Für die meisten Menschen vergeht kein Tag, an dem sie ohne ihr Smartphone das Haus verlassen. Ob in der U-Bahn, im Wartezimmer oder auf dem Klo - um Zeit totzuschlagen, ist das Handy schnell gezückt.
Weil Männern es meist in der Hosentasche tragen, kursieren zudem immer wieder Gerüchte, dass Mobilfunkgeräte in der Nähe von männlichen Geschlechtsorganen schädlich sind und sogar zu Impotenz führen können. Doch was ist dran an den Gerüchten, was macht das Handy in der Hose mit der Potenz bei Männern? Was sind überhaupt Handystrahlen und welche Studien gibt es zu den Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit?
Handy in der Hosentasche: Um welche Strahlung geht es?
Prinzipiell gilt: Der moderne Mensch ist in der heutigen Welt verschiedenen Strahlungen ausgesetzt. So kommt etwa jeder und jede regelmäßig mit der UV-Strahlung der Sonne oder eben der Mobilfunkstrahlung in Berührung. Doch was sind Strahlungen eigentlich und um welche geht es bei der Handynutzung?
Laut Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) bezeichnet der Begriff der Strahlung grundsätzlich das Ausbreiten von Teilchen beziehungsweise Wellen durch den Raum. Dabei wird ausgehend von der Strahlungsquelle eine gewisse Menge an Energie transportiert. Abhängig davon wie groß diese Menge ist, spricht man entweder von ionisierender oder nichtionisierender Strahlung.
Gefährlich ist vor allem die ionisierende Strahlung, da sie die Materie, auf die sie trifft, verändert, beziehungsweise im Falle eines menschlichen Körpers Zellen und Organismen schädigen kann. Zu ihr gehört die gefährliche radioaktive Strahlung oder auch die Röntgenstrahlung, weshalb man übrigens bei einer Röntgenuntersuchung Schutzkleidung anlegen muss. Bei den elektromagnetischen Wellen der Mobilfunknetze, die sich über sogenannte elektromagnetische Felder (EMF) verbreiten, handelt es sich dagegen um nichtionisierende Strahlung. Ganz unschädlich ist aber auch diese nicht, wie Studien gezeigt haben.
Impotenz durch Handy in der Hosentasche: Es kommt auf die Grenzwerte an
Auch Strahlen, die durch die hochfrequenten elektromagnetischen Felder der mittlerweile mit 5G ausgestatteten Mobilfunknetze abgegeben werden, haben je nach Konzentration nachgewiesenermaßen einen Einfluss auf den Menschen. Je höher die Frequenz, desto mehr Wärme und Hitze entsteht, man spricht auch von einer erhöhten thermischen Belastung. Ein heiß gewordener Laptop auf dem Schoß etwa zeigt eine erhöhte elektromagnetische Strahlung an.
Entscheidend ist hierbei die sogenannte "Spezifische Absorptionsrate" (SAR). Sie beschreibt laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Energie, die in einer bestimmten Zeit von einem Körper aus einem hochfrequenten elektromagnetischen Feld aufgenommen und in Wärme umgewandelt wird. Um gesundheitsschädliche Wirkungen auszuschließen, so das BfS, dürfe der SAR-Wert bei Kopf und Rumpf maximal 2 Watt pro Kilogramm Körpergewebe betragen. "So lang bei der Exposition gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern die Grenzwerte eingehalten werden, gibt es keine Belege für schädliche Effekte auf die männliche Fruchtbarkeit durch elektromagnetische Felder", schreibt die oberste Strahlenbehörde.
Handy in der Hosentasche: Studien legen Auswirkungen auf Spermien nahe
Gleichzeitig legen Studienergebnisse einen kausalen Zusammenhang zwischen Handynutzung und Spermienanzahl nahe. Eine Studie der Technischen Universität Haifa aus dem Jahr 2015 fand etwa heraus, dass Männer, die ihr Handy vermehrt in der Tasche aufbewahren, eine beinahe 50 Prozent niedrigere Spermienzahl aufwiesen als die männliche Durchschnittsbevölkerung, bei der es nur 11 Prozent waren.
"Wir haben die Menge der aktiv schwimmenden Spermien sowie ihre Qualität analysiert, beides war reduziert", sagte die an der Studie beteiligte Professorin Martha Dirnfeld damals dem Telegraph. "Wir vermuten, es hängt mit der durch die Smartphones verursachten Wärme und der elektromagnetischen Strahlung zusammen." Neuere Studien allerdings zeichnen ein differenzierteres Bild.
So analysierten Forscherinnen und Forscher aus Genf und Basel in einer jüngst veröffentlichten Studie die Daten von 2886 Männern im Alter zwischen 18 und 22 Jahren, die zwischen 2005 und 2018 in sechs Rekrutierungszentren des Militärs erhoben wurden. Die Rekruten wurden demnach zu Lebensstil, Gesundheit, sowie Mobiltelefonnutzung und der Aufbewahrung des Handys befragt. Zwar wurde auch hier eine deutlich geringere Spermienzahl bei Handyvielnutzern festgestellt, Rückschlüsse auf die Aufbewahrung in der Hosentasche ließen die Studienergebnisse, die in der Fachzeitschrift "Fertility and Sterility" erschienen, aber nicht zu, wie der schweizerische Tagesanzeiger scheibt.
Handy in der Hosentasche: Kann man davon impotent werden?
Zusammenfassend lässt sich sagen: Studien legen einen direkten Zusammenhang von Handystrahlung zumindest auf die Spermienproduktion von Männern nahe. Diese kann bei einem sehr tiefen Wert sogar Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit haben. Demnach sinkt laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Wahrscheinlichkeit auf eine Schwangerschaft, wenn die Spermienkonzentration unter 40 Millionen pro Milliliter liegt. In der Schweizer Studie lag die Spermienkonzentration bei der Gruppe, die ihr Mobiltelefon mehr als 20 mal pro Tag nutzte, bei 44,5 Millionen pro Milliliter. Zum Vergleich: Bei Männern, die ihr Handy nicht mehr als einmal pro Woche verwendeten, lag sie bei 56,5 Millionen pro Milliliter.
Das BfS schreibt die bisher gemessenen Auswirkungen vor allem thermischen Effekten zu, die oberhalb der Grenzwerte liegen und die wegen der hohen Temperaturempfindlichkeit von Spermien einen entsprechenden Einfluss auf die Spermienkonzentration haben. Derart hohe Belastungen kommen bei der alltäglichen Nutzung von Handys laut BfS jedoch nicht vor. Auch wenn ein Handy in der Hosentasche aufbewahrt wird, liegt die Belastung für männliche Geschlechtsorgane durch elektromagnetische Felder weit unterhalb der Grenzwerte.