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Wertingen-Bliensbach
Bliensbacher züchten Stier für 140.000 Euro: Wie ist das gelungen?
Der Jungbulle Samt hat bei seiner Versteigerung in Wertingen einen rekordverdächtigen Preis erzielt. Zu Besuch auf dem Hof von Familie Lindemeyr in Bliensbach.
Laura Gastl
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:42 Uhr

Als der Bulle mit dem gutmütigen Charakter noch auf dem Hof der Familie Lindemeyr in Bliensbach stand, war er eine Nummer, abzulesen an seiner Ohrmarke. Klar war nur: Sein Name muss einmal mit einem S beginnen, genau wie der seines Vaters, Senator. An Santa hat Robert Lindemeyr, der sich hauptsächlich um die Zucht auf dem Betrieb kümmert, etwa schon gedacht. Seitdem das auf Sperma und Zuchtvieh spezialisierte Unternehmen Bayern-Genetik den jungen Stier im November für geschlagene 140.000 Euro ersteigert hat, heißt er Samt, wie der Stoff und irgendwie auch passend zu seinem sanften Gemüt. Letzteres ist kein Zufall, denn der 15-jährige Jürgen Lindemeyr hat Samt bereits als Kalb gehegt und gestreichelt. So wuchs ein zutraulicher Bulle heran.

Zum Preisvergleich: Das Mindestgebot für einen Stier, für den sich eine Besamungsstation interessiert, beträgt etwa 3500 Euro. Durchschnittlich sei dann damit zu rechnen, dass das Tier im Laufe der Auktion zwischen 10.000 und 15.000 Euro erreicht – wobei theoretisch nach oben alles möglich sei, sagen die Lindemeyrs. Mit einem Wert von 140.000 Euro ist Samt rekordverdächtig, hat die Spitze jedoch nicht ganz erreicht. Im vergangenen Jahr wurde auf dem Wertinger Zuchtviehmarkt etwa ein Bulle für 156.500 Euro versteigert, und beim Rindermarkt in Ansbach hat es ein Fleckvieh-Stier jüngst auf 161.000 Euro gebracht. 

Fleckvieh-Stier Samt wurde in Wertingen für 140.000 Euro versteigert

Doch wie schafft man es, einen Bullen in dieser Preisklasse zu züchten, so wie es den Lindemeyrs mit Samt gelungen ist? In ihrer Küche auf dem Hof in Bliensbach sagt Christa Lindemeyr: "Glück." Ihr Mann Karl pflichtet ihr bei: "Mutter Natur muss mitspielen." Reiner Zufall ist der einjährige Top-Bulle Samt dennoch nicht. Hinter der Rinderzucht stecke jahrzehntelange Arbeit, denn man versuche über Generationen hinweg zu erreichen, dass möglichst "gesunde, schöne und langlebige Tiere" geboren werden.

Das gelinge durch "genomische Selektion", wie Robert Lindemeyr, der Sohn von Christa und Karl Lindemeyr, erklärt. Das bedeutet, dass genauestens darauf geachtet wird, dass das Erbgut von Kuh und Stier zusammenpassen. Die Zuchtwerte werden anhand einer Gewebeprobe des Ohrs bestimmt, wenn die Kälber ihre Ohrmarken gestochen bekommen. Im Laufe eines Rinder-Lebens kann sich die Zuchtwertschätzung allerdings verändern. Wenn zum Beispiel beobachtet wird, dass eine Kuh aus einer Linie eine Krankheit entwickelt oder schlecht Milch gibt, beeinflusst das auch die Werte ihrer Verwandten. 

Dass Samt das Potenzial eines wertvollen Stiers hat, zeichnete sich schon als Kalb ab. Zum einen offenbarte seine Gewebeprobe hervorragende Zuchtwerte, zum anderen ist er natürlich hornlos. Diese Rinder sind bei Landwirten beliebt, weil sie keine Hornanlagen oder nur "kleine Stumpen" entwickeln, was die Haltung ungefährlicher macht, wie Robert Lindemeyr mit seinen zwölf Jahren Zuchterfahrung erklärt.

Worauf bei der Fleckviehzucht noch geachtet wird, ist das Vermeiden von Inzucht. Weil Samt in der Region wenige Verwandte habe, könne er zum Decken sehr vieler Kühe eingesetzt werden, so Robert Lindemeyr. Abgesehen davon besagen seine Zuchtwerte, dass sein Sperma für Kalbinnen, also erst gebärende Kühe, gut eingesetzt werden kann, da seine Kälber voraussichtlich eher klein sein werden. Das sei für junge Kühe besonders wichtig, damit es zu keinen Komplikationen oder Totgeburten kommt, wie die Lindemeyrs schildern.

Der Jungbulle aus Bliensbach ist natürlich hornlos – bei Landwirten beliebt

Gut gefüttert und frisch geschoren präsentierte sich Samt mit all diesen vielversprechenden Werten auf der November-Versteigerung in der Wertinger Schwabenhalle. Schnell wurde er als "Spitzenbulle des Tages" ausgemacht. Nachdem er den Ring betreten hatte, dauerte die Auktion rund eine halbe Stunde. Die Interessenten boten mehr und mehr, die Preisspirale drehte sich nach oben. "Die Summe war am Ende definitiv eine Überraschung", resümiert Robert Lindemeyr. 

Inzwischen steht Samt nicht mehr in Bliensbach, sondern in den Stallungen der Besamungsstation Bayern-Genetik. Erst nach mehreren Wochen Quarantäne wird sich zeigen, ob das Sperma "gefriertauglich" und nach dem Auftauen aktiv genug ist. Erfülle es die qualitativen Erwartungen, fließe das Geld, so Christa Lindemeyr.

Der Stolz ist Familie Lindemeyr anzusehen, während sie rings um ihren Küchentisch sitzend von Samt und der Rinderzucht erzählen. "Ich vermute allerdings, dass das Phänomen für uns einmalig war", sagt Robert Lindemeyr. "Auch, wenn ich nichts dagegen hätte, wenn uns das noch einmal gelingt." Die Familie lacht.

 
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