Während der Hochphase der Corona-Pandemie war das Wort Triage plötzlich in aller Munde. Und zwar, als sich die Frage stellte, ob die Krankenhäuser, die Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger bald an ihre Kapazitäts- und Belastungsgrenzen stoßen würden.
Doch was genau steckt hinter dem Begriff und welche Probleme gibt es mit Triage in der Pflege, wo der Begriff eigentlich gar nicht zu Hause ist?
Triage: Was bedeutet das Wort genau?
Triage kommt aus dem Französischen und meint wörtlich übersetzt Sortierung oder Auslese. Alternativ halten als Übersetzungen auch Auswahl oder Sichtung her. Der Begriff wird aber auch in vielen anderen Sprachen übernommen, so auch im Deutschen. Laut einem Bericht des MDR tauchte der Begriff 1808 während der Feldzüge Napoleons erstmals in der Medizin auf, als es darum ging, verletzte Soldaten nach der schwere ihrer Verletzungen einzuordnen.
Als nächster habe der russische Chirurg Nikolai Iwanowitsch Pirogow darüber berichtet, wie er im Krimkrieg von 1853 bis 1856 die verletzten Soldaten sortierte. Im Ersten Weltkrieg sei die Triage verfeinert worden, um mit den vorhandenen, geringen Ressourcen die Kämpfer zu retten, die wieder einsatzfähig für die Front gemacht werden konnten.
Triage: Was steckt dahinter?
Das Vorgehen bei einer Triage skizziert NetDoktor. Demnach wird darauf zurückgegriffen, wenn in der Notfallmedizin bei vielen Patienten nur begrenzt medizinische Hilfe zur Verfügung steht. In diesem Fall würden die Fachkräfte schauen, welche Patienten besonders gefährdet sind und wem die größten Überlebenschancen gegeben werden. Ziel sei es, "möglichst viele Menschenleben trotz knapper Hilfsmittel zu retten".
Im Fall der klinischen Triage werden vor allem die Genesungschancen der schwer Erkrankten herangezogen. Geschaut wird in diesem Zusammenhang auf den Allgemeinzustand, die Gebrechlichkeit, weitere bestehende Vorerkrankungen, die die Erfolgsaussichten einschränken, aktuelle Laborwerte, den Zustand der Organfunktionen, den bisherigen Verlauf einer Erkrankung sowie das Ansprechen auf die bisherige Therapie.
Es fließen demnach auch immer aktuelle Erfahrungen und Erkenntnisse in die Beurteilung mit ein, beispielsweise "zum Verlauf einer Krankheit in bestimmten Situationen". Auch neue Behandlungsoptionen werden berücksichtigt.
Den Angaben zufolge ist "eine gewisse Triage" in Notaufnahmen von Krankenhäusern "der Normalzustand". Weil hier viel zu tun ist, könne die Lage schnell unübersichtlich werden. Erfahrene Pflegekräfte würden die Ersteinschätzung vornehmen. Allerdings gehe es nicht um knappe Ressourcen, sondern vordergründig darum, welche Patienten am schnellsten Hilfe benötigen.
Angewandt wird das auch von der Charité – Universitätsmedizin Berlin thematisierte, sogenannte Manchester-Triage-System (MTS), bei dem folgende fünf Dringlichkeitsstufen unterschieden werden:
- Kategorie Rot: sofortige Behandlung, alle laufenden untergeordneten Tätigkeiten werden dafür sofort unterbrochen
- Kategorie Orange: sehr dringende Behandlung, diese sollte binnen zehn Minuten beginnen
- Kategorie Gelb: dringende Behandlung, diese sollte binnen 30 Minuten beginnen
- Kategorie Grün: normal, die Behandlung sollte binnen 90 Minuten beginnen
- Kategorie Blau: nicht dringend, die Behandlung sollte binnen 120 Minuten beginnen
Bei NetDoktor wird zudem wie auch vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe auf die Sichtungskategorien (SK) verwiesen, die im Katastrophenfall oder bei Großunfällen angewandt werden. Hier ordnet der erfahrenste Helfer vor Ort, bei dem es sich zumeist um einen speziell geschulten Notarzt handelt, die zu Behandelnden in diese Kategorien ein:
- SK I: rot, vital bedroht, Sofortbehandlung
- SK II: gelb, schwer verletzt oder erkrankt, dringliche Behandlung
- SK III: grün, leicht verletzt oder erkrankt, nicht-dringliche Behandlung
- SK IV: blau, ohne Überlebenschance, palliative Versorgung
Triage in der Pflege: Welche Probleme gibt es?
