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WÜRZBURG/MWANZA
50 Jahre Würzburg & Mwanza: Partner unterm Henkerbaum
Partnerstadt       -  26. Januar 1967: Der OB von Mwanza, Halfani Hassani, trägt sich ins Goldene Buch der Stadt Würzburg ein. Gesellschaft leisten ihm Bürgermeister Joseph Seitz (links), OB Helmuth Zimmerer (stehend) und Mwanzas Oberstadtdirektor Sachak.
Foto: Hans Heer | 26. Januar 1967: Der OB von Mwanza, Halfani Hassani, trägt sich ins Goldene Buch der Stadt Würzburg ein. Gesellschaft leisten ihm Bürgermeister Joseph Seitz (links), OB Helmuth Zimmerer (stehend) und Mwanzas ...
Wolfgang Jung
Wolfgang Jung
 |  aktualisiert: 27.10.2020 17:26 Uhr

Am 29. Juni 1966 berichten Main-Post und Fränkisches Volksblatt, der Stadtrat habe tags zuvor einer Städtepartnerschaft mit Mwanza in Tansania zugestimmt. Es ist eine Geschichte aus dem Kalten Krieg, aber das berichten die Zeitungen nicht.

Sie beginnt im Oktober 1963, als Würzburgs Oberbürgermeister Helmuth Zimmerer beim Deutschen Städtetag Interesse anmeldet an der Partnerschaft mit einer Stadt in einem Entwicklungsland. Zwei Wochen später schickt der kommunale Spitzenverband Vorschläge: Edea in Kamerun, Stanleyville (heute Kisangani) in Kongo-Leopoldville (heute Demokratische Republik Kongo) und eine „noch zu bestimmenden Stadt in Tanganjika“.

Der OB interessiert sich für Daressalam

Tanganjika war bis 1918 Teil der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Seit der Vereinigung mit Sansibar im Jahr 1964 heißt das Land Tansania.

Zimmerer schlägt dem Stadtrat vor - wann, ist unbekannt -, eine Stadt in Tanganjika zu wählen, weil ein Würzburger Studienprofessor dort beim Aufbau einer Schule helfe. Ob den ehemaligen SS-Mann, der sich nie von seiner NS-Vergangenheit distanzierte, auch die deutsch-koloniale Vergangenheit reizte, ist nicht bekannt.

Dem Auswärtigen Amt schreibt er im Mai 1964, er sei interessiert an Daressalam, der größten Stadt im Lande, und an Tanga, einer Hafenstadt im Norden.

Afrika befreit sich, die Welt steht am Abgrund, und Würzburg steckt mittendrin

Sein Begehren fällt in eine weltpolitisch angespannte Zeit. Weltpolitik wird den Gang der Ereignisse prägen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, besonders Anfang der 1960er-Jahre ziehen sich die europäischen Kolonialmächte – Großbritannien, Frankreich und Belgien, Portugal, Spanien und Italien – aus Afrika zurück; die Besatzungen kosten mehr Geld als sie bringen.

Nördlich des Äquators führen Nato und Warschauer Pakt einen Kalten Krieg. Im August 1961 baut die DDR die Mauer. Im Oktober 1962, während der Kuba-Krise, drohen Ost und West die Welt in einen Atomkrieg zu verbrennen. Im Juni 1964 schließen UdSSR und DDR den „Vertrag über Freundschaft, gegenseitigen Beistand und Zusammenarbeit“.

Daressalam mag nicht, aber das Auswärtige Amt hat eine Idee

Derweil söhnen sich einstige Kriegsgegner aus: Würzburg verpartnert sich 1962 mit Caen in Frankreich und Dundee in Großbritannien. Ende 1964 kommt Rochester in den USA dazu.

Zimmerer meldet sich im Juli 1964 bei der Stadt Daressalam: Würzburg habe „mehrere“ Städtepartnerschaften begründet, weil für die Völkerverständigung ein Einvernehmen nur zwischen Regierungen nicht genüge. Er glaube, durch Partnerschaften könnten auch „die guten Beziehungen zwischen afrikanischen Staaten und uns wesentlich gefördert und gefestigt werden können“.

Daressalam lehnt freundlich ab, mit Hinweis auf eine bevorstehende Partnerschaft mit Hannover, aus der aber nichts wird.

Das Auswärtige Amt schlägt Mwanza am Victoriasee vor.

Ein Symbol deutsch-tansanischer Beziehungen: der Henkerbaum

Der Vorschlag ist pikant. Mwanza ist eine Gründung deutscher Kolonialherren im Jahr 1880. Das Deutsche Koloniallexikon von 1920 beschreibt die Stadt als „wichtigsten Ort an der deutschen Südhälfte des Victoriasees“. Mitten in Mwanza steht bis 2009 ein gewaltiger Baum, ein Symbol bisheriger deutsch-tansanischer Beziehungen: der „hanging-tree“ – der Henkerbaum. Hier hängten die Kolonialherren Einheimische auf.  

Im April 1965 begrüßt das Auswärtigen Amt eine Partnerschaft mit Mwanza grundsätzlich, rät aber zum Warten. Die DDR hat eine Vertretung auf Sansibar, die Bundesrepublik will sie nicht dulden.

Das Auswärtige Amt erbittet von Würzburg Hilfe für sozialistische Berufsausbildungen

Der erste Präsident Tansanias, Julius Nyerere, ist ein katholischer Sozialist mit Distanz zur UdSSR. Als er im November 1965 in Mwanza ein berufliches Ausbildungszentrum für Jugendliche eröffnet, fragt das Auswärtige Amt in Würzburg um die finanzielle Unterstützung der Einrichtung an. Der Ältestenrat, die Versammlung der Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat, beschließt zu entscheiden, wenn die Frage der Städtepartnerschaft geklärt ist.

