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WÜRZBURG
Alte Mainbrücke als Sprungbrett
Von unserem Mitarbeiter Alexander Schneider
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:31 Uhr

Die Alte Mainbrücke war den Sommer über ihr zweites Wohnzimmer. Und bei schönem Wetter bleibt es das noch ein paar Tage im Herbst. Mit ihren Songs haben die vier Musiker von „Main Project“ Festival-Flair zwischen die Brückenheiligen gebracht – und sich weitere Auftritte erspielt. Mit den Gagen konnten sie sich nun ein kleines Tonstudio einrichten. Eine ganz unkonventionelle Band-Geschichte.

Touristen, Studenten und alteingesessene Würzburger – wie so oft diesen Sommer ist es auch heute ganz schön eng auf der Alten Mainbrücke. Die spätsommerliche Sonne über der Festung Marienberg verwöhnt nach fränkischer Manier. Für die einen gibt es kühle Brückenschoppen, die anderen saugen die Atmosphäre auf, um dem Alltag kurz zu entfliehen. Die Leute haben es sich bequem gemacht und sind gut gelaunt.

Inmitten des Getümmels packen vier Musiker Instrumente aus und bereiten sich vor. Ridchi Seifert nimmt Platz auf seiner Cajon, schaut über die Brücke, dann zu seinen Bandkollegen, grinst und zählt an: „1, 2, 3, 4 probier’s mal mit Gemütlichkeit, mit Ruhe und Gemütlichkeit….“ Passender kann man ein kleines Straßenmusikerkonzert an so einem Tag auf der Mainbrücke wohl kaum beginnen. Die Band kommt in Fahrt. Endi Sarici spielt die Gitarre und singt weiter im Text: „…und schmeiß die Sorgen einfach über Bord“, während eines der Touristenschiffe in der Großschleuse unter der Brücke wartet.

Sevi Krieger bereitet sich mit seiner Harmonika auf ein jazziges Solo vor. Die Saxofonklänge von Dirk Rummig machen die Band und die Brückenmusik komplett. Der heutige Auftritt wird wohl für diesen Sommer einer der letzten der Straßen- oder besser gesagt Brückenmusiker von „Main Project“ sein. Die Musiker haben sich an der Hochschule für Musik in Würzburg kennengelernt und sorgten in den letzten Monaten des Öfteren für die passende Stimmung auf der Alten Mainbrücke.

Sänger Endi ist 27 und kommt aus Stuttgart. Eigentlich studiert er Jazz auf Kontrabass, hat aber seit 2011 schon die ein oder andere langweilige Studentenparty mit seiner Gitarre gerettet. Über „Main Project“ sagt er: „Unsere Musik kann man als Covermusik mit improvisierten Jazzeinflüssen beschreiben“. Dafür erhält er Zustimmung von seinen Bandkollegen und genauso harmonisch klingt die Band auch, als sie gleich darauf weiterspielt. Eigene Arrangements von Eric Clapton, Prince, Santana oder Michael Jackson gespickt mit Jazzsoli.

Auch einem Musikmuffel dürfte schnell klar werden, dass die Jungs von „Main Project“ studierte Jazzmusiker sind oder zumindest im Musikstudium stecken. Nebenbei spielt jeder der Musiker in anderen Bandprojekten. Der gebürtige Heidelberger Dirk Rummig wohnt schon seit 1997 in Würzburg und ist mit 42 Jahren der älteste der Band. Er war schon mit Deep Purple auf Tournee und ist Theatermusiker. Der 24-jährige Sevi Krieger ist 2009 aus dem Allgäu nach Würzburg gekommen und gibt neben dem Studium Klavierstunden, sowie bei den „Jazzjuniors“ Musikworkshops für Kinder in Südbayern.

„Wir können Würzburg etwas von unserer Ausbildung zurückgeben. Uns geht es um den Spaß und nicht ums Geld“, sagt Ridchi stolz. Der Schlagzeuglehrer ergänzt: „Über eine Pizza oder eine Flasche Bier als Gage freuen wir uns aber natürlich auch.“ Eine bescheidene Aussage des 27-jährigen Zwickauers, der seit 2009 in Würzburg lebt und musiziert. Applaus ist also doch des Künstlers Brot oder hier eher des Künstlers Pizza? Sevi lacht und weiß, dass andere Musiker jahrelang brauchen, um vor 200 Leuten spielen zu können. „Wir haben das Haus, äh die Brücke meist voll – eine super Übung um Bühnenerfahrung zu sammeln. Was aus dem Auftritt wird, ist aber immer davon abhängig ob die Leute stehen bleiben oder nicht. Es ist ein tolles Gefühl, wenn die Leute innehalten oder sogar anfangen zu tanzen oder zu singen, genauso ist es aber auch lehrreich, wenn es zwei Stunden lang niemanden interessiert, ob wir spielen.“

Meistens allerdings scheinen sich die Leute aber doch für die Band zu interessieren. Ein Indiz dafür sind zahlreiche Auftritte, die direkt auf der Brücke ausgemacht werden. „Wir bekommen oft Anfragen nach unseren Brückenkonzerten, ob wir auf privaten Feiern oder in Bars spielen können“, verrät Dirk. Die Gagen diverser Auftritte am Stadtstrand, im Irish Pixies oder auf Hochzeiten haben den Musikern diesen Sommer genügend Geld eingebracht, um sich ein kleines Tonstudio einzurichten. Angefangen als Straßenmusiker ohne Konzept und ohne Bandnamen, entsteht jetzt also mit entsprechendem Equipment die erste eigene Demo-CD, die Anfang November fertig sein wird. Alles in einem Sommer.

Die Frage, was aus „Main Project“ einmal werden soll, wird einstimmig beantwortet: „Wir werden sehen, was passiert – wir gehen die Sache einfach mit Ruhe und Gemütlichkeit an, die Alte Mainbrücke wird aber vorerst unser Lieblingsplatz zum Spielen bleiben – auch an guten Herbsttagen.“ Am 23. November kann man „Main Project“ übrigens auf einer Veranstaltung gegen Rassismus in der Franz-Oberthür-Schule in Würzburg sehen.

Die Sonne ist nun fast hinter der Festung Marienberg verschwunden. Letzte Sonnenstrahlen fallen auf die Mainbrücke. Alle vier Musiker haben ein Lächeln im Gesicht, Ridchi Seifert zählt an: „ 1,2,3,4 Ain't no sunshine when she's gone….“ Kurze Zeit später ist die Sonne verschwunden. Danach verlässt auch „Main Project“ ihre Bühne und kommt erst zurück, wenn die Sonne wieder über der Alten Mainbrücke lacht.

 
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