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Utting
Wasserwacht: Dramatische Szenen auf dem Ammersee vor Utting
Rund 80 Frauen und Männer der Wasserwachten am Ammersee-Westufer, Rettungssanitäter und Notärzte sind zu einer Rettungsaktion nach Utting gerufen. Das ist der Grund für den abendlichen Einsatz.
Frauke Vangierdegom
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:55 Uhr

Eine junge Frau erreicht mit letzter Kraft die Wasserwacht-Station im Freizeitgelände Utting. Ein schwerer Sturm hat sie und ihre drei Freunde beim Baden im Ammerseeüberrascht. Jetzt sind die drei Mitschwimmer verschwunden. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.

Es ist zum Glück nur eine Übung, die am Freitagabend auch ein paar Schaulustige ans Ammersee-Ufer vor dem Uttinger Campingplatz lockt. Und trotzdem herrscht eine hoch konzentrierte und angespannte Stimmung unter den Teilnehmenden. Denn ein solcher Einsatz ist nicht unrealistisch, die Suche nach untergegangenen Menschen im Ammersee ist leider immer wieder Bestandteil der ehrenamtlichen Arbeit der Wasserwacht. 

"Irgendwann sind alle, die an der Suche und der Bergung beteiligt sind, so in ihrem Tunnel, als handele es sich um einen echten Einsatz", erläutert Frederik Riedel, der Technische Leiter der Uttinger Wasserwacht, die maßgeblich an der Durchführung dieser groß angelegten Übung beteiligt ist.

Auch wenn es nur eine Übung ist, sind alle beteiligten Rettungskräfte hoch konzentriert

Vom Eintreffen der jungen Frau an der Wasserwacht-Station bis zum Ausfahren der ersten Boote mit Besatzung dauert es nur ein paar Minuten. Nach und nach treffen auch die Mitglieder der anderen Wasserwachten aus Eching, Schondorf, Dießen, Penzing, Kaufering und Landsberg ein. Auch Krankenwagen, Sanitäter und Sanitäterinnen und ein Notarzt stehen bereit. 

Am Himmel hängen dunkle Wolken, das nächste Gewitter, vielleicht wieder mit Sturm, kündigt sich an. Für die Suchenden keine guten Bedingungen, denn der Ammersee ist aufgewühlt, das Wasser unruhig und die Sicht schlecht. In Ufernähe hat sich eine Suchkette gebildet, die ähnlich wie bei einer Vermissten-Suche nach einem Lawinenabgang in den Bergen, Zentimeter für Zentimeter den Boden abgeht. 

Ein Stück weiter draußen hat sich eine ähnliche Kette mit Schnorchlern gebildet, die ebenfalls akribisch den See, soweit es die Sicht erlaubt, durchsucht. Die junge Frau, die sich ans Ufer retten konnte, hatte in etwa beschreiben können, wo sie ihre drei Freunde zuletzt im Wasser gesehen hat. Das erleichtert das Suchszenario ein wenig. Dann plötzlich kommt über Funk an alle Einsatzkräfte die Information, man habe eine Person auf einem an einer Boje unweit vom Ufer festgemachten Segelboot ausfindig gemacht. Schnell wird sie von einem der insgesamt acht Einsatzboote aufgenommen und an Land gebracht, wo der Rettungsdienst übernimmt und das Unfallopfer ins Krankenhaus bringt. 

Drohne der Echinger Wasserwacht kommt bei der Großübung am Ammersee vor Utting zum Einsatz

Die Suchübung geht weiter, die Zeit drängt. Der Ammersee hat, nach den vielen Regenfällen der vergangenen Tage, nur noch eine Temperatur von rund 20 Grad. Wer da länger im Wasser ist, kühlt aus, die Kräfte schwinden. Während die Suchketten in Ufernähe weiter Stück für Stück vorankommen, machen sich auf zwei Booten Taucher bereit, die im Umkreis des Segelbootes, auf dem eine Person gefunden wurde, suchen wollen. Parallel dazu steigt die Drohne der Echinger Wasserwacht in die Luft, um den See und das Seeufer von oben mit einer Wärmebildkamera abzusuchen. Außerdem, so berichtet Michael Kaiser von der Echinger Wasserwacht, kann die Drohne Fotos im See in eine Tiefe von bis zu zwei Metern machen. Vorausgesetzt, die Sichtverhältnisse sind gut. Das aber ist an diesem Abend ganz und gar nicht der Fall. Der Sturm hat den See aufgewühlt und die Antriebe der vielen Einsatzboote auf dem See machen die Lage auch nicht besser. 

