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Prozess in Augsburg
Staatsanwalt zu Raserfahrt bei Ikea: "Kein Unfall, sondern ein Verbrechen"
Weil er in Augsburg ein illegales Rennen abgehalten haben soll, bei dem eine Frau starb, steht ein Mann vor Gericht. In den Plädoyers gehen die Ansichten auseinander.
Jan Kandzora
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:57 Uhr

Der Vorfall, der ein Leben beendete, dauerte nur Sekunden. Am 26. August 2022 stiegen drei junge Menschen in einen Mercedes GL63 AMG ein, den Herbert M. (Name geändert) fuhr. Der 54-Jährige muss gerast sein, kurz nach Beginn der Fahrt kam das 557-PS-Geschoss von der Straße ab, eine 21-jährige Beifahrerin starb. Um einen tragischen Unfall, sagte Staatsanwalt Johannes Zehendner nun, handele es sich indes nicht – sondern um eines der schwersten Verbrechen, die in den vergangenen Jahren mit einem Auto verübt worden seien. Im Prozess gegen Herbert M. vor dem Landgericht Augsburg wurden nun die Plädoyers gehalten. Staatsanwalt Zehendner forderte eine Gefängnisstrafe für den Angeklagten.

Der Ankläger sah eine Haftstrafe von fünf Jahren und neun Monaten als angemessen an, unter anderem wegen des Vorwurfs eines illegalen Rennens mit Todesfolge. "Beliebiger und sinnloser" könne ein Menschenleben kaum ausgelöscht werden, sagte der Staatsanwalt. Er warf dem Angeklagten vor, rücksichtslos und in "unglaublichem Egoismus" gehandelt zu haben und gerast zu sein, um seine jungen Mitfahrer zu beeindrucken. Dass andere Menschen dabei gefährdet werden könnten, habe er billigend in Kauf genommen. Der Staatsanwalt sprach von einem "Albtraum" für die Angehörigen des Opfers, hielt dem Angeklagten aber zugute, dass er die Tat gestanden hatte.

Prozess um tödlichen Unfall bei Ikea: Angeklagter seit Monaten in Untersuchungshaft

Seit Oktober läuft vor der 1. Strafkammer der Prozess gegen Herbert M., der seit Monaten in Untersuchungshaft sitzt. Der Angeklagte, ein gelernter Kfz-Mechaniker, ist ein Autonarr mit eigener Werkstatt und hielt sich vor dem Unfall regelmäßig bei der Total-Tankstelle an der Stuttgarter Straße auf, ein eigener Mikrokosmos für viele Autoliebhaber, die sich dort jedes Wochenende treffen. Die Fahrt, die höchstens 20 Sekunden gedauert haben kann, startete an der Tankstelle, führte nach Norden, die Stuttgarter Straße entlang Richtung Gersthofen – und endete auf dem Parkplatz des Möbelhauses Ikea mit dem Tod der 21-jährigen Frau, die auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte.

Wie berichtet, geht die Anklagebehörde davon aus, dass Herbert M. bei der Fahrt im August vergangenen Jahres so stark beschleunigte, dass er die Kontrolle über den fast 600 PS starken Mercedes GL63 AMG verlor. Der Angeklagte soll bereits im Jahr 2021 mit demselben Auto eine ähnliche Spritztour unternommen haben. Das Auto blieb damals aber auf der Straße. Anders, als es bei der Fahrt der Fall war, die zum Tod der 21-jährigen Frau führte: Das Opfer und zwei junge Männer waren an dem Abend auf Herbert M. getroffen, man kam ins Gespräch. Offenbar wollte Herbert M. den späteren Beifahrern zeigen, was der SUV in sich hatte, das Trio willigte ein.

SUV raste mit bis zu 145 km/h und kam bei Ikea von der Fahrbahn ab

Der 54-Jährige drückte den Ermittlungen zufolge das Gaspedal durch, kaum dass er die Ausfahrt der Tankstelle hinter sich gelassen hatte. Hier gilt in der Stuttgarter Straße Tempo 50, den Ermittlungen zufolge aber muss der 54-Jährige eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 145 km/h erreicht haben. Der Mercedes kam von der Fahrbahn ab, durchbrach einen Holzzaun, krachte über eine Böschung auf den hinteren Teil des Parkplatzes. Hier endete die Fahrt an einem Einkaufswagenständer, die 21-jährige Augsburgerin starb an schweren Kopfverletzungen. Auch die anderen beiden Beifahrer, die auf der Rückbank saßen, erlitten Verletzungen.

Mehrere Anwälte, die Angehörige und Opfer als Nebenkläger vertreten, forderten im Vergleich zum Antrag der Staatsanwaltschaft eine höhere Strafe für den Angeklagten, die nach ihrer Ansicht im Bereich von sechseinhalb Jahren Haft liegen solle. Sie bemängelten, dass Herbert M. keine echte Reue gezeigt habe, zudem habe er durch die Tat viele weitere Menschen gefährdet.

Urteil von tödlichem Unfall bei Ikea in Augsburg am Donnerstag erwartet

Verteidiger Florian Engert sprach von einer „Katastrophe für alle Beteiligten“, keine Strafe werde das Geschehen wiedergutmachen können; die Überlebenden seien dadurch gezeichnet. Der Anwalt sagte, er glaube nicht, dass sein Mandant habe „protzen“ wollen, auch wenn er wohl mehr als 100 Stundenkilometern gefahren sei – und damit deutlich zu schnell. Engert betonte, sein Mandant habe gestanden und auch Reue gezeigt. Er plädierte für seinen Mandanten auf eine Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten.

Die 1. Strafkammer des Landgerichtes unter Vorsitz des Richters Michael Schneider will am Donnerstag ein Urteil sprechen.

 
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