Wann man genau in Rente gehen kann, hängt in Deutschland vom Geburtsjahr und von der Versicherungszeit ab. Das kann nach 35 Jahren oder erst nach 45 Beitragsjahren der Fall sein. Wer 1963 geboren wurde, kann noch vor 67 Jahren den Ruhestand antreten kann. Ab dem Jahrgang 1964 ist nur noch eine Rente ab 67 Jahren möglich.
Zwar gibt es Ausnahmen, etwa für schwerbehinderte Personen oder Menschen mit bestimmten Krankheiten, die meisten Menschen können aber nicht früher in Rente gehen, ohne Abschläge in Kauf zu nehmen. Nach 45 Jahren Arbeit müssen Versicherte allerdings mit keinem Abzug rechnen. Eine weitere Anhebung der Rente hat die Ampelkoalition zwar ausgeschlossen, allerdings sieht der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz die Situation anders.
Renteneintritt mit 67 Jahren: Der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz hält das nicht für haltbar
"Meine Generation muss sich auf längeres Arbeiten im Alter einstellen - auch wenn wir unseren Wohlstand halten wollen", sagte der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Ich halte das für viele Berufe auch zumutbar, da sich die Arbeitswelt in den kommenden Jahren fundamental verändern wird, körperlich anstrengende Arbeit wird weniger, Wissensarbeit wird mehr."
Dem Grünen-Politiker zufolge gibt es bei der Rente drei Hebel:
- Rentenbeiträge
- Rentenhöhe
- Renteneintrittsalter
Allerdings seien die Rentenbeiträge schon hoch, sodass man mit einer Anhebung die Arbeit noch teurer machen würde. Die Rentenhöhe sei auch keine Option, da das Rentenniveau nicht weiter sinken solle, da die Leute davon auch leben müssen. Seiner Ansicht nach sei der einzig mögliche Hebel das Renteneintrittsalter. Darüber wünscht sich Bayaz eine ehrliche Diskussion. "Diese betrifft auch gar nicht die aktuelle Rentnergeneration."
Für den Finanzminister sei es schwierig, über die Lebensarbeitszeit zu sprechen: "Manchmal bekomme ich angesichts heftiger Reaktionen bei der Rentendebatte den Eindruck, dass in diesem Land vor allem Dachdecker leben. Von denen erwartet natürlich keiner, dass sie mit 67 oder 69 noch aufs Dach steigen". Manche könnten nicht mehr arbeiten, andere aber schon und wollen auch länger arbeiten, sagte Bayaz. Man müsse sich aufgrund der demografischen Entwicklung und des Drucks auf die öffentlichen Rentensysteme Gedanken machen, da die Situation besonders schwierig werden, wenn die Babyboomer in Rente gingen.
Unternehmen ebenfalls für späteren Renteneintritt
Auch Unternehmen in Baden-Württemberg hatten sich zu Beginn des Jahres aufgrund des Fachkräftemangels für einen späteren Renteneintritt ausgesprochen. Zudem wurde auch in der Politik darüber diskutiert, ob die Rente mit 63 abgeschafft wird. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sprach sich gegen die Rente mit 63 aus und auch Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann (Grüne) ist dafür, dass Menschen länger arbeiten und nicht früher in Rente gehen.
Bayaz findet die Rente mit 63 einen schweren Fehler, wie die dpa mitteilt, da sie generationenungerecht und schlecht angesichts des Fachkräftemangels sei. Außerdem sende das ein verheerendes Signal, das korrigiert werden müsse. "Anstatt dass die Politik alle paar Jahre neue Debatten um die Rente führt, sollten wir uns endlich ernsthafte Gedanken darüber machen, wie wir bei steigender Lebenserwartung eine faire Balance zwischen Arbeitszeit und Ruhestand finden", sagte der Grünen-Politiker. Man solle lieber jedes zusätzliche gewonnene Jahr Lebenserwartung in vier Monate zusätzliche Arbeit und acht Monate zusätzlichen Ruhestand aufteilen.