Dann plötzlich die nächste Nachricht per Funk: Eine zweite Person konnte gefunden werden. Kaum ist das Opfer an Bord eines Einsatzboots, beginnt die Reanimation. Diese wird ohne Unterbrechung abwechselnd von anwesenden Wasserwacht-Mitgliedern durchgeführt, bis die Rettungssanitäter übernehmen und das schwerst unterkühlte, bewusstlose Opfer in eine Klinik bringen. 

Mittlerweile sind fast zwei Stunden vergangen, seit die groß angelegte Rettungsaktion begonnen hat. Es dämmert, leichter Wind kommt auf und es wird deutlich kälter. Die vier Taucher sind, ausgerüstet mit einer "Telefonleine" ins Wasser gestiegen. Diese Leine dient zum einen der Sicherheit der Taucher, damit die im Notfall schnell ins Boot zurückgeholt werden können. Zum anderen besteht durch ein Kabel in der Leine Sprechkontakt zwischen dem Taucher und einer Person an Bord des Einsatzboots. Nach rund 20 Minuten Suche kommen die Taucher, die im Übrigen bis zu 20 Meter tief tauchen können (ausgebildete Rettungstaucher sogar bis 30 Meter tief) wieder an die Oberfläche, um sich zumindest ein paar Minuten auszuruhen. Dann geht es wieder hinunter ins eingetrübte Wasser. 

Die Reanimierungsversuche enden erst, wenn ein Arzt das Opfer für tot erklärt

Es dauert dann nicht mehr lange, bis auch die dritte untergegangene Person in einer Tiefe von rund zwölf Metern gefunden wird und an Bord des Einsatzboots gezogen werden kann. Wieder beginnen sofort die Reanimationsversuche. Am nahegelegenen Bootssteg wartet bereits ein Sanitätsteam mit Notarzt Klaus Nafzger darauf, den Verunfallten in Empfang zu nehmen. Eine Sanitäterin übernimmt die Reanimation. Notarzt und Rettungskräfte versuchen alles Menschenmögliche, die Person zu retten. Solange, bis der Arzt, wie es das Übungsgeschehen weiter vorsieht, diese für tot erklärt. 

Es ist ein Szenario, wie es sich durchaus auch in der Realität am Ammersee abspielen kann und leider, wenn auch nicht in genau dieser Art, auch schon abgespielt hat. Nicht immer nimmt die Suche nach vermissten Personen auf und im Ammersee ein glückliches und glimpfliches Ende. Damit der glückliche Ausgang aber noch öfter Realität werden kann, werden solche Übungen durchgeführt. Allerdings, so sagt Frederik Riedel, war diese, an der auch der Rettungsdienst Landsberg teilnahm, außergewöhnlich. Am Ende ziehen alle, vom Einsatzleiter der Wasserrettung, Frank Böhm und Übungsleiter Christoph Ruml über Andreas Lehner, Geschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) Landsberg, zu dem die Wasserwachten gehören, und Alex Dorow, Vorstandsvorsitzender des BRK, eine überaus positive Bilanz. Engagiert, mit Herzblut und Leidenschaft hätten die Teilnehmenden gezeigt, was die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer zu leisten imstande seien. Und dann sagt Dorow noch einen wichtigen Satz: "Wenn das alles der Freistaat Bayern bezahlen müsste, wären wir längst pleite." 

Der Abend endet mit einem geselligen Beisammensein, das auch dazu genutzt wurde, die Übung von allen Beteiligten zu analysieren. Im Realfall stünde jetzt das Kriseninterventionsteam (KIT) auch für die Einsatzkräfte bereit, um das erlebte zu verarbeiten. Schließlich bringt ein solcher Einsatz nicht nur körperlich, sondern auch psychisch eine enorme Belastung mit sich. 

 
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