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Corona
Was ist die Ursache für Long Covid? Jetzt gibt es diese neuen Erkenntnisse
Long-Covid-Symptome wie Konzentrations- und Gedächtnisprobleme sowie Muskelschmerzen machen vielen Corona-Patienten Sorgen. Eine neue Studie gibt nun Hinweise darauf, was Long Covid verursacht.
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Foto: Annette Riedl, dpa (Symbolbild) | Viele Long-Covid-Patienten leiden noch Wochen nach der Infektion unter den Symptomen.
Ann-Katrin Hahner
 |  aktualisiert: 21.03.2024 11:14 Uhr

Long Covid beschreibt eine Reihe von anhaltenden Symptomen, die nach einer akuten Infektion mit dem Coronavirus bei einigen Menschen fortbestehen. Während viele Covid-Patienten eine vollständige Genesung erfahren, leiden andere unter langfristigen Auswirkungen, die ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können. Das führte gar dazu, dass die Bundesregierung überlegt hat, wie sie die Long Covid-Patienten besser unterstützen kann

Wie viele Long Covid-Patienten Deutschland hat, ist nicht bekannt, allerdings erschrecken die Symptome, wie andauernde Müdigkeit, Atembeschweren, Herzprobleme und neurologische Störungen, viele Menschen. Forscher der Berliner Charité haben nun Hinweise gefunden, was Long Covid verursachen könnte.

Corona-Studie der Charité: Das haben die Forscher untersucht

Die Studie, durchgeführt von einem Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin, hat sich mit den Ursachen der neurologischen Symptome beschäftigt, die bei einigen Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2) auftreten. Zu diesen Symptomen gehören unter anderem Kopfschmerzen, Gedächtnisprobleme und eine extreme Erschöpfung, bekannt als Fatigue. Lange war unklar, ob diese Symptome direkt durch eine Infektion des Gehirns mit dem Virus verursacht werden oder ob sie auf andere Weise entstehen.

Um dieser Frage nachzugehen, hat das Team die Gehirne von 21 verstorbenen Covid-19-Patienten untersucht, die schwer erkrankt waren und meist auf der Intensivstation behandelt wurden. Zum Vergleich wurden auch die Gehirne von 9 Personen analysiert, die aus anderen Gründen intensivmedizinisch behandelt wurden und verstorben sind. Die Forscher suchten nach sichtbaren Veränderungen im Gehirngewebe und nach Spuren des Coronavirus. Sie analysierten auch die Gen- und Proteinaktivität in den Gehirnzellen, um zu verstehen, welche biologischen Prozesse ablaufen.

Long Covid: Studie aus Berlin liefert neue Hinweise

Die Studie der Charité brachte mehrere wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der neurologischen Symptome bei Corona zum Vorschein. Diese waren zusammengefasst: 

  1. Keine direkte Infektion des Gehirns durch das Virus: Obwohl das Erbgut des Coronavirus in einigen Fällen im Gehirn nachgewiesen werden konnte, fanden die Forscher keine Beweise dafür, dass SARS-CoV-2 direkt die Nervenzellen infiziert. Dies deutet darauf hin, dass das Virus zwar in den Körper eindringt und sich in bestimmten Zellen vermehren kann, aber nicht aktiv Gehirnzellen infiziert.
  2. Immunzellen als Überträger: Die Studie legt nahe, dass Immunzellen, die das Virus aufgenommen haben, ins Gehirn gelangen können. Diese Zellen tragen das Virus in sich, führen aber nicht zu einer direkten Infektion der Gehirnzellen. Dieser Mechanismus zeigt, wie das Virus indirekt Auswirkungen auf das Gehirn haben kann, ohne dass eine direkte Infektion der Gehirnzellen stattfindet.
  3. Entzündungsreaktion im Körper beeinflusst das Gehirn: Die Untersuchung zeigte, dass bestimmte Zellen im Gehirn, insbesondere im Bereich des Hirnstamms, auf die systemische Entzündungsreaktion im Körper reagieren. Diese Zellen aktivieren einen Signalweg, der typischerweise bei viralen Infektionen eine Rolle spielt. Diese Reaktion könnte die neurologischen Symptome erklären, da die betroffenen Zellen Funktionen wie Antrieb, Motivation und Stimmungslage steuern.
  4. Mögliche Erklärung für Fatigue und andere Symptome: Die Aktivierung des Interferon-Signalwegs in bestimmten Gehirnzellen könnte erklären, warum Corona-Patienten unter Symptomen wie Fatigue leiden. Die Forscher vermuten, dass Botenstoffe, die von diesen Zellen ausgeschüttet werden, zur Erschöpfung beitragen, indem sie die Funktion von Zellgruppen im Hirnstamm beeinflussen, die für Antrieb und Motivation zuständig sind.

