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Klima
Was ist der Jetstream? Entstehung und Bedeutung erklärt
Jetstreams beeinflussen unser Wetter. Doch wie entstehen die Windbänder um den Globus? Und welche Rolle spielen sie im Klimawandel? Ein Überblick.
Aufnahme der Erde mit einer Earth Polychromatic Imaging Camera (EPIC) der NASA. Foto: Nasa EPIC/NASA       -  Um den ganzen Globus ziehen sich Bänder aus starken Winden, sogenannte Jetstreams.
Foto: Nasa EPIC/NASA, dpa (Archivbild) | Um den ganzen Globus ziehen sich Bänder aus starken Winden, sogenannte Jetstreams.
Julius Bretzel
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:35 Uhr

Ein Flugzeug braucht für seinen Weg von Deutschland in die USA eine bis zwei Stunden länger als für den Rückweg. Dabei fliegt der Pilot auf dem Weg zurück auch noch einen Umweg über den Norden. Grund dafür ist ein sogenannter Jetstream, der dem Flugzeug sozusagen Rückenwind gibt. Hin und wieder fällt das Wort auch im Wetterbericht: Meistens heißt es dann, er bringe in den kommenden Sommerwochen eine Hitzewelle oder mache die anstehenden Tage im Winter besonders kalt. Aber was steckt eigentlich hinter dem Begriff "Jetstream"?

Definition: Was ist ein Jetstream?

Im Allgemeinen spricht man oft von "dem" Jetstream, obwohl es mehrere davon gibt. Es handelt sich dabei um Windstrom-Bänder, die sich rund um den Globus in der Troposphäre oder Stratosphäre ziehen. Sie gelten als die stärksten natürlich auftretenden Winde und können Geschwindigkeiten von mehr als 500 Kilometer pro Stunde erreichen. Laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) sind Jetstreams in der Regel einige 1000 Kilometer lang, mehrere 100 Kilometer breit und wenige Kilometer dick. 

Da sie gigantische Mengen Luft rund um die Erde transportieren, tragen Jetstreams erheblich zu Wetter und Klima bei. Ähnlich wie Flussläufe mäandern sie, verlaufen also nicht auf geraden Strecken, und können sich in mehrere Äste aufspalten. Wo genau ein Jetstream verläuft, und wie stark er ist, kann sich ständig ändern. Jetstreams entstehen laut DWD in Gegenden mit stärkeren horizontalen Temperaturgradienten: "zum Beispiel in der Übergangszone zwischen den Subtropen und den gemäßigten Breiten", schreibt der DWD.

Welche Jetstreams gibt es?

Auf der Nord- und Südhalbkugel gibt es jeweils zwei zuverlässige Jetstreams: den Polarfront- und Subtropen-Strahlstrom. Sie winden sich in Schlangenlinien von West nach Ost rund um die Nord- bzw. Südhalbkugel und verlagern sich mit dem Sonnenstand.

Der Polarfront-Jetstream ist für Europa der wichtigste Strahlstrom. Er ist ein Westwind. Je nach Lage der Polarfront durchzieht er die Norhalbkugel zwischen 40 Grad und 60 Grad nördlicher bzw. südlicher Breite.

Der Subtropen-Jetstream über dem subtropischen Hochdruckgürtel lieg im Bereich von 20 bis 30 Grad geographischer Breite. Er verläuft in etwa 12 km Höhe und ist schwächer als der Polar-Jetstream. Der Subtropen-Strahlstrom bildet sich oft nur in den jeweiligen Wintermonaten.

Wie entstehen Jetstreams?

Der DWD schreibt, Jetstreams entstehen "in Gegenden mit stärkeren horizontalen Temperaturgradienten", also Luftmassen mit unterschiedlicher Temperatur. Sie entstehen etwa durch unterschiedliche Sonneneinstrahlung. Am Äquator steigt die aufgeheizte Luft nach oben, an den Polen sinkt die kalte Luft ab - ein Ungleichgewicht entsteht, das durch Winde ausgeglichen wird. 

Durch die Drehung der Erde werden die Winde nach Osten abgelenkt, es entstehen Jetstreams. Weil in der Höhe weniger Reibung herrscht, können die Windströme die hohen Geschwindigkeiten erreichen.

