von einer zukunftsweisenden, positiven Idee. Negative Aspekte könne er nicht sehen, da das GEO–Kennzeichen für die Bürger ja eine Wahl, keine Pflicht sei.

Die Gerolzhöfer Kreisrätin Birgid Röder (Bündnisgrüne) meint, dass das GEO-Kennzeichen die Identität und das Zugehörigkeitsgefühl stärke. Eine separatische Einstellung sehe sie nicht. Gerolzhofen ist seit mehr als 40 Jahren ein Teil des Landkreises Schweinfurt und das werde auch so bleiben. Das Landratsamt Schweinfurt rechnet nach bisherigen Anfragen von Bürgern aus dem Landkreis mit etwa 300 Änderungen von bereits zugelassenen SW-Kennzeichen auf GEO-Kennzeichen. Die Möglichkeit, das Altkennzeichen GEO zu übernehmen, haben alle Bewohner des Landkreises Schweinfurt.

Auf die Einführung des Kennzeichens HAB verzichtete Schweinfurt, weil die ehemalige Kreisstadt Hammelburg nicht im aktuellen Kreisgebiet liegt. Dennoch feiert das Hammelburger-Kürzel bald sein Comeback. Der Bad Kissinger Stadtrat befasste sich bereits vor rund zwei Jahren mit der Einführung der Altkennzeichen und sprach sich klar für die alten Kfz-Kürzel aus. Die endgültige Entscheidung fiel dann Landrat Thomas Bold zu, der die Einführung Ende März in der Zulassungsstelle des Kreises verkündete. Bold ist schon gespannt, wie stark die Anfrage in nächster Zeit sein wird. Zusätzlich kommen die Bewohner des Landkreises Bad Kissingen in den Genuss des nostalgischen Nummernschilds BRK für Bad Brückenau.

In anderen Landkreisen zeichnete sich ein anderes Bild ab: Der Kreistag in Main-Spessart zum Beispiel entschied sich gegen die Einführung. „Ich sehe den Sinn nicht“, sagte Landrat Thomas Schiebel vor den Mitgliedern des Kreisrats. Seiner Meinung nach würden die Altkennzeichen die jahrzehntelangen Bemühungen um die Einheit von Main-Spessart konterkarieren. Für touristische Orte in Bayern sei die Wiedereinführung sinnvoll, für Main-Spessart reiche das Kürzel MSP als Identifikationsmerkmal. Dort ging es bei der Abstimmung gar um vier Kennzeichen: Neben LOH für Lohr waren noch die Altkennzeichen MAR (Marktheidenfeld), KAR (Karlstadt) und GEM (Gemünden) im Gespräch.

Ein traditionelles Symbol

Einen großen Schub erhielt die Kfz-Liberalisierung durch die Studie von Ralf Bochert, Professor für Volkswirtschaftslehre in Heilbronn, der mit seinem Team deutschlandweit mehr als 50 000 Bürger nach ihrer Meinung zu den Altkennzeichen befragt hat. Das überraschende Ergebnis: Vor allem Menschen zwischen 16 und 30 Jahren wollten die alten Kürzel wiederhaben.

Die Nummernschilder könnten als lokalpatriotisches Symbol gelten, als ein Zeichen der Zugehörigkeit. Die Studie betont, dass junge Menschen in Zeiten der Globalisierung einen Bezug zu kleineren Einheiten wie Ort, Familie oder dem alten Landkreis herstellen wollen. Zudem handele es sich bei den traditionellen Kfz-Zeichen um einen kostenlosen Werbeträger. Haben sich Autokäufer früher beim Wunschkennzeichen vor allem um die Bedeutung bei den Buchstaben und Zahlen hinter der Ortsmarke Gedanken gemacht, sei heute zusätzlich auch der Ort ein wichtiges Identifikationsmerkmal.