Der Finanzminister ist dafür, dass Arbeit und Freizeit im Laufe des Lebens neu aufgeteilt wird. "Wir müssen uns gedanklich von der Vorstellung verabschieden, dass es zuerst nur die Arbeit im Leben gibt und danach fährt man von heute auf morgen auf Null runter in den Ruhestand", erklärt er. Dieses System hält er für nicht mehr zeitgemäß und hat einen anderen Vorschlag: "Ein gesellschaftlicher Kompromiss könnte so aussehen, dass wir länger im Alter arbeiten und gleichzeitig die Arbeit über den Lebenszyklus anders verteilen". Der Grünen-Politiker erklärt weiter: "Es gebe Zeiten, wo man sich 120 Prozent in die Arbeit hänge, und andere Phasen, wo man Nachwuchs bekomme oder Angehörige pflege. Wir sollten den Menschen mehr Selbstbestimmung zutrauen und je nach Tätigkeit mehr Möglichkeiten für flexible Renteneintritte geben." Das Modell der Flexi-Rente, bei der der Übergang vom Erwerbsleben zur Rente ganz individuell gestaltet werden kann, gibt es bereits.
Kritik an Bayaz: Gute Renten für alle möglich?
Zwar bekommt Bayaz von Unternehmen Zuspruch für seine Ideen, von der Opposition und der Gewerkschaft erntet er allerdings heftige Kritik. "Es stimmt, dass nicht alle Dachdecker sind. Aber das haben wir auch nie behauptet", sagte der dpa zufolge Martin Gross, Landesbezirksleiter der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Erzieher, Pflegekräfte und Müllwerker würden es seiner Meinung nach unter den belastenden Arbeitsbedingungen schon jetzt nicht bis zur aktuellen Rentengrenze schaffen. "Für sie ist jede Verlängerung Richtung 70 faktisch eine dramatische Rentenkürzung."
Auch der Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds Baden-Württemberg, Kai Burmeister, sieht das so und findet ein späteres Renteneintrittsalter sozial- und gesellschaftspolitisch gefährlich. "Unser Land ist reich genug, damit alle Menschen im Alter würdig leben können", sagt er. "Mit einer gerechten Verteilung sind auch in Zeiten des demografischen Wandels gute Renten für alle möglich". Von der Opposition kommt ebenso Gegenwind. Sascha Binder, SPD-Generalsekretär, warf Bayaz vor, die Lebensrealität vieler hart arbeitender Menschen hierzulande zu verkennen. Und Rainer Podeswa, finanzpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Landtag, findet, dass das Renteneintrittsalter bereits jetzt zu hoch sei. "Es weiter anzuheben, macht Arbeit noch unattraktiver."
Unternehmen und die Wirtschaft hingegen begrüßen den Vorstoß von Bayaz. Dazu gehört Oliver Barta, Hauptgeschäftsführer der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW): "Personen mit einer klassischen Bürotätigkeit können sicher länger arbeiten und wollen dies auch sehr oft. Außerdem können wir in Zeiten des Fachkräftemangels gerade in diesen Berufen nicht auf die hohe Zahl an erfahrenen Fachkräften verzichten", sagt Barta. So fordert auch er flexiblere Modelle für die Lebensarbeitszeit. Da für Menschen mit körperlichen Tätigkeiten oft keine längeren Arbeitszeiten in Frage kommen, sollten "für diese Gruppen im Zuge der Reform finanzierbare Lösungen mitgedacht werden".
Übrigens: Wer länger arbeiten möchte, kann einen Zuschlag von 100 Euro zur Rente bekommen. Auf die Rente müssen noch Steuern und Abgaben gezahlt werden und auch Rentner müssen eine Steuererklärung abgeben, sonst drohen Strafen. Wie viel Rente man haben darf, ohne Steuern zu zahlen, lässt sich ermitteln. Mit einigen Tipps können Rentner bei der Steuererklärung sparen. Die gute Nachricht: Die Doppelbesteuerung der Rente soll wegfallen. Davon sollten einige Rentner profitieren. Die Tabelle zeigt, wie viel Prozent der Rente versteuert werden muss. Wer von der Doppelbesteuerung der Rente betroffen ist, kann eine Rückzahlung beantragen.