Welche Rolle spielt der Jetstream für unser Wetter?

Jetstreams gelten als "Wettermacher". Sie transportieren heiße und kalte Luftmassen und verschieben kontinuierlich Luftdruckgebiete. Sie steuern die Großwetterlage in Europa sowie das Azorenhoch oder das Islandtief. In Europa beeinflusst vor allem der nördliche Polar-Jetstream das Wetter. Veränderungen des Jetstreams haben demzufolge große Auswirkungen auf das Wetter in Deutschland. Er kann für extreme Kälte, Unwetter oder für Hitze sorgen. 

Normalerweise zieht der Polar-Jetstream im Sommer kühle Luft vom Atlantik nach Europa und sorgt so für gemäßigte Temperaturen. Im Winter trägt er warme und feuchte Luftmassen von den Ozeanen auf die Kontinente und schafft so milde Winter. Besondere Wetterereignisse gibt es dann, wenn der Jetstream nicht wie gewohnt strömt, sondern Wellen macht oder sich aufspaltet.

Als Beispiel für extreme Wetterereignisse, die mit dem Jetstream zusammenhängen, nennt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in einem Deutschlandfunk-Interview die Elbeflut von 2002, den Jahrhundertsommer 2003 oder auch Rekordfluten an Elbe und Donau im Jahr 2013. Im heißen Dürrejahr 2018 mäandrierte der Strahlstrom mit mehreren Wellen in einer höheren Frequenz, wie Forscher des DWD zeigen konnten. Die Folgen: starke Regenmassen in Südeuropa und Hitzerekorde in Nordeuropa. Die späte Warmphase im Oktober und November 2022 führen Experten ebenfalls auf den Jetstream zurück.

Klimawandel: Welche Zusammenhänge haben Klima und Jetstreams?

Wetter ist etwas Kurzlebiges. Betrachtet man das Wetter allerdings über einen längeren Zeitraum, spricht man vom Klima. Und verändert der Jetstream regelmäßig das Wetter, kann er auch das Klima einer Gegend verändern. Dies war in der Vergangenheit der Fall. In den vergangenen Jahren tritt nun aber verstärkt der Effekt auf, der für die Wetterextreme in Europa verantwortlich war. 

Dabei spaltet sich der Jetstream über Europa in zwei Äste auf. Man spricht von "Doppeljet-Ereignissen". Die Luft vom Atlantik wird abgelenkt und kann Europa nicht abkühlen. Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben in einer Studie Wetterdaten der letzten 40 Jahre ausgewertet und festgestellt, dass die Zunahme der Hitzewellen in Europa stark mit diesem Doppeljet zusammenhängt. Denn der Jetstream spaltet sich deutlich häufiger und länger als früher.

Das liegt daran, dass die starken Windströme anfällig auf klimatische Veränderungen reagieren. Durch die Erwärmung von Nord- und Südpole durch den Klimawandel wird der Sog schwächer, der die Luft aus der Äquatornähe in den Norden zieht. Damit fällt auch der Wind immer stärker aus. Die Folge: der Jetstream schwächelt.

Wenn die Winde schwächer werden, treiben sie auch die Luftdruckgebiete nur noch langsamer weiter. Hoch- und Tiefdruckgebiete bleiben länger an einem Ort stehen. Der Meteorologe Sven Plöger erklärt im SWR: "Dieses Stehenbleiben der Hochs und Tiefs – ich nenne es Standwetter – ist ein zentraler Grund dafür, warum wir in Zukunft extremeres Wetter, also mehr Dürre, aber auch mehr Hochwasser erwarten müssen. Das hat uns die Klimaforschung bereits vor 20, 30 Jahren ausgerechnet. Diese Zusammenhänge sind physikalisch tatsächlich nachvollziehbar." 

Außerdem verändert der Jetstream seine Bahnen, wenn die Polkappen weiter schmelzen. Mit dem fortschreitenden Klimawandel wird sich mehreren Studien zufolge der Polar-Front-Jetstream bis zum Ende des 21. Jahrhunderts im Mittel ein bis zwei Grad weiter Richtung nach Norden verlagern. Damit können auch Extremwetterereignisse wie Kälte- oder Hitzewellen in Zukunft zunehmen.

 
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