Die reaktiven Nervenzellen fanden sich hauptsächlich in den sogenannten Kernen des Vagusnervs, also Nervenzellen, die im Hirnstamm sitzen und deren Fortsätze bis in Organe wie Lunge, Darm und Herz reichen. "Vereinfacht interpretieren wir unsere Daten so, dass der Vagusnerv die Entzündungsreaktion in unterschiedlichen Organen des Körpers ‚spürt‘ und darauf im Hirnstamm reagiert – ganz ohne eine echte Infektion von Hirngewebe", resümiert Helena Radbruch, Leiterin der Arbeitsgruppe Chronische Neuroinflammation am Institut für Neuropathologie der Charité in einer Mitteilung zu der Studie. "Auf diese Weise überträgt sich die Entzündung gewissermaßen aus dem Körper ins Gehirn, was dessen Funktion stören kann."

Long Covid - das bedeutet die Studie und diese Annahmen gelten nicht mehr

Insbesondere hinsichtlich Long Covid und dem Verständnis der Erkrankung liefert die Studie einige neue Erkenntnisse - hauptsächlich durch den Nachweis, dass die neurologischen Beeinträchtigungen eher eine Folge der systemischen Entzündungsreaktion des Körpers auf die SARS-CoV-2-Infektion sind als eine direkte Folge der Virusinfektion des Gehirns. 

Bislang wurde angenommen, dass das Virus möglicherweise direkt ins Gehirn eindringt und dort die Probleme verursacht, die wir unter dem Begriff Long Covid kennen und auch Serotonin-Mangel stand in Verdacht. "Auch wir sind von dieser These zunächst ausgegangen. Einen eindeutigen Beleg dafür, dass das Coronavirus im Gehirn überdauern oder sich gar vermehren kann, gibt es allerdings bislang nicht", erklärt Radbruch. Weil das Virus aber laut der Studie meist nicht selbst ins Gehirn geht, scheint es, dass Long Covid eher durch eine Art Überreaktion des Körpers auf das Virus entsteht. Der Körper scheint zu versuchen, das Virus mit einer starken Entzündungsreaktion zu bekämpfen, und diese Entzündung ist es, die das Gehirn beeinflusst und zu den Symptomen führt.

Für Long Covid bedeutet das: Die lang anhaltenden Probleme kommen wahrscheinlich nicht daher, dass das Virus direkt im Gehirn ist, sondern von der Reaktion des Körpers auf das Virus. Dies sei laut der Studienautoren eine wichtige Erkenntnis, denn sie helfe den Forschern, wie Long Covid auf lange Sicht besser behandelt werden könne. 

Übrigens: Es gibt viele Theorien dazu, was gegen Long Covid helfen könnte. Beispielsweise sollen Nahrungsergänzungsmittel eine positive Wirkung haben. Bei einer einfachen Corona-Infektion sollen hingegen Nasendusche und Gurgeln vor einem schweren Verlauf schützen. Auch mit der richtigen Ernährung lässt sich der Krankheitsverlauf scheinbar positiv beeinflussen

 
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