Kompliziert wird es, wenn demnächst mehr als ein Landkreis ein und dasselbe Altkennzeichen vergibt. Eine Option, die bislang in den Landkreisen verhindert wurde. Durch die verschobenen Landkreisgrenzen nach der Gebietsreform könne es beispielsweise sein, dass ab Sommer Bewohner der Landkreise Kitzingen und Schweinfurt mit dem GEO-Kennzeichen fahren. Der Kitzinger Kreistag diskutiert darüber am kommenden Montag. Corinna Petzold, Pressesprecherin vom Landratsamt Kitzingen, sagt, dass neben dem gängigen Kennzeichen KT vier weitere möglich sind: UFF für Uffenheim und SEF für Scheinfeld, die bereits in Mittelfranken liegen, als auch GEO und OCH für Ochsenfurt. Die Nachfrage sei bislang rar, so Petzold. „Die Landrätin Tamara Bischof hat die Bürgermeister nach der Resonanz befragt und die war bisher nicht groß.“ Derzeit ist zu vermuten, dass der Kreistag entweder für die Einführung aller Altkennzeichen stimmt oder sie gänzlich ablehnt – eine halbgare Lösung ist unwahrscheinlich.

Das Ochsenfurter Kürzel wird dagegen definitiv ab Sommer im Landkreis Würzburg vergeben – das entschied der Landrat Eberhard Nuß Anfang März. Dann hat jeder Landkreis-Bürger die Möglichkeit, zwischen den Kürzeln WÜ und OCH zu wählen.

Erst am Montag entschied sich der Kreisausschuss Haßberge gegen die Einführung der Altkennzeichen. Das zuständige Gremium empfahl dem Kreistag mit großer Mehrheit, darauf zu verzichten. Neben dem üblichen HAS standen die Kürzel EBN für den Altlandkreis Ebern, HOH für Hofheim sowie GEO zur Diskussion. Landrat Rudolf Handwerker betonte, dass das derzeitige Kennzeichen eine identitätsstiftende Wirkung habe. Seiner Meinung nach gäbe es ein Chaos bei vier verschiedenen Nummernschildern. Die entscheidende Sitzung des Kreistags findet am 29. April statt. Ein Meinungsumschwung ist wohl unwahrscheinlich, da der Kreistag meist den Empfehlungen des Ausschusses folgt.

Bis zum 30. April müssen die Landräte dem Bayerischen Verkehrsministerium ihre Entscheidung mitteilen. Dass es durch die neuen Kennzeichen zu Problemen kommt, glauben die betroffenen Gemeinden nicht. Auch das Polizeipräsidium Unterfranken sieht keine Schwierigkeiten: Die Verkehrs- und Fahndungsarbeit werde trotz der neuen Kfz–Kürzel nicht beeinflusst. Die Polizei müsse sich an die Rahmenbedingungen anpassen. Die Befürchtung, dass es Bürgern schwerfallen könne, die Kürzel zuzuordnen, teilt sie nicht.

Am 10. Juli werden voraussichtlich die genehmigten Altkennzeichen im Bundesanzeiger aufgelistet, nachdem die Anträge vom Bund geprüft wurden. Erst dann geben die zuständigen Zulassungsbehörden die Altkennzeichen aus.

Einführung der Altkennzeichen

Mit der Kennzeichenliberalisierung ist die Reform der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) gemeint, die den Landkreisen und kreisfreien Städten die Möglichkeit bietet, mehrere Kfz-Kennzeichen für einen Landkreis zu vergeben. Diese zusätzlichen Unterscheidungszeichen ergeben sich aus den Stadt- und Kreiskürzeln der aufgelösten Landkreise, die im Gebiet des heutigen Verwaltungsbezirks liegen.

Die „Initiative Kennzeichenliberalisierung“ der Hochschule Heilbronn gab der Reform eine neue Dynamik. Studenten der Fachrichtung Tourismusmanagement haben von 2010 bis 2012 in über 200 ehemaligen Kreisstädten Umfragen zur Wiedereinführung von Altkennzeichen durchgeführt. Bei der von Studiendekan Ralf Bochert geleiteten Studie erhielten sie eine Zustimmung von über 72 Prozent.

Angeregt durch die Initiative der Hochschule Heilbronn setzten sich vor allem ostdeutsche Bundesländer dafür ein. Dort fielen aufgrund von Gebietsreformen, ähnlich wie in Bayern, viele ehemalige Ortskürzel weg. Derzeit laufen noch in vielen Teilen Deutschlands die Abstimmungen. Bisher wurden schon über 180 Altkennzeichen wiedereingeführt.

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