Eine Triage in der Pflege gibt es in diesem Sinne nicht wirklich. Das erklärt auch Michael Mandt, Vorstand des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) Südwest, im Gespräch mit unserer Redaktion: "Triage in der Pflege gefällt mir als Begriff nicht. Ich würde sagen, dass wir aufgrund des Pflege-Notstands mehr Leute zum Pflegen bräuchten, dafür aber zu wenig Personal haben."
Diese Problematik ist dem Experten zufolge schon lange bekannt, erreicht aber neue Ausmaße: "Wir haben das Problem, das wir eigentlich immer zu wenig Pflegekräfte haben. Wir haben als DBfK schon 2002 darauf hingewiesen, dass es fünf vor zwölf ist. So schlimm, dass wir – wie aktuell – ganze Stationen oder Wohnbereiche nicht besetzen können, habe ich es noch nicht in Erinnerung." Deshalb warnt er eindringlich, dass es "höchste Eisenbahn" sei: "Es ist schon fünf nach zwölf, weil wir ja sehen, dass manche Menschen keinen Heimplatz bekommen."
Immerhin nennt Mandt auch ein paar positive Errungenschaften: "Es gab auch viele gute Entwicklungen, zum Beispiel das Pflegestärkungsgesetz, auch jetzt das neue Pflegepersonalbemessungsgesetz, das sind ja Verbesserungen. Problem ist, dass man dann ausrechnet, wir könnten so und so viele Mitarbeiter einstellen, aber die sind einfach nicht da. In einem Ausmaß, das erschreckend ist."
Einem Bericht der ARD-Sendung "Report Mainz" zufolge geht dies sogar so weit, dass potenzielle Bewohner bei der Frage nach der Aufnahme in ein Pflegeheim nach ihrem Pflegegrad bewertet werden. Demnach gehen verfügbare Betten schon einmal eher an Personen mit niedrigerem Pflegegrad, obwohl andere Bewerber dringender einen Platz bräuchten. In diesem Zusammenhang entstand auch der umstrittene Begriff Triage in der Pflege.
Mandt stellt hierzu fest: "Es gibt keine einheitliche Vorgehensweise, weil es in jeder Einrichtung unterschiedliche Bedingungen gibt. Das Ergebnis ist immer ein anderes." Ohnehin gelte, "dass sich ein stationäres Heim erst ab einem gewissen Pflegegrad wirtschaftlich trägt. Als privater Träger muss man auch schauen, dass man seine Ausgaben auch finanziert bekommt. Heime würden auch in die Bredouille kommen, wenn sie nur noch Menschen mit Pflegegrad 2 aufnehmen würden."
Grundsätzlich betont der DBfK-Vorstand: "Ich will auf keinen Fall sagen, dass die Qualität in der Pflege schlechter geworden ist. Es ist ja auch ein gutes Zeichen, wenn sich ein Heim für Pflegegrad 2 entscheidet, weil die Qualität hier sichergestellt werden kann."
Triage in der Pflege: Welche Pflegegrade gibt es?
Laut Gesundheitsministerium wird zwischen fünf Pflegegraden unterschieden. Dabei gibt es ein Punktesystem. Zunächst werden Selbständigkeit und Fähigkeiten in sechs Lebensbereichen erfasst und unterschiedlich gewichtet.
Der Punkt Selbstversorgung macht dabei 40 Prozent der späteren Gesamtsumme aus, der selbständige Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sowie deren Bewältigung 20 Prozent, die Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte 15 Prozent, gleiches gilt für geistige und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, wobei hier nur der höhere der beiden Werte einfließt, die Mobilität macht am Ende zehn Prozent des Gesamtergebnisses aus.
Die Einstufung der fünf Pflegegrade erfolgt dann in diesen Schritten:
- Pflegegrad 1: 12,5 bis unter 27 Punkte
- Pflegegrad 2: ab 27 bis unter 47,5 Punkte
- Pflegegrad 3: ab 47,5 bis unter 70 Punkte
- Pflegegrad 4: ab 70 bis unter 90 Punkte
- Pflegegrad 5: ab 90 bis 100 Punkte