
Schon eine Stunde vor Spielbeginn schauten ein paar Stammgäste ungläubig auf die Uhr: Eigentlich waren die Zuschauer doch alle schon da. 700 bis 800 Tischtennisfreunde beklatschen im Durchschnitt die Würzburger Ball-Künste. Da reicht es meist aus, wenn sie eine halbe Stunde vor Spielbeginn die in s.Oliver Arena pilgern.
Ausnahmezustand in voller Hütte
Am Sonntag standen sie schon um zwei Uhr vor dem Kassenhäuschen: Die 150 schwäbischen Frickenhausen-Fans, die sich schon am Morgen im unterfränkischen Frickenhausen eine Weinprobe gegönnt hatten und dementsprechend stimmungsgeladen die Tribüne einnahmen. Aber auch locker 800 Würzburger Fans waren bereits da, um ja die besten Plätze zu ergattern. Um halb drei war die Hütte voll. Knapp 2500 Zuschauer - Würzburgs Tischtennisszene im Ausnahmezustand. Im Ausnahmezustand auch Frickenhausens Manager Christoph Reuhl, der schon vor der Partie aussah, als müsse man ihm dringendst Beruhigungs-Tabletten besorgen. "Ich bin höllisch nervös", schwitzte Reuhl, der dies aber als positives Omen sah: "Wir haben durchaus alle Chancen, zu gewinnen. Ich glaube auch daran."
Sein Gegenüber, Würzburgs Manager Frank Müller, war zwar auch aufgeregt, aber vor allem deshalb, weil er erst unmittelbar vor Spielbeginn die Landeerlaubnis auf dem Würzburger Flugplatz erhalten hatte. "Ich habe es gerade so geschafft, Ich hatte noch einen wichtigen Geschäftstermin. Aber jetzt bin ich da, jetzt kann es losgehen."
So unterschiedlich die Anfangs-Aufregung auf beiden Seiten war, so stetig näherte sie sich gegenseitig während des Entscheidungsspieles.
Das Wechselbad der Gefühle nahm sich keine Auszeit: Egal, auf welche der beiden Tischtennisplatten das Auge fiel, jeder Ballwechsel hatte Entscheidungscharakter. Und je näher ein Satzgewinn rückte, umso spektakulärer wurden die Ballwechsel.
Der einzige gravierende Unterschied der beiden Teams hieß Petr Korbel. Der Leitwolf des neuen Meisters schien in jeder Situation Herr der Lage. Der Tscheche, dessen Gattin Ramona eigens aus Prag eingeflogen wurde, hatte immer eine Antwort parat. So auch schon im Eingangsdoppel, das er zusammen mit seinem sehr nervös startenden Partner Chu Yan Leung gegen Frickenhausens Duo Wosik/Tokic gewann. Auch wenn auf Tisch zwei Würzburgs Feng/Fan gegen das Schwabendoppel Ma/Lundquist den Kürzeren zogen, so war das Signal gegeben: "1:1 nach dem Doppeln, alles ist im grünen Bereich", grinste Pressesprecher Georg Münzhuber, der einzige Würzburger Verantwortliche, dem man die Nervosität nicht ansah. "Ich bin von Beruf Lehrer, wenn man da nervös ist."
"Wir haben es geschafft! Freibier für alle!"
Frank Müller Manager der MWH
Keine Nervosität zeigte, wie sollte es auch anders sein, Petr Korbel gegen den Schweden Jens Lundquist. Der Gast spielte nicht nur gegen den Tschechen, sondern auch gegen sich selbst: Anfangs haderte der Frickenhausener mit verlorenen Netzbällen, dann stritt er mit Manager Frank Müller, bis er sich eine gelbe Karte einhandelte - und eine Niederlage dazu. 2:1 für Würzburg, der Titel rückte näher, auch wenn erneut Chu Yan Leung gegen Frickenhausens Ma Wenge verlor. 2:2 - so könnte es weitergehen. Ein 5:5 würde ja reichen.
Aber es kam anders: Noch nie in der Bundesliga hatte Würzburgs chinesischer Bulgare Feng Zhe gegen Frickenhausens Slowenen Bojan Tokic gewinnen können. Zudem war der Würzburger, der in der kommenden Saison nach Fulda wechseln wird, nach seiner Fußverletzung noch leicht angeschlagen. Alles vergessen: 3:1 besiegte der 26-Jährige seinen Widerpart. 3:2 Zwischenstand, die Zuschauer probten schon mal: "Deutscher Meister wird nur die MWH."
Die Entscheidung nahte: Bisher nämlich hatte Frickenhausens Torben Wosik nie gegen Würzburgs Evgueni Chtchetinine gewinnen können. Immer wieder versuchte er mit einer anderen Taktik, gegen den weißrussischen Abwehrspezialisten zu bestehen. Sah es lange Zeit so aus, als könne Wosik die Negativserie beenden, so blieb es nach fünf hart umkämpften Sätzen dabei: Wosik wird einen neuen Versuch unternehmen müssen. 4:2. Nur Karl-Heinz Schätzlein, Würzburgs sportlicher Leiter, glaubte noch nicht so recht an den Erfolg: "Ach wissen sie, ich hab so viel schon erleben müssen."
Schätzlein erlebte ein furioses und schnelles Finale: Auf die Sekunde genau um 1824 Uhr schmetterten Petr Korbel gegen Ma Wenge und Chu Yan Leung gegen Jens Lundquist jeweils ihre Matchbälle unerreichbar für ihre Kontrahenten. Ein kollektiver Freudentaumel hob an, Frank Müller begann zu heulen, um dann, nach Stimme ringend, ins Mikrofon zu brüllen: "Wir haben es geschafft! Freibier für alle!"
Die Einzelergebnisse:
Korbel/Leung - Wosik/Tokic
Feng/Fan - Ma/Lundquist
Korbel - Lundquist
Leung - Ma
Chtchetinine - Wosik
Korbel - Ma
Leung - Lundquist