Würzburgs OB soll eine "heilsame Botschaft" nach Mwanza tragen

Am 7. Januar 1966 erfährt der OB während eines Treffens im Auswärtigen Amt, dass die BRD ihre Entwicklungshilfe für Tansania eingestellt hat. Er notiert: „wegen der dortigen Errichtung eines Zonengeneralkonsulates“.  Mit dem Amt vereinbart er, nach Mwanza zu fliegen und dort zu erklären, „nichts tun zu wollen, weil die Zone vertreten“ sei. Er protokolliert: „Es könne nur ,heilsam‘ sein, wenn sich so etwas in Afrika herumspräche.“

Im selben Treffen schlägt das Auswärtige Amt die Partnerschaft mit einer Stadt in Uganda vor.

Die Sozialistische Besatzungszone zeigt Interesse, das Auswärtige Amt ändert die Strategie

Drei Tage später schickt es einen Hilferuf: Eine Delegation der Tanu Youth League – der Jugendorganisation der sozialistischen Staatspartei Tansanias – besuche die DDR. Jetzt sei wichtig, „den begonnenen Infiltrationsbemühungen der SBZ (Sozialistische Besatzungszone, d. Red.) bei der Tanu-Jugend durch Kontakte der Tanu mit der Bundesrepublik Deutschland entgegenzutreten.“

Am 14. Januar 1966 kommt Post von der deutschen Botschaft in Daressalam: Dass Tansania eine „SBZ-Vertretung“ zulasse, liege am „mangelnden Verständnis für wichtige Zusammenhänge der deutschen Nation“. Kontakte zwischen „einer möglichst breiten Schicht“ von „Individuen und Kreisen“ in der BRD und Tansania könnten aufklärend wirken.

Der Stadtrat von Mwanza macht Nägel mit Köpfen

Wie mit dem Auswärtigen Amt vereinbart, schaut Zimmerer auf einer Afrika-Reise für zwei Tage in Mwanza vorbei. Er wird Zeuge einer außerordentlichen Sitzung des Stadtrates, der einer „Schwesternpartnerschaft“ mit Würzburg zustimmt, um „freundschaftliche und kulturelle Beziehungen“ aufzunehmen.

Zimmerer unterrichtet das Auswärtige Amt, Mwanzas Bürgermeister Hamisi habe bei einem Empfang vor über 100 Ehrengästen betont, „dass schon ihre Väter mit den Deutschen zusammengearbeitet hätten, und wies darauf hin, dass es in Mwanza vor allem an Ingenieuren und Ärzten fehle“.

Die Straßen und die Wohnverhältnisse seien schlecht, eine Kanalisation fehle. Zu dieser Zeit hat Mwanza etwa 40.000 Einwohner. 50 Jahre später sind es über 220.000.

Fotos von den OB-Safaris und Hoffen auf Entwicklungshilfe

Zurück in Würzburg, zeigt Zimmerer am 6. April 1966 im Stadtrat Fotos von seinen Safaris durch afrikanische Wildgebiete, dann spricht er über Mwanza: Es sei kaum mehr möglich, um die Partnerschaft herumzukommen, wegen der Einmischung des Auswärtigen Amtes und der Resolution des Stadtrats von Mwanza. Der OB erwartet „größere Ausgaben“ für Würzburg und hofft auf Mittel aus der Entwicklungshilfe.

Im Mai 1966 lässt die deutsche Botschaft in Daressalam wissen, was sie von Würzburg für Mwanza erwartet: unter anderem Lehrkräfte, Maschinen für Handwerk und Landwirtschaft und Hilfe beim Bau von Straßen und Kanälen.

Zur gleichen Zeit verweist der Deutsche Gemeindetag in einem Rundschreiben auf die Richtlinien für Städtepartnerschaften, die „nur gedeihen“ könnten, „wenn beide Partner das Selbstbestimmungsrecht der Völker achten“. Kommunen in Entwicklungsländern, die Partnerschaftsbeziehungen „zu sowjetzonalen Gemeinden anknüpfen“, würden gegen diesen Grundsatz verstoßen.

Die deutsche Botschaft in Daressalam drängelt ...

Das Auswärtige Amt lässt wissen, dass es Partnerschaften mit Kommunen in Entwicklungsländern besonders unterstütze, weil „der Ostblock und insbesondere die SBZ“ auf diesem Gebiet bereits „beachtliche Erfolge“ erzielt hätten. Und die deutsche Botschaft in Daressalam drängelt am 10. Mai 1966: Unterstützung für Mwanza hätte „eine nachhaltige Wirkung bis in höchste Kreise“. Die Hilfe müsse schnell erfolgen.

... und der Stadtrat von Würzburg beschließt

Und so beschließen die Räte am 28. Juni 1966: „In Fortführung seiner Bemühungen, den Frieden und der Freundschaft unter den Völkern zu dienen und die Zusammenarbeit aller Menschen für eine bessere Zukunft zu fördern, (…) begrüßt der Stadtrat von Würzburg die Aufnahme freundschaftlicher Beziehungen zur Stadt Mwanza/Tansania und die Begründung einer Partnerschaft zwischen beiden Städten.“

Am Donnerstag, 2.Juni, findet ab 18 Uhr im Ratssaal des Würzburger Rathauses der Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft statt